Bei der Errichtung privatschriftlicher Testamente ohne juristische Beratung kommt es häufig vor, dass aus Unkenntnis und durch Wahl falscher Formulierungen im Erbfall nicht der gewünschte Erfolg erzielt wird. Das OLG Zweibrücken hat mit Beschluss vom 17.07.2002 (- 3 W 82/02 -) zu den Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Testamentes Stellung genommen, wenn die Ehegatten getrennte Einzeltestamente errichtet haben.

 

Der Sachverhalt:

 

Die Ehegatten hatten 1987 im zeitlichen Abstand von mehreren Wochen zwei Einzeltestamente errichtet, in denen sie jeweils den anderen Ehegatten als Alleinerben einsetzten. Die Testamente waren nach Inhalt und Fassung in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend. Aus den Urkunden ging nicht hervor, dass diese als Einheit anzusehen sein sollten. Jeder Ehegatte hatte sein Testament für sich ohne Bezugnahme auf die letztwillige Verfügung des anderen errichtet und es wurden jeweils die Worte „ich“ und „mein gesamtes Vermögen“ verwendet.

 

Im September 2000 errichtete die Ehefrau ein notarielles Testament, in dem sie alle früheren letztwilligen Verfügungen widerrief.

 

Nach dem Ableben der Ehefrau beantragte ihr Mann die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben entsprechend dem Testament der Ehefrau vom 29.11.1987 ausweisen sollte. Zur Begründung führte er an, bei Errichtung des notariellen Testaments vom 05.09.2000 sei die Erblasserin in ihrer Testierfreiheit beschränkt gewesen, da die von beiden Eheleuten 1987 errichteten letztwilligen Verfügungen als gemeinschaftliches Testament im Sinne von § 2265 BGB anzusehen seien.

 

Der Antrag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Betzdorf vom 22.11.2001 abgelehnt. Das Landgericht Koblenz wies die Beschwerde des Ehemannes gegen den Beschluss zurück.

 

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken:

 

Die weitere Beschwerde des Ehemannes wurde ebenfalls zurückgewiesen.

 

I.

Beschränkung der Testierfähigkeit durch wechselbezügliche Verfügungen

 

Enthält ein Testament wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 Abs. 1 und 2 BGB, sind die Ehegatten hieran insoweit gebunden, als sie die wechselbezüglichen Verfügungen nur noch unter den Voraussetzungen des § 2271 BGB widerrufen können. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen, kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

 

 

II.

Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Testamentes bei Errichtung getrennter Einzeltestamente

 

Streitentscheidend für die Frage, ob die Ehefrau durch das notarielle Testament vom 05.09.2000 ihre frühere Verfügung widerrufen konnte, war damit die Frage, ob es sich bei dem früheren Testament um eine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des § 2270 BGB handelte.

 

Dies ist nicht schon deswegen zu verneinen, weil die Eheleute in zwei getrennten Urkunden testiert haben. Denn die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden wird allgemein für zulässig erachtet (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 1485, 1486; FamRZ 1993, 240, 241).

 

Haben Eheleute ihren letzten Willen ohne Bezugnahme aufeinander in getrennten Schriftstücken niedergelegt, liegt ein gemeinschaftliches Testament nur dann vor, wenn ihr Wille, gemeinsam letztwillig über ihren Nachlass zu verfügen, zu einer gemeinschaftlichen Erklärung geführt hat, die aus beiden Einzeltestamenten selbst nach außen erkennbar ist. Diese in der Rechtsprechung gefestigte Auffassung (vgl. BGHZ 9, 113, 115 ff.; OLG Köln, OLGZ 1968, 321, 322 ff., BayObLG, jeweils a.a.O., OLG Celle, OLGZ 1969, 84, 87, OLG Frankfurt am Main, OLGZ 1978, 267, 268 ff.) beruht auf der Erwägung, dass sich nur auf diese Weise sowohl eine unnötige Formstrenge vermeiden als auch die der Rechtssicherheit entsprechende zuverlässige Widergabe des Willens des Erblassers sicherstellen lässt.

 

Das OLG Zweibrücken hält den vom LG Koblenz gezogenen Schluss, aus dem Inhalt der eigenhändigen Testamente vom 06.10. und 29.11.1987 könne ein gemeinschaftliches Testament nicht erkannt werden, für rechtsfehlerfrei. Eine gemeinschaftliche Erklärung sei den beiden Testamenten auch unter Würdigung aller Umstände nicht zu entnehmen. Zwar seien sie am selben Ort mit einem zeitlichen Abstand von knapp 8 Wochen errichtet worden und nach Inhalt und Fassung allen wesentlichen Punkten gleich. Angesichts der entscheidenden Tatsache, dass die Eheleute nicht als gemeinschaftlich handelnd (erklärend) aufgetreten sind, ist dies jedoch unerheblich. Nach außen sind die beiden Testamente selbständige Einzelverfügungen geblieben und in keiner Weise – jedenfalls nicht aus den Urkunden selbst erkennbar – als Einheit anzusehen. Jeder Ehegatte habe sein Testament für sich ohne Bezugnahme auf die letztwillige Verfügung des anderen errichtet. Dafür spreche schon die Verwendung der Worte „ich“ und „mein gesamtes Vermögen“ (vgl. BGHZ a.a.O. S. 117, BayObLG FamRZ 1991, 1485, 1486; OLG Köln, OLGZ 1968, 321, 322).

 

 

III.

Außerhalb der Testamente liegende Umstände unerheblich

 

Nach gefestigter Rechtsprechung, der sich das OLG Zweibrücken anschließt, kommt es nicht darauf an, ob der Wille der Ehegatten, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, auf andere Weise, d.h. durch außerhalb der Testamente liegende Umstände, erweisbar ist, wenn die Einzeltestamente selbst keinen Anhaltspunkt dafür geben, dass es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt.

 

Fazit:

 

Die Entscheidung zeigt anschaulich, dass die Errichtung privatschriftlicher Testamente ohne Einholung juristischen Rates später zu Konflikten führen kann. Sofern den Eheleuten 1987 tatsächlich an der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes gelegen war, hätten sich die späteren Probleme vermeiden lassen, wenn sie sich dabei von einem Rechtsanwalt oder Notar hätten beraten lassen. Der Auslegung privatschriftlicher Testamente kommt im Hinblick auf die häufig anzutreffende sprachliche Ungenauigkeit und sachliche Unvollständigkeit erhöhte Bedeutung zu. Dabei kann nie ausgeschlossen werden, dass trotz des im Erbrecht geltenden Prinzips der wohlwollenden Auslegung, wonach dem Willen des Erblassers und dem von ihm angestrebten Erfolg Vorrang eingeräumt werden soll, die spätere Auslegung zu unbedachten und letztlich unerwünschten Ergebnissen
führt. Man geht deshalb auf „Nummer sicher“, sich von einem Anwalt oder Notar bei der Errichtung eines Testamentes beraten zu lassen.

 

Verfasser: Rechtsanwalt Alexander Knauss

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