24.10.2013 -

Die AGB-Kontrolle beschäftigt die Arbeitsrechtler nun schon seit vielen Jahren. Immer wieder kommt es zu Entscheidungen, die trotz entgegenstehender Formulierungen im Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer einen Anspruch, z.B. Weihnachtsgeld, dauerhaft zugestehen. In einem aktuellen Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht einen solchen Fall zu entscheiden. Trotz der vertraglichen Formulierung als „freiwillige Leistung“ hat das Bundesarbeitsgericht dem Mitarbeiter einen dauerhaften Anspruch zugestanden und den Freiwilligkeitsvorbehalt für unwirksam erklärt (BAG, Urteil v. 20.02.2013 – 10 AZR 177/12). Die Entscheidung gibt erneut wichtige Hinweise für die Arbeitsvertragsgestaltung und sollte daher von der betrieblichen Praxis in jedem Fall beachtet werden.

Der Fall:

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010. Der klagende Arbeitnehmer ist bereits seit 1. August 2004 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt und erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von 2.450,00 €. In den Jahren 2004 bis 2008 zahlte der Arbeitgeber das in dem Arbeitsvertrag wie folgt vereinbarte Weihnachtsgeld in der gestaffelten Höhe:

§ 5 Urlaub/Freiwillige soziale Leistungen

Freiwillige soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zurzeit werden gewährt:

– Urlaubsgeld in Höhe von 18,40 € pro Urlaubstag.

– Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehalts im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehalts.

– Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 € pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.

Anlässlich der jährlichen Zahlungen in den Jahren 2004 bis 2008 erhielt der Arbeitnehmer zusätzlich ein Schreiben mit u.a. folgendem Wortlaut:

Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.

Im Jahre 2009 wurde dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Gleiches galt für das Jahr 2010.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 €) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.540,00 €) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrages. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Zahlungsklage über 4.655,00 € stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. AGB-Kontrolle

Bei der Regelung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages zum freiwilligen Weihnachtsgeld handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn auszulegen. Bleibt nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht-behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht.

II. Begründung eines Entgeltanspruchs

Der Arbeitgeber hat im Arbeitsvertrag zunächst die Gewährung eines Weihnachtsgeldes zugesagt. Zusätzlich hat er im Vertrag die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils 10 % Punkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts.

Die Bezeichnung als freiwillig in der Überschrift als auch im Text selbst kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist. Diese Formulierung genügt daher für sich genommen noch nicht, um einen Rechtsanspruch auf Leistung auszuschließen. Zwar erscheint auch die von dem Arbeitgeber vertretene Auslegung, wonach sich aus dem Arbeitsvertrag nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergebe, für möglich, so das Bundesarbeitsgericht. Aber: Der AGB-verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass der Arbeitsvertrag in Anwendung der Unklarheitenregelung zu einem festen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld in der dort geregelten Höhe führt.

III. Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam?

Das Bundesarbeitsgericht hat dann weiter den im Arbeitsvertrag enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt geprüft. Danach soll die Zahlung der betrieblichen Weihnachtsgratifikation keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen. Diese Regelung verstößt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Dies begründet der 10. Senat wie folgt: Der Wortlaut der Abrede ist zwar eindeutig und schließt einen Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus. Er steht aber gerade im Widerspruch zu dem gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Damit ist er nicht klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und unwirksam. Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt nämlich die unwirksame Regelung ersatzlos weg und der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat also in einem ersten Schritt geprüft, ob es sich bei dem Weihnachtsgeld um eine freiwillige oder nicht freiwillige Leistung handelt und kam hier zu dem Ergebnis, dass in Anwendung der Unklarheitenregelung ein fester Entgeltanspruch vereinbart wurde. In einem zweiten Schritt hat das Bundesarbeitsgericht dann den Freiwilligkeitsvorbehalt für unwirksam erklärt, weil er mit dem zuvor genannten festen Entgeltanspruch nicht vereinbar ist.

IV. Zusätzlich erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt bei Auszahlung?

Schließlich hat sich das Bundesarbeitsgericht mit dem zusätzlich erklärten Vorbehalt auseinandergesetzt. Bei der jährlichen Auszahlung haben die Mitarbeiter ein Begleitschreiben mit Hinweis auf freiwillige Leistung und fehlenden Rechtsanspruch erhalten. Solche Vorbehalte sind für sich genommen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wirksam. Mit Freiwilligkeitsvorbehalten sollen Ansprüche aus betrieblicher Übung verhindert werden; sie können aber einen einmal begründeten vertraglichen Anspruch nicht mehr beseitigen. So lag der Fall hier: Der Arbeitsvertrag begründete nach der oben dargestellten Prüfung bereits einen festen Entgeltanspruch. Dieser Anspruch konnte durch spätere Freiwilligkeitserklärungen nicht mehr beseitigt werden. Die reine Entgegennahme der Zahlungen in den Jahren 2004 bis 2008 änderte hieran nichts.

Fazit:

Das Zusammenspiel von arbeitsvertraglichen Abreden und Freiwilligkeitsvorbehalten muss genau beachtet und geprüft werden. Der vorliegende Fall macht deutlich, dass nicht jeder Freiwilligkeitsvorbehalt auch wirksam ist. Es ist daher unumgänglich, sich über die Einzelheiten bei der Vertragsgestaltung im Vorhinein Gedanken zu machen und in keinem Fall abgestufte Regelungen zu formulieren. In diesen Fällen nimmt das Bundesarbeitsgericht nämlich regelmäßig einen festen Entgeltanspruch an und lässt spätere Freiwilligkeitsvorbehalte nicht mehr gelten.

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