03.11.2013 -

Mitarbeiter dürfen sich in ihrem geschäftlichen Verhalten von Dritten nicht zum Nachteil des Arbeitgebers beeinflussen lassen. In der Praxis spricht man hier von so genannten Schmiergeldzahlungen. Größere Unternehmen halten die entsprechenden Regularien in innerbetrieblichen Compliance-Programmen fest. Solche Programme sind aber nicht Voraussetzung, um später Verstöße gegen das Schmiergeldverbot auch sanktionieren zu können. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte sich in einer aktuellen Entscheidung mit einem solchen Verstoß gegen das Schmiergeldverbot zu befassen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 31.05.2012 – 11 Sa 594/11). Die Entscheidung macht deutlich, dass der Arbeitgeber entsprechende Kündigungen nur bei völlig sicherer Beweislage durchsetzen kann.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer, 1965 geboren, verheiratet und einem Sohn zum Unterhalt verpflichtet, trat im Jahre 1983 in das Unternehmen des beklagten Arbeitgebers ein. Zuletzt war er als Maschinentechniker in der Einheit technische Betriebsbetreuung mit einem Bruttomonatseinkommen von durchschnittlich 5.634,16 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Tarifvertrag der chemischen Industrie.

Bei dem Arbeitgeber gibt es ein Compliance-Programm, das auch dem Mitarbeiter bekannt ist. Danach sind die privaten Interessen der Mitarbeiter und die Interessen des Unternehmens strikt zu trennen. Persönliche Beziehungen oder Interessen dürfen die geschäftliche Tätigkeit nicht beeinflussen. Kein Mitarbeiter darf deshalb im Umgang mit Lieferanten, Kunden, sonstigen Geschäftspartnern oder Amtsträgern persönliche Vorteile wie z.B. Zahlungen, Geschenke oder sonstige Zuwendungen von Wert fordern oder annehmen. Das Unternehmen erwartet von jedem Mitarbeiter, dass er seinen Vorgesetzten informiert, wenn er entsprechende Angebote eines Geschäftspartners erhält.

In seinem Arbeitsbereich war der Arbeitnehmer nicht zur Vergabe von Aufträgen berechtigt. Die Auftragsvergabe erfolgte allein durch seinen Vorgesetzten, den Meister. Zwar war er bei Abwesenheit des Meisters dessen fachlich-technischer Vertreter. Der schriftliche Auftrag wurde aber immer von dem Meister erteilt.

Das Unternehmen kündigte dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich. Es wirft ihm in fünf Fällen ein unrechtmäßiges Verhalten vor, durch welches er das Unternehmen um insgesamt ca. 2.300,00 € geschädigt habe:

(1) Die Firma L habe auf seinen Auftrag hin ein Edelstahlrohr für die Dunstabzugshaube in seiner Küche angefertigt.

(2) Der Kläger habe darüber hinaus die Firma L mit der Ausmessung und Anfertigung eines Aufbauelementes für den Pick Up des Herrn S beauftragt, bei dem er seinerzeit einer Nebenbeschäftigung nachging.

(3) Einen weiteren Auftrag an die Firma L habe er für zwei Flacheisen aus Edelstahl mit zwei Haltern zum privaten Gebrauch erteilt.

(4) Ferner habe der Kläger auf seinen Vorschlag hin von einem Obermonteur der Firma L im Austausch für private Essensquittungen Bargeld in Höhe von 250,00 € bis 300,00 € erhalten.

(5) Der Kläger habe Anfang 2008 zwei Klöpperböden für private Zwecke eines anderen Mitarbeiters telefonisch im Betrieb bestellt.

Gegen diese fünf Vorwürfe setzt sich der klagende Arbeitnehmer zur Wehr und hat gegen die fristlose Kündigung daher Kündigungsschutzklage eingereicht. So habe er z.B. das Rohr für die Dunstabzugshaube im Austausch gegen sehr gut erhaltene Kinderkleidung und Spielsachen seines Sohnes erhalten. Das Aufbauelement für den Pick Up habe eine dritte Person, Herr S, erhalten, nicht er. Hier sei er nicht verantwortlich. Auch im Übrigen träfen die Vorwürfe nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat die genannten Personen als Zeugen vernommen und festgestellt, dass die Vorwürfe nicht bewiesen werden konnten. Es hat daher in der 1. Instanz der Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Die fristlose Kündigung sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung wirksam.

I. Fristlose Kündigung

Arbeitsverhältnisse können fristlos aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Voraussetzung ist ein Sachverhalt, der als wichtiger Grund die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung rechtfertigt. Der Arbeitgeber muss dann die Kündigung in vollem Umfange beweisen. Etwaige vom Kündigungsempfänger geltend gemachte Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind ebenfalls vom Arbeitgeber als Kündigenden zu widerlegen, was oftmals sehr schwierig ist.

II. Schmiergeldverbot

Wer sich als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile versprechen lässt oder entgegennimmt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen, verstößt damit gegen das so genannte Schmiergeldverbot. Er handelt den Interessen seines Arbeitgebers zuwider und gibt diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Es reicht vielmehr aus, dass der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. In Fällen dieser Art liegt die eigentliche Ursache dafür, dass ein solches Verhalten die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, nicht so sehr in der Verletzung vertraglicher Pflichten, sondern in der damit zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, unbedenklich eigene Vorteile bei der Erfüllung von Aufgaben wahrnehmen zu wollen, obwohl er sie allein im Interesse des Arbeitgebers durchzuführen hat. Durch sein gezeigtes Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit.

III. Verdacht ausreichend

Im Arbeitsrecht können Kündigungen nicht ausschließlich nur wegen einer nachgewiesenen Tat (wie im Strafrecht) ausgesprochen werden. Auch der schwerwiegende Verdacht eines Verstoßes gegen das Schmiergeldverbot kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des verdächtigen Arbeitnehmers sein. Eine solche Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören.

Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Dabei ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzungder Verdachtskündigung! Ein dringender Verdacht liegt nur vor, wenn bei kritischer Prüfung eine auf Beweistatsachen gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht. Der entsprechende Verdacht muss es dem Arbeitgeber unzumutbar machen, mit dem Arbeitnehmer weiter zusammenzuarbeiten.

Hinweis für die Praxis:

Eine Kündigung muss bei Ausspruch aber nicht begründet werden. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Angabe der Kündigungsgründe bereits im Kündigungsschreiben besteht nicht. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es daher auch nicht notwendig, im Kündigungsschreiben zwischen Tat- und Verdachtskündigung zu differenzieren. Wichtig ist allerdings, dass gegenüber dem Betriebsrat diese Differenzierung deutlich gemacht wurde.

IV. Beweisaufnahme

Das Arbeitsgericht hatte in der 1. Instanz eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der in Frage kommenden Zeugen vorgenommen. Es kam nach dieser Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die gegenüber dem Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe nicht nachgewiesen werden konnten. Dieser Beweiswürdigung hat sich auch das Landesarbeitsgericht in der 2. Instanz angeschlossen. Der Arbeitgeber konnte die Vorwürfe nicht in der Beweisaufnahme bestätigen. Das Landesarbeitsgericht, wie auch das Arbeitsgericht, haben daher die Kündigung für unwirksam erklärt.

Fazit:

Verstöße gegen ein bestehendes Schmiergeldverbot bzw. Compliance-Richtlinien rechtfertigen grundsätzlich die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber muss aber die Verstöße nachweisen und benötigt hierfür die entsprechenden Beweismittel, insbesondere klare und eindeutige Zeugenaussagen. Beruft sich der Mitarbeiter auf rein private Beziehungen oder aber bringt er sonstige Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe vor, muss der Arbeitgeber diese Gründe widerlegen. Nach geltendem Prozess- und Beweisrecht muss also nicht der Mitarbeiter diese Gründe beweisen, sondern der Arbeitgeber muss sie im Gegenbeweis widerlegen, was in der Praxis oftmals nicht möglich ist. Bei einem bloßen Verdacht müssen gewichtige und schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und nachgewiesen werden. Auch diese Anforderungen können meist nicht erfüllt werden.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz macht insoweit deutlich, dass alle Unsicherheiten zu Lasten der Arbeitgeberseite gehen und fristlose Kündigungen nur bei völlig sicherer Beweislage durchgesetzt werden können.

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

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