11.12.2013 -

In vielen Fällen kommt es bei Ausspruch einer Kündigung gleichzeitig zu einer Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Meist erfolgt die Freistellungserklärung unter Anrechnung auf etwaige Resturlaubsansprüche. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil nunmehr dazu klargestellt, dass eine konkrete zeitliche Festlegung des Urlaubs im Rahmen der Freistellung grundsätzlich nicht notwendig ist (BAG, Urteil v. 16.07.2013 – 9 AZR50/12).

Der Fall:

Die Arbeitsvertragsparteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des klagenden Arbeitnehmers aus dem Jahr 2009.

Der Kläger war seit dem 1. Juli 1984 bei dem beklagten Arbeitgeber als Prokurist und Leiter des Finanz- und Rechnungswesens beschäftigt. Die Parteien führten eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten gegeneinander.

Am 24. September 2008 kam es vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zu einem gerichtlichen Vergleich. Dort heißt es, soweit hier maßgeblich, wie folgt:

1. …

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 24. Juli 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2009 enden wird.

3. …

4. Der Kläger bleibt bis 30. September 2008 unter Fortzahlung der Vergütung von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Ab 1. Oktober 2008 bringt er seinen Jahresurlaub vollständig ein. Nach Beendigung des Urlaubs wird der Kläger seine Arbeit wieder aufnehmen.“

Der Arbeitgeber erklärte mit Schreiben vom 30. Juni 2009 gegenüber dem Arbeitnehmer folgende Freistellung:

Hiermit stelle ich Sie ab 01.07.2009 unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Noch bestehende Resturlaubsansprüche werden von Ihnen in der Zeit der unwiderruflichen Freistellung in natura eingebracht.“

Der Kläger machte zunächst die Unwirksamkeit der Freistellungserklärung geltend und klagte auf Beschäftigung. Weiter machte er die Abgeltung von 17 Urlaubstagen aus dem Jahre 2009 in Höhe von 7.413,57 € klageweise geltend.

Der Kläger argumentierte mit der unwirksamen Freistellung, die gegen Ziffer 4 des früher beim Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleichs verstoße. Die Freistellung sei auch ohne sachlichen Grund erfolgt. Es habe für ihn eine Beschäftigungsmöglichkeit bestanden. Daher hätte auch sein Urlaub mit der Freistellungserklärung nicht verbraucht werden können.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Auffassung vertreten, mit der Freistellung seien alle Resturlaubsansprüche aus dem Jahre 2009 erfüllt worden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Ansprüche des Arbeitnehmers zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen voll bestätigt.

I. Freistellung und Anrechnung von Urlaub

Das Bundesarbeitsgericht hat nochmals klargestellt, dass die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub voraussetzt, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderruflicheFreistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird. Diese Voraussetzung erfüllte die Freistellungserklärung. Sie wurde unwiderruflichausgesprochen und mit der Erklärung, dass bestehende Urlaubsansprüche in dieser Zeit in Natur eingebracht werden sollen, wurde von der Arbeitgeberseite deutlich gemacht, dass im Rahmen der Freistellung der Urlaub in vollem Umfange genommen werden sollte.

Hinweis für die Praxis:

Voraussetzung für eine Anrechnung ist die Unwiderruflichkeit der Freistellung. Wird ein Arbeitnehmer nur widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt, muss er mit der jederzeitigen Arbeitsaufnahme rechnen. In solchen Fällen kann Urlaub nicht angerechnet werden. Eine Anrechnungsklausel wäre widersprüchlich und unwirksam.

II. Zeitliche Festlegung des Urlaubs erforderlich?

Das Bundesarbeitsgericht hat weiter klargestellt, dass die Erfüllungswirkung, also der Anrechnung des Urlaubs, nicht entgegensteht, dass die Freistellungserklärung nicht erkennen lässt, an welchen Tagen der Mitarbeiter konkret Erholungsurlaub nehmen sollte und an welchen Tagen sie ihn zu anderen Zwecken bzw. allgemein freistellte. Bei einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung überlässt es der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Eine zeitliche Festlegung des im Voraus erteilten Urlaubszeitraums ist deshalb regelmäßig nicht notwendig. Voraussetzung ist dabei, dass der Arbeitnehmer aus der Freistellungserklärung erkennen kann, dass die zeitliche Festlegung ihm überlassen ist. So lag der Fall aber hier. Noch bestehende Resturlaubsansprüche sollten im Freistellungszeitraum in Natur eingebracht werden. Etwas anderes gilt z.B. dann, wenn der Arbeitgeber anderweitige Verdienste nach § 615 S. 2 BGB während der Freistellung anrechnen möchte. Dann muss der Urlaub konkret festgelegt werden.

Hinweis für die Praxis:

Für den Verbrauch des Urlaubs war es dabei nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts irrelevant, ob der Arbeitnehmer berechtigt von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden durfte. Das Bundesarbeitsgericht hat sich daher mit dieser Frage nicht befasst. Im Übrigen muss ein Arbeitnehmer, wenn er entgegenstehende Urlaubsinteressen hat, diese konkret belegen und dem Arbeitgeber mitteilen, damit geprüft werden kann, ob überwiegende Arbeitnehmerinteressen vorliegen, die einer Anrechnung entgegenstehen. Solche Gründe waren hier aber nicht bekannt und wurden auch nicht vorgetragen.

Fazit:

Im Rahmen einer unwiderruflichen Freistellung können auch Resturlaubsansprüche in vollem Umfange angerechnet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass nur solche Urlaubsansprüche angerechnet werden können, die noch bis zum Beendigungszeitpunkt entstehen. Dabei verweisen wir nochmals auf die wichtige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Mai 2011 (9 AZR 189/10). Bei unterjährigen Kündigungen kann auch nur der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entstandene Urlaub im Rahmen der Freistellung angerechnet werden. Stellt sich später die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, hat der Mitarbeiter ggf. noch weitergehende Resturlaubsansprüche, die abgegolten werden müssen. Dies muss bei der Freistellungserklärung ggf. mit einem Zusatz, wonach mit der Freistellung auch der gesamte Jahresurlaubsanspruch erfüllt wird, klargestellt werden. Für weitergehende Hinweise verweisen wir auf den vorgenannten Beitrag.

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