Die Klagefrist bei Kündigungen beträgt bekanntlich kurze drei Wochen, § 4 KSchG. Der Arbeitgeber soll nach Ablauf von drei Wochen Rechtssicherheit erlangen. Wie ist es aber, wenn die Kündigung von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht ausgesprochen wird? Gilt auch dann die Klagefrist von drei Wochen oder aber muss auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt werden? Mit diesen Fragen hat sich nun das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil eingehend befasst (BAG, Urteil v. 06.09.2012 – 2 AZR 858/11). Die Entscheidung ist sehr praxisrelevant und sollte beim Ausspruch von Kündigungen unbedingt beachtet werden.
Der Fall:
Die Parteien des Rechtsstreits streiten in erster Linie darüber, ob die eingereichte Kündigungsschutzklage fristgerecht erhoben wurde.
Der beklagte Arbeitgeber betreibt eine Spedition mit etwa 100 Mitarbeitern. Der klagende Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber seit 2007 als Lagerarbeiter beschäftigt. Am 15. Dezember 2009 erhielt der Arbeitnehmer ein auf Firmenpapier der Beklagten verfasstes Kündigungsschreiben vom gleichen Tage. Der Kündigungstext endet mit zwei handschriftlichen Zeichnungen. Die linke beginnt mit „ppa.“ und stellt den Schriftzug des Prokuristen dar. Die rechte beginnt mit „i.V.“ und ist die Zeichnung der Personalverantwortlichen und Handlungsbevollmächtigten des Unternehmens.
Erst über sieben Wochen später erhob der Kläger am 2. Februar 2010 Klage gegen die Kündigung. Der Arbeitgeber genehmigte erst am 1. Juni 2010 vorsorglich die Kündigung mit einem nunmehr von zwei Prokuristen unterzeichneten Schreiben.
Der Arbeitnehmer hat die Auffassung vertreten, er habe die Klage rechtzeitig erhoben, weil keine schriftlicheKündigung vorliege. Zudem habe es sich bei den handschriftlichen Zeichnungen auf dem Schreiben vom 15. Dezember 2009 nicht um Unterschriften, sondern lediglich um Paraphen gehandelt. Die Vertretungsbefugnis der beiden unterzeichnenden Personen sei nicht gegeben gewesen. Die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG habe deshalb frühestens mit der Genehmigung der Kündigungserklärung ab 1. Juni 2010 begonnen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
I. Klagefrist drei Wochen
Will der Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage ist deshalb als unbegründet abzuweisen.
Hinweis für die Praxis:
Aber: Da § 4 S. 1 KSchG auf den Zugang der schriftlichen Kündigung abstellt, kann der Mangel der Schriftform auch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden.
II. Kündigung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht
Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen ist. Sie ist wegen der fehlenden Vertretungsmacht nicht von seinem Willen getragen. Die erforderliche Zurechenbarkeit wird erst durch eine (nachträglich) erteilte Genehmigung hergestellt.
Das Bundesarbeitsgericht begründet dies mit Sinn und Zweck der kurzen Klagefrist. Diese dient nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts allein dem Schutz des Arbeitgebers. Er soll nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang und einer weiteren kurzen Zeitspanne für die Klagestellung darauf vertrauen dürfen, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Dieses Schutzes bedarf der Arbeitgeber aber dann nicht, wenn weder er selbst noch ein Vertreter mit Wirkung für und gegen ihn gekündigt hat. Andernfalls hätte es ein Dritter, so das Bundesarbeitsgericht, in der Hand, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, ohne dass zumindest eine Partei des Arbeitsvertrages dies tatsächlich wollte.
Hinweis für die Praxis:
Kündigt ein Vertreter ohne Vertretungsmacht ist eine spätere Genehmigung noch möglich. Dies gilt aber nur dann, wenn die fehlende Vertretungsmacht nicht schon bei Ausspruch der Kündigung unverzüglich innerhalb von einer Woche gerügt und die Kündigung allein deshalb zurückgewiesen wurde, § 174 BGB.
III. Genehmigung und Beginn Klagefrist
Die Vorschrift des § 4 S. 1 KSchG knüpft den Beginn der Klagefrist an den Zugang der Kündigung. Damit wird auf die Kenntnismöglichkeit des Arbeitnehmers abgestellt. Dies gilt entsprechend für die Genehmigung. Erst wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von der Genehmigung erlangt, läuft daher bei einer ausgesprochenen Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht die Klagefrist ab. Das Interesse des Arbeitgebers an der raschen Klärung der Frage, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, beginnt im Fall der Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erst mit der Genehmigung.
IV. Paraphe nicht ausreichend
Das Bundesarbeitsgericht hat auch nochmals die Anforderungen an die Schriftform klargestellt.
Die Schriftform für eine Kündigung wird nur durch eine eigenhändige Unterschriftgewahrt. Der Aussteller der Unterschrift muss aber nur identifiziert werden können. Hierzu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Namenszuges. Es genügt ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die eine Nachahmung erschweren. Der Schriftzug muss sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen, selbst wenn er flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist.
Diese Unterschrift ist von einer bewussten und gewollten Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe) zu unterscheiden. Für die Abgrenzung zwischen Unterschrift und Paraphe ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend.
Hinweis für die Praxis:
Die Unterschrift bei Kündigungserklärungen muss zwingend den vorgenannten Voraussetzungen genügen. Von einem schlichten „Haken“ oder einer bloßen „Linie“ ist daher dringend abzuraten. In diesen Fällen handelt es sich nicht mehr um einen charakteristischen Schriftzug, sondern dem äußeren Anschein nach lediglich um eine Namensabkürzung. Solche Handzeichen genügen aber nicht der notwendigen Schriftform für Kündigungen.
Fazit:
Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG gilt nach dieser Entscheidung nicht uneingeschränkt. Wird die Kündigung durch einen vollmachtlosen Vertreter ausgesprochen, beginnt die Klagefrist erst mit dem Zugang der späteren Genehmigung beim Arbeitnehmer. Die Entscheidung macht nochmals deutlich, dass bei der Unterzeichnung von Kündigungen größtmögliche Sorgfalt angewandt werden muss. Es sollte immer der rechtliche Vertreter des Unternehmens, also das Organ, Geschäftsführer oder Vorstand, unterzeichnen. Wird die Kündigung nicht durch den Arbeitgeber in Person unterschrieben sondern durch einen bevollmächtigten Arbeitnehmer, werden rechtliche Unsicherheiten nur dann vermieden, wenn eine Originalvollmacht des Arbeitgebers dem Originalkündigungsschreiben beigefügt wird. Im vorliegenden Fall hat es sogar ein Prokurist unterzeichnet, dessen Vertretungsbefugnis wurde aber angezweifelt. Aus diesem Grunde hat das Bundesarbeitsgericht den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.
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