06.11.2013 -

Compliance-Maßnahmen oder Systeme werden nicht nur in großen Konzernen, sondern auch in mittelständischen Unternehmen eingeführt. Dies betrifft z.B. die Benennung von so genannten Compliance-Officern, die Durchführung von Schulungen und die Implementierung von Compliance-Richtlinien. Kommt es zu Verstößen, muss der Arbeitgeber entsprechende Ermittlungen intern einleiten. In all diesen Fällen stellt sich die Frage nach den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats. Wir möchten nachfolgend auf die wesentlichen Bestimmungen hinweisen. Der Beitrag dient vor allem dazu, Problembewusstsein zu schärfen und auf einschlägige betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften aufmerksam zu machen.

I. Mitbestimmung bei Compliance-Richtlinien

Compliance-Richtlinien können inhaltlich vielfältiger Natur sein. Es geht oftmals darum, im Rahmen eines Compliance-Programmes alle Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass die privaten Interessen der Mitarbeiter und die Interessen des Unternehmens strikt zu trennen sind. Neben solchen Hinweisen geht es auch um die Wiedergabe einschlägiger gesetzlicher Vorschriften oder aber bestimmte verbindliche Verhaltensregeln, z.B. im Umgang mit Lieferanten, Kunden oder sonstigen Geschäftspartnern und Amtsträgern. Mitarbeiter dürfen keine persönlichen Vorteile wie z.B. Zahlungen, Geschenke oder sonstige Zuwendungen fordern oder annehmen. Auch kann in einem Compliance-Programm ein entsprechendes Meldesystem installiert werden.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ergeben sich bei solchen Richtlinien oder Programmen vor allem aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Einschlägig sind hier die Nummern 1 und 6, also Ordnung des Betriebes und Verhalten der Mitarbeiter (Nr. 1) und die Einführung technischer Überwachungseinrichtungen (Nr. 6). Auch wenn der Hinweis lediglich auf gesetzliche Vorschriften grundsätzlich nicht dem Mitbestimmungsrecht unterliegt (vgl. auch Einleitungssatz § 87 Abs. 1 BetrVG) werden viele Regelungen nach § 87 Abs. 1 Nummern 1 und 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein. Es empfiehlt sich daher in der Praxis in solchen Fällen mit dem zuständigen Gremium (Betriebsrat, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) eine entsprechende Betriebsvereinbarung zu vereinbaren, um die Mitbestimmungsrechte zu wahren.

Hinweis für die Praxis:

Verstöße gegen § 87 BetrVG führen zu einem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Dieser Unterlassungsanspruch kann sogar im einstweiligen Verfügungsverfahren kurzfristig durchgesetzt werden. Der Betriebsrat muss daher vor der Implementierung der Richtlinie zwingend seine Zustimmung erteilen. Kommt eine Einigung zwischen den Parteien nicht zu Stande, entscheidet die Einigungsstelle, § 87 Abs. 2 BetrVG.

II. Benennung von Compliance-Officern

In vielen Unternehmen werden für die Gewährleistung der Compliance-Richtlinie bestimmte Personen, so genannte Compliance-Officer bzw. Compliance-Verantwortliche, benannt. Meist handelt es sich um bereits beschäftigte Mitarbeiter, die zusätzlich mit diesen Aufgaben betraut werden. In größeren Einheiten können auch neue Stellen eingerichtet werden.

Die Benennung eines Mitarbeiters zum Compliance-Officer an sich ist noch nicht mitbestimmungspflichtig. Rechte des Betriebsrats können sich aber aus allgemeinen Vorschriften ergeben, insbesondere § 99 BetrVG. In Betracht kommen hier die personellen Einzelmaßnahmen Versetzung und Einstellung. Der Betriebsrat kann sogar im Vorhinein die Ausschreibungnach § 93 BetrVG verlangen (vgl. dazu § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG).

Hinweis für die Praxis:

Der Betriebsrat hat also über die klassischen Mitbestimmungsrechte nach § 99 Abs. 1 BetrVG sowohl bei Einstellungen als auch bei Versetzungen ein Mitbestimmungsrecht bei der Benennung von Compliance-Officern und kann insoweit seinen Einfluss geltend machen. Wird ein bereits beschäftigter Mitarbeiter zusätzlich mit der Funktion eines Compliance-Officers versehen, handelt es sich allerdings nur dann um eine Versetzung, wenn mit dieser Benennung auch gleichzeitig eine Änderung des Arbeitsbereichs verbunden ist. Der bloße Titel an sich löst noch keine Mitbestimmungsrechte aus. Ändert sich aber die Tätigkeit bzw. erhält der Mitarbeiter neue Aufgaben, wird dies regelmäßig den Tatbestand der Versetzung erfüllen.

III. Compliance-Schulung

Die Schulung von Mitarbeitern zu Compliance-Systemen unterliegt der üblichen Mitbestimmung nach § 98 BetrVG. Es gelten keine Besonderheiten. Der Betriebsrat kann auf die Auswahl der zu schulenden Mitarbeiter daher Einfluss nehmen.

Es handelt sich bei Compliance-Schulungen regelmäßig um sonstige Bildungsmaßnahmen im Sinne von § 98 Abs. 6 BetrVG und nicht um Maßnahmen der Berufsbildung im Sinne des § 98 Abs. 1 BetrVG. An der Mitbestimmung ändert dies aber nichts (vgl. § 98 Abs. 6 BetrVG).

IV. Mitbestimmung des Betriebsrats bei betriebsinternen Ermittlungen

Kommt es zu Verstößen gegen die Compliance-Richtlinien bzw. bestehende Schmiergeldverbote muss der Arbeitgeber zur Wahrung der kurzen Fristen (vgl. § 626 Abs. 2 BGB) zügig handeln. Er wird dazu schnellstmöglichst Ermittlungen aufnehmen, Personen anhören und versuchen, die nötigen Beweise zu sichern.

Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze. Das BetrVG sieht für diesen Fall keine speziellen Regelungen vor.

Bei der Kündigung selbst muss also der Betriebsrat nach § 102 BetrVG beteiligt und angehört werden. Ermittlungen im Vorfeld können im Einzelfall bei der Anwendung technischer Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig werden. Denkbar ist bei dem Einsatz von Personalfragebögen eine Mitbestimmung nach § 94 Abs. 1 BetrVG.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber befindet sich im Stadium der Ermittlungen oft in einem Dilemma: Einerseits muss er möglichst zügig und schnell den Kündigungssachverhalt aufklären, um nicht wichtige Fristen zu versäumen; andererseits hat er meist kein Interesse daran, bereits im Vorfeld schon viele Personen in die Ermittlungen einzubeziehen, da dadurch der Erfolg der Ermittlungen gefährdet werden kann. Art und Weise der Ermittlungen müssen daher wohl bedacht werden.

Fazit:

Die Implementierung von Compliance-Systemen, die Ernennung von Compliance-Officern, die Durchführung von Compliance-Schulungen und Ermittlungen können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen. In Betracht kommen vor allem die Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen (Versetzung und Einstellung) nach § 99 BetrVG und Beteiligungsrechte bei sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nummern 1 und 6 BetrVG. Werden Fragebögen verwandt greift § 94 BetrVG und die Durchführung von Schulungen richtet sich nach § 98 BetrVG. Kommt es nach entsprechenden Ermittlungen zum Ausspruch einer Kündigung muss der Betriebsrat vor Ausspruch nach § 102 BetrVG angehört werden.

Verstöße gegen diese Beteiligungsverpflichtungen lösen unterschiedliche Rechtsfolgen aus. Dem Betriebsrat stehen u.a. Unterlassungsansprüche zu, die sogar im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden können. Kündigungen ohne vorherige Anhörung sind unwirksam. Wir können der Praxis also nur empfehlen, sich vor der Einrichtung von Compliance-Systemen genaue Kenntnis über die in Frage kommenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu verschaffen.

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