25.02.2003

 

Mit der Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat sich das Oberlandesgericht (OLG) München in einer bemerkenswerten Entscheidung vom 01.10.2002 ( 4 UF 7/02) befasst.  Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) unter dem Aktenzeichen XII ZR 265/02 anhängig.

 

Nach Auffassung des OLG München ist ein notarieller Ehevertrag insgesamt (!) nichtig, in dem eine Mutter, die nicht erwerbstätig ist und ein Kleinkind betreut, für den Fall der Scheidung auf Unterhalt sowie Zugewinn- und Versorgungsausgleich verzichtet, sich gleichzeitig aber zumindest den Betreuungsunterhalt und den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags als Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich vorbehält.

 

Der Sachverhalt:

In dem entschiedenen Fall ging es um einen Ehevertrag, den die Eheleute 1988 (drei Jahre nach der Hochzeit) vor einem Notar abgeschlossen hatten. Darin verzichteten beide Parteien auf nachehelichen Unterhalt; von dem Verzicht ausgenommen wurde aber der Unterhaltsanspruch der Ehefrau als Folge der Betreuung der 1986 und 1989 geborenen Kinder. Außerdem vereinbarten die Eheleute Gütertrennung und schlossen den Versorgungsausgleich aus. Als Ausgleich schloss der Ehemann für seine Frau einen Kapitallebensversicherungsvertrag über etwa 40 000 Euro, fällig mit ihrem 60. Lebensjahr, ab und zahlte die Beiträge während der Ehe laufend ein. Im Falle der Scheidung sollte er seiner Frau den dreifachen Jahresbetrag zu dieser Versicherung in einer Summe als Abfindung zahlen. 1995 erklärte die Ehefrau die Anfechtung des Ehevertrages wegen Irrtums und Täuschung. Ende 2001 wurde die Ehe schließlich geschieden.

Der Ehemann war seit März 1985 als Unternehmensberater tätig und erzielte während der letzten Jahre monatliche Einkünfte von durchschnittlich knapp 14 000 Euro netto; er besaß ein Vermögen von über 500 000 Euro. Seine Frau hatte vor der Ehe den Magister in Kunstgeschichte, alter Geschichte und Germanistik bestanden und leitete 1984 und 1985 archäologische Ausgrabungen. Als sie schwanger geworden war, widmete sie sich dem Haushalt sowie der Erziehung der Kinder und war seither wirtschaftlich völlig von ihrem Mann abhängig.

Die ehelichen Lebensverhältnisse waren bescheiden. So wurde z.B. die Bekleidung der Familie aus der Altkleidersammlung (!) bestritten. 

Mit ihrer Klage verlangt die Ex-Gattin neben dem freiwillig von ihrem geschiedenen Mann gezahlten Betreuungsunterhalt in Höhe von 1 385 Euro weitere 2 360 Euro Unterhalt und Auskunft über den erzielten Zugewinn ihres Ehemannes.

 

Bisherige Rechtsprechung der Zivilgerichte

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.3.2001 – 1 BvR 176/92 – ging man fast allgemein davon aus, dass im Ehevertragsrecht volle Vertragsfreiheit bestehe, mithin alle bei Beendigung einer Ehe möglichen Ansprüche ausgeschlossen werden könnten. Schon seit dem Beschluss des BVerfG vom 06.02.2001, in dem der Unterhaltsverzicht einer vor der Ehe Schwangeren als sittenwidrig angesehen wurde,  unterliegen auch Eheverträge der inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte. In dem Beschluss heißt es wörtlich:

 

                                    „Eheverträgen sind dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende eindeutige Dominanz eines Ehepartners widerspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung.“

 

Die Entscheidung des OLG München:

Das OLG München hat sich in seiner Entscheidung diese Rechtsprechung des BVerfG gestützt: Nach Auffassung des OLG München ist ein Ehevertrag unwirksam, wenn die haushaltsführende und kinderbetreuende Ehefrau unangemessen benachteiligt wird. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sie auf Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts verzichtet hat, der Versorgungsausgleich durch geringe Beitragszahlungen für eine Lebensversicherung ersetzt und der Zugewinnausgleich ausgeschlossen wurde.

 

Das Urteil ist allerdings in mehreren Punkten angreifbar:

 

Anders als in dem vom BVerfG entschiedenen Fall war die Ehefrau bei Abschluss des Ehevertrages nicht schwanger. Auch wurden seitens des Gerichts keine Feststellungen getroffen, dass der Ehemann die Frau bei Abschluss des Ehevertrages unter Druck gesetzt habe. Die Argumentation des OLG München läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass man einen solchen Vertrag bei Kenntnis der heutigen Rechtsprechung nicht geschlossen hätte, weswegen er auch nicht wirksam sein könne.

 

Auch soweit es um den Güterstand und den Versorgungsausgleich geht, würde die Vertragsfreiheit durch die Entscheidung des OLG München massiv eingeschränkt, obwohl das Gesetz die Gütertrennung und den Verzicht auf den Versorgungsausgleich ausdrücklich vorsieht. Jedenfalls als Regelung innerhalb eines komplexen Ehevertrages mit Regelungen für die Vermögensverteilung nach einer etwaigen Scheidung ist die Wahl des Güterstandes in besonderer Weise eingeschränkt. Die Nichtigkeit eines Gütertrennungsvertrages hat erhebliche Konsequenzen für das gesetzliche Erbrecht und damit auf das Pflichtteilsrecht.

 

Bemerkenswert ist auch, dass das OLG München es ausdrücklich ablehnt, einzelne Punkte des Ehevertrages für nichtig zu erklären, und den gesamten Vertrag als unwirksam betrachtet. Dies ist geschehen, obwohl der Vertrag eine sogenannte „salvatorische Klausel“ enthielt, in der sich die Ehepartner für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen verpflichtet hatten, eine wirksame Regelung zu treffen, die wirtschaftlich dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht.

 

Es scheint sich damit die Befürchtung zu bewahrheiten, dass die Gerichte infolge der Entscheidung des BVerfG eher zu einer Unwirksamkeit des Unterhaltsverzichts kommen, als dies in der Vergangenheit der Fall war, obwohl das BVerfG keine Feststellung zu der generellen Unwirksamkeit von Verzichtsvereinbarungen getroffen hat.

 

Fazit:

Das Urteil ist ein typisches Beispiel dafür, welche Rechtsunsicherheit durch die geänderte Rechtsprechung insbesondere des BVerfG eingetreten ist. Es ist zu hoffen, dass sehr bald die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt. Sollte der BGH das Urteil bestätigen, würde eine Unzahl von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen, die voller Vertrauen in eine jahrzehntelange Rechtsprechung geschlossen worden sind, einer Inhaltskontrolle durch die Gerichte voraussichtlich nicht standhalten; das würde auch für eine Unzahl von Scheidungsfolgenvergleichen gelten, die im Scheidungsverfahren – meist sogar auf dringende Empfehlung des Gerichts (!) – geschlossen worden sind

 

In Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen könnten kaum noch relevante Fragen geregelt werden, da immer das Risiko der richterlichen Inhaltskontrolle bestünde.  Jeder Notar und jeder Anwalt würde in die Situation gebracht, entweder einen Vertragsabschluss abzulehnen und auf eine gerichtliche Entscheidung zu drängen (was die Justiz nicht erfreuen wird) oder aber sich einen Verzicht auf jegliche Haftung für den Inhalt des Vertrages bestätigen zu lassen.

 

 

Verfasser: RA Alexander Knauss / Rechtsreferendarin Stefanie Plötzgen

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