13.11.2013 -

Im Arbeitsverhältnis kommt es rund um die Gewährung von Urlaub immer wieder zu Streit zwischen den Vertragsparteien. Dabei birgt nicht nur der Zeitpunkt der Urlaubsgewährung Konfliktpotenzial, sondern mitunter auch die Höhe des Urlaubsanspruchs. In dem der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Frage, ob bei einem Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeittätigkeit der zuvor erworbene und nicht gewährte Jahresurlaub entsprechend der Verringerung der Arbeitstage pro Woche zu kürzen ist. Der Europäische Gerichtshof hat für den Fall, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben, die anteilige Kürzung verneint (EuGH, Beschluss vom 13.06.2013 – C‑415/12 (Bianca Brandes/Land Niedersachsen)).

Der Fall:

Das Land Niedersachsen beschäftigte eine Arbeitnehmerin auf Grundlage eines 2009 geschlossenen Arbeitsvertrages in Vollzeit. Da sie im Jahre 2010 schwanger wurde und ihr Kind zur Welt brachte, unterlag sie wegen des Mutterschutzes bis Mitte Februar 2011 einem Beschäftigungsverbot. Unmittelbar im Anschluss daran nahm sie bis zum 21. Dezember 2011 Elternzeit in Anspruch. Ab dem 22. Dezember 2011 übte die Arbeitnehmerin vereinbarungsgemäß eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von drei Arbeitstagen pro Woche aus. Wegen des durch die Schwangerschaft bedingten Beschäftigungsverbots und der in Anspruch genommenen Elternzeit konnte sie einen auf der Grundlage ihrer Vollzeitbeschäftigung errechneten Urlaubsrest in Höhe von 22 Tagen für das Jahr 2010 und 7 Tagen für das Jahr 2011 nicht nehmen. Da das Land Niedersachsen den Anspruch in dieser Höhe unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht anerkannte, erhob die Arbeitnehmerin Klage auf Feststellung des von ihr während ihrer Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubsanspruchs in Höhe von insgesamt 29 Tagen. Das angerufene Arbeitsgericht richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof, weil es in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Verstoß gegen Unionsrecht sah.

Die Entscheidung:

Auf das Vorabentscheidungsersuchen entschied der Europäische Gerichtshof, dass bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit keine Quotelung des erworbenen Urlaubsanspruchs erfolgt, wenn die Arbeitnehmerin tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch während der Dauer der Vollzeittätigkeit auszuüben. Damit bestätigte es seine Rechtsprechung aus der sog. „Tirol-Entscheidung“ (EuGH, Urteil vom 22.4.2010 – C‑486/08 (Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols/Land Tirol)).

Keine Kürzung des Urlaubsanspruchs bei einem Wechsel von Vollzeit- in Teilzeittätigkeit

Erwirbt ein Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch, ohne dass er tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen Anspruch auszuüben, und verringert sich im Anschluss daran die Zahl seiner Wochenarbeitstage, so ist der erworbene Urlaubsanspruch nicht anteilig zu kürzen. Begründet wurde die Entscheidung mit der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach welcher der Anspruch der Arbeitnehmer auf bezahlten Jahresurlaub als Grundsatz des Sozialrechts der Union ausdrücklich in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Zudem stehe die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in dieser späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit, so dass eine Verringerung der Zahl der Wochenarbeitstage darauf keine Auswirkung habe. Dies gilt nach dieser Entscheidung jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich keine Möglichkeit zur Ausübung des Urlaubsanspruchs hatte.

Damit steht diese Entscheidung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen, nach der eine anteilige Kürzung bei der Verkürzung der Wochenarbeitstage erfolgte.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betrifft in erster Linie Rückkehrer aus Mutterschutz und Elternzeit, die im Anschluss daran an weniger Tagen in der Woche arbeiten als noch zuvor. Gleiches wird ebenfalls für die Arbeitnehmer gelten, die nach längerer Krankheit in den Betrieb zurückkehren und an einer verringerten Zahl von Tagen tätig sind.

Auch wenn das Bundesarbeitsgericht bisher in diesen Fällen eine entsprechende Kürzung des Urlaubsanspruchs vornahm, wird angesichts dieser weiteren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Frage keine anteilige Kürzung von erworbenen und noch nicht gewährten Urlaubsansprüchen trotz einer Verringerung der Zahl der Wochenarbeitstage mehr möglich sein. Dies gilt natürlich nur, wenn der Arbeitnehmer zuvor nicht die Möglichkeit hatte, diesen Urlaubsanspruch auszuüben.

Dagegen stand die Frage nach der Behandlung der Urlaubsansprüche bei einer Erhöhung der wöchentlichen Zahl der Arbeitstage nicht zur Entscheidung an. Das Bundesarbeitsgericht vertritt bisher auch in diesem Fall die Auffassung, dass eine anteilige Umrechnung erfolgt. Solange keine anderweitige Entscheidung dazu ergeht, wird die Beibehaltung dieser Praxis empfohlen.

Verfasser: Daniel Apelt (Rechtsanwalt, Büro Bonn)

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