05.12.2013

Betriebsräte dürfen in eigenen Angelegenheiten nicht tätig werden. Diese rechtliche Eigenbetroffenheit liegt aber nicht schon immer dann vor, wenn die persönlichen Interessen eine Rolle spielen. Die Abgrenzung ist hier im Einzelfall schwierig. Das Bundesarbeitsgericht hat nun für diese Abgrenzung weitere Kriterien aufgestellt und der Praxis damit konkret aufgezeigt, in welchen Fällen ein Betriebsratsmitglied in eigener Sache nicht beteiligt werden darf (BAG, Beschluss v. 24.04.2013 – 7 ABR 82/11).

Der Fall:

Der Arbeitgeber stellt Leiterplatten her und beschäftigt ca. 520 Arbeitnehmer. Anfang 2010 schrieb er im Betrieb die Stelle eines „Supervisors“ im Bereich Ver- und Entsorgung zur Neubesetzung aus. Auf die interne Stellenbewerbung bewarben sich neben dem Arbeitnehmer S. zwei weitere Arbeitnehmer sowie das Betriebsratsmitglied B.

Der Arbeitgeber leitete unter dem 16. Juli 2010 dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen aller Kandidaten zu und gab ihm Auskunft über die Person der Stellenbewerber und beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers S. auf die ausgeschriebene Stelle ab dem 1. August 2010.

Der Betriebsrat fasste in seiner Sitzung vom 21. Juli 2010 den Beschluss, der beabsichtigten Versetzung von Herrn S. zu widersprechen. An der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats nahm auch das Betriebsratsmitglied B. teil. Ein Ersatzmitglied war nicht geladen worden.

Mit einem dem Arbeitgeber fristgerecht am 23. Juli 2010 zugegangenen Schreiben vom 21. Juli 2010 teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber seine Zustimmungsverweigerung mit. Er stützte diese u.a. darauf, die weiteren internen Bewerber seien bei der Auswahl benachteiligt worden, weil die Kriterien der Betriebsvereinbarung über die innerbetriebliche Stellenausschreibung nicht beachtet worden seien. Nach diesen Kriterien hätten die beiden weiteren Arbeitnehmer sowie das Betriebsratsmitglied B. die Stelle eher erhalten müssen. Das Betriebsratsmitglied B. habe zudem einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der neuen Besetzung der Stelle, weil diesem anlässlich einer früheren Besetzung der Stelle im Jahre 2008 in einem Absagegespräch mitgeteilt worden sei, dass es an zweiter Stelle der Auswahl liege.

Der Arbeitgeber hat die Ansicht vertreten, das Betriebsratsmitglied B. habe wegen eigener Betroffenheit an der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats nicht teilnehmen müssen. Der Beschluss des Betriebsrats sei daher unwirksam und die Zustimmung zur personellen Maßnahmen gelte als erteilt. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren müsse daher nicht mehr geführt werden.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Antrag des Arbeitgebers nunmehr zurückgewiesen.

I. Ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss

Nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme, hier Versetzung, als erteilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Zustimmungsverweigerung nicht frist- und ordnungsgemäß mitteilt. Voraussetzung für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung ist ein wirksam gefasster Betriebsratsbeschluss. Hierzu ist erforderlich, dass er in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung von einem beschlussfähigen Betriebsrat gefasst wurde. Die Ladung aller Betriebsratsmitglieder ist nach § 29 BetrVG grundsätzlich wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses. Wird für ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert.

II. Persönliche Betroffenheit und Verhinderung des Betriebsratsmitglieds

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine zeitweilige Verhinderung im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht zwingend eine tatsächlicheVerhinderung des Betriebsratsmitglieds voraus. Vielmehr kann ein Betriebsratsmitglied auch aus rechtlichen Gründenzeitweilig an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert sein. Ein Betriebsratsmitglied ist daher grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen bei Maßnahmen und Regelungen, die es individuell und unmittelbar betreffen.

Aber: Als Teil der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft sind die Betriebsratsmitglieder allerdings häufig von den vom Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung zu treffenden Entscheidungen mehr oder weniger auch selbst betroffen. Von ihnen wird daher grundsätzlich erwartet, dass sie sich als von der Belegschaft gewählte Amtsinhaber bei diesen Entscheidungen nicht von persönlichen Interessen leiten lassen. Ein Ausschluss von der Ausübung ihres Amtes ist daher auch aus Gründen der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats nur dann geboten und gerechtfertigt, wenn typischerweise davon ausgegangen werden muss, dass das Betriebsratsmitglied sein Amt wegen seiner persönlichen Interessen nicht mehr mit der erforderlichen Unabhängigkeit wahrnehmen kann. Hiervon ist in den Fällen der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds auszugehen.  

III. Keine unmittelbare Betroffenheit bei nur mittelbaren Auswirkungen

An einer individuellen Betroffenheit fehlt es aber, wenn das Betriebsratsmitglied nur als Angehöriger eines aus mehreren Personen bestehenden Teils der Belegschaft betroffen ist. Eine unmittelbare Betroffenheit liegt nicht vor, wenn mit der Maßnahme oder Regelung nur mittelbare Auswirkungen, Reflexe oder die Steigerung oder Verringerung tatsächlicher Chancen und Aussichten verbunden sind.

Für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG bedeutet dies, dass von einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds regelmäßig nur dann gesprochen werden kann, wenn das Betriebsratsmitglied gerade die Person ist, auf die sich das Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers unmittelbar richtet. Der Umstand, dass ein Betriebsratsmitglied zu einer Gruppe von Bewerbern gehört, aus welcher der Arbeitgeber eine andere Person ausgewählt hat, genügt dagegen regelmäßig nicht, um das Betriebsratsmitglied als von seiner Amtsausübung ausgeschlossen anzusehen.

Fazit:

Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats war nicht geeignet, dem Betriebsratsmitglied B. einen Anspruch auf die zu besetzende Stelle zu verschaffen. Seine eigene rechtliche Position verbesserte sich dadurch nicht. Die Arbeitgeberin war im Falle der Zustimmungsverweigerung lediglich gehindert, die beabsichtigte Versetzung des Arbeitnehmers S. endgültig durchzuführen. Damit lag eine individuelle und persönliche unmittelbare Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds nicht vor. Seine Beteiligung an der Beschlussfassung führte nicht zur Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses. Die Zustimmungsverweigerung war wirksam und der Arbeitgeber war an diese Zustimmungsverweigerung gebunden.

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