18.11.2013 -

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer sehr ausführlichen Entscheidung mit der Haftung des Betriebsrats und ergänzend der Haftung der einzelnen Betriebsratsmitglieder befasst (BGH, Urteil v. 25.10.2012 – III ZR 266/11). Die Entscheidung ist von grundlegender Bedeutung. Bei bestimmten Kompetenzüberschreitungen des Betriebsrats kommt sogar nach dieser neuen Rechtsprechung eine Einzelhaftung der Betriebsratsmitglieder für Beraterkosten in Betracht.

Der Fall:

Der Betriebsrat wurde von einem auf die Beratung von Betriebsräten spezialisierten Unternehmen intensiv mit verschiedenen innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen, die zum Abbau und zur Verlegung zahlreicher Arbeitsplätze ins Ausland führen sollten, beraten. In diesem Zusammenhang fasste der Betriebsrat den Beschluss, sich im Verfahren über einen Interessenausgleich von diesem Beratungsunternehmen betriebswirtschaftlich beraten zu lassen. Dem Unternehmen war dies von dem Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt worden.

Nach Abschluss der Beratungen rechnete das Unternehmen mit einem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben auf der Basis von Tagewerken eine Gesamthonorarhöhe von 86.762,90 € ab. Der Betriebsratsvorsitzende reichte die Rechnungen mit der Bitte um Ausgleich unmittelbar an die Arbeitgeberseite weiter. Diese verweigerte die Bezahlung unter anderem mit der Begründung, das Unternehmen habe seine Leistungen unzulänglich dokumentiert und nicht hinreichend detailliert beschrieben. Zudem sei ein Teil der Beratungsleistungen nicht erforderlich gewesen. Die vom Betriebsrat beschlossene Abtretung seines Freistellungsanspruchs lehnte das Beratungsunternehmen ab und nahm die Freistellung nicht an.

Das Landgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beratungsunternehmens mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage, soweit sie sich unmittelbar gegen den Betriebsrat als Gremium richtet, unzulässig ist. Dieser sei zwar durchaus teilrechtsfähig, aber jedenfalls dauerhaft vermögenslos.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat auf Revision und Anschlussrevision beider Seiten das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und den gesamten Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an die zweite Instanz zurückverwiesen.

I. Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats

Zunächst war die Frage zu klären, ob der Betriebsrat überhaupt wirksam einen Beratervertrag abschließen konnten. In der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung werden hierzu verschiedene Ansichten vertreten. Dem Betriebsrat steht zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Er kann aber mit externen Beratern im eigenen Namen wirksam Verträge schließen, aus denen er selbst berechtigt und verpflichtet wird. Insoweit ist der Betriebsrat partiell rechtsfähig. Das folgt schon daraus, dass ein gegen den Arbeitgeber gerichteter Anspruch des Betriebsrats auf Befreiung von einer Verbindlichkeit notwendig das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber einem Dritten (= Beratungsunternehmen) voraussetzt.

II. Keine unbegrenzte Verpflichtung!

Die partielle Rechtsfähigkeit bedeutet aber nicht, dass der Betriebsrat sich unbegrenzt zu Lasten des Arbeitgebers verpflichten kann. Die Vermögens- und Rechtsfähigkeit des Betriebsrats ist auf den ihm vom Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgabenkreis beschränkt. Außerhalb dieses gesetzlichen Wirkungskreises kann daher der Betriebsrat keine privatrechtlichen Geschäfte tätigen. Insoweit stellt der Betriebsrat dann auch kein Rechtsobjekt dar. Ein Vertrag, den er über einen außerhalb dieses Rahmens liegenden Gegenstand schließt, ist unwirksam.

Der BGH weist zutreffend darauf hin, dass insoweit das „rechtliche Können“ dem „vermögensmäßigen Können“ folgt. Vermögensfähig ist der Betriebsrat im Bereich des § 111 BetrVG jedoch nur, soweit ihm gegen den Arbeitgeber ein Anspruch aus § 40 BetrVG auf Erstattung der durch seine Tätigkeit entstehenden erforderlichen Kosten zusteht. Ein Anspruch entsteht hingegen nicht, wenn der Betriebsrat eine Beratungstätigkeit in Auftrag gibt, die zur Wahrnehmung seines durch § 111 BetrVG bestimmten Aufgabenkreises nicht erforderlich ist, sei es wegen des zu weit gefassten Umfangs der Beratungstätigkeit, sei es wegen der nicht üblichen Höhe der vereinbarten Vergütung.

Hinweis für die Praxis:

Verträge zwischen dem Betriebsrat und einem Berater oder Beratungsunternehmen sind also aufgrund der Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrat nur insoweit wirksam, als sie die Leistungen des Beraters und eine Vergütungshöhe bestimmen, die dem Aufwand entsprechen, den der Betriebsrat im Interesse des Betriebs und seiner Belegschaft unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitgebers im Zeitpunkt seiner Verursachung (ex ante) für erforderlich halten durfte. Soweit die Vereinbarung über die auf diese Weise bestimmte „Erforderlichkeitsgrenze“ hinausgeht, ist sie nicht wirksam und verpflichtet den Betriebsrat nicht. Das „rechtliche Können“ des Betriebsrats begrenzt insoweit auch das „rechtliche Können“ seiner Vertreter in Gestalt ihrer Vertretungsmacht.

III. Einzelhaftung der Betriebsratsmitglieder?

Der Bundesgerichtshof äußert sich schließlich dezidiert zu einer möglichen Einzelhaftung der handelnden Betriebsratsmitglieder. Hierzu greift er auf die Haftungsregelungen des § 179 BGB zurück. Nach § 179 Abs. 1 BGB ist, wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil unter anderem zum Schadensersatz verpflichtet. Diese Regeln überträgt der Bundesgerichtshof auf die vorliegende Konstellation: Schließt der Betriebsrat einen Vertrag mit einem Berater ab, der in Teilen nicht erforderlich war, kann für diese überschießenden Teile eine Einzelhaftung – meist des handelnden Betriebsratsvorsitzenden – nach § 179 BGB in Betracht kommen. Es haftet also für den Differenzbetrag immer dasjenige Betriebsratsmitglied, welches den Vertrag im Namen des Betriebsrats geschlossen hat.

Hinweis für die Praxis:

Der BGH hat allerdings eine abschließende Haftung des Betriebsratsvorsitzenden weder bejaht noch abgelehnt, sondern den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurückverwiesen. Allerdings weist der BGH darauf hin, dass eine Haftung entsprechend § 179 Abs. 2 und 3 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn der Vertragspartner (= Beratungsunternehmen) die Überschreitung der Vertretungsmacht nicht hätte erkennen können. Das ist aber bei auf die Beratung von Betriebsräten spezialisierten Unternehmen grundsätzlich der Fall. Sie kennen die Marktüblichkeit zu vereinbarender Honorare und bei einer Überschreitung dieser Marktüblichkeit können sie dann ohne weiteres erkennen, dass der Betriebsrat seine Kompetenzen überschreitet. Dann scheidet aber eine Haftung der einzelnen Betriebsratsmitglieder aus.

Fazit:

Der Betriebsrat ist partiell rechtsfähig und kann insoweit, soweit er sich im Wirkungskreis des Betriebsverfassungsgesetzes bewegt, Verträge abschließen. Überschreitet er aber seine gesetzlichen Aufgaben und damit die notwendige „Erforderlichkeitsgrenze“ kommt für den überschießenden Differenzbetrag eine Haftung des Betriebsrats nicht mehr in Betracht. Dann können die den Betriebsrat vertretenden Betriebsratsmitglieder einzeln in Haftung genommen werden, entsprechend § 179 BGB. Die Einzelhaftung wird aber nur dann und damit in seltenen Fällen möglich sein, wenn nämlich der Berater seinerseits nicht erkennen konnte, dass das handelnde Betriebsratsmitglied diese Erforderlichkeitsgrenze überschreitet. Betriebsräte werden nach dieser Rechtsprechung zukünftig bei Abschluss von Beraterverträgen darauf achten müssen, dass sie die Einzelhaftung ihrer Mitglieder zusätzlich vertraglich beschränken. Solche Vereinbarungen sind rechtlich möglich und zulässig.

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

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