17.12.2013 -

Der Betriebsrat ist auch bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Dies ist ausdrücklich in § 14 Abs. 3 AÜG geregelt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte sich nun mit der praxisrelevanten Frage zu befassen, welche Informationen über den Entleiher dem Betriebsrat mitgeteilt werden müssen (Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v. 29.01.2013 – 4 TaBV 202/12).

Die Entscheidung macht deutlich, dass auch nicht auf der Hand liegende Unterrichtungspflichten zu einem Mangel im Beteiligungsverfahren führen können.

Der Fall:

In dem Rechtsstreit streiten die Parteien über eine Einstellung. Der Arbeitgeber betreibt ein großes Luftfahrtunternehmen und beschäftigt im Bodenbetrieb ca. 6.000 Arbeitnehmer, die von dem beteiligten Betriebsrat repräsentiert werden.

Der Arbeitgeber stellt in regelmäßiger Praxis Leiharbeitnehmer ein. Bei der Beteiligung des Betriebsrats legt er dem Betriebsrat üblicherweise nicht die Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigung des Verleihers und den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor. So teilte der Arbeitgeber im Dezember 2011 dem Betriebsrat auf dessen Anfrage mit, die Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigungen der von ihm beauftragten Zeitarbeitsunternehmen lägen ihm nicht vor.

Der Arbeitgeber beschloss im Dezember 2011, zum 1. Januar 2012 eine Rechtsanwaltsfachangestellte für die Konzernrechtsabteilung einzustellen. Er entschloss sich zu diesem Zweck, eine bereits bis 31. Dezember 2011 von einem Leiharbeitsunternehmen entliehene Arbeitnehmerin zunächst befristet bis 30. Juni 2013 weiter zu entleihen. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Arbeitgeber auch die Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigung des Verleihers nicht vor.

Der Betriebsrat wurde über die Weiterbeschäftigung der Leiharbeitnehmerin unterrichtet. Die Erklärung des Verleihers gem. § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG legte der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht vor. Der Betriebsrat widersprach der Maßnahme mit der Begründung, die Stelle müsse innerbetrieblich ausgeschrieben werden.

Der Arbeitgeber leitete daraufhin das Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Der Zustimmungsersetzungsantrag wurde zutreffend zurückgewiesen.

I. Vorlagepflichten nach AÜG

Die Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung im Entleiherbetrieb ist in § 14 Abs. 3 AÜG geregelt. Dort heißt es wie folgt:

„(3) Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes zu beteiligen. Dabei hat der Entleiher dem Betriebsrat auch die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Abs. 1 Satz 2 vorzulegen. Er ist ferner verpflichtet, Mitteilungen des Verleihers nach § 12 Abs. 2 unverzüglich dem Betriebsrat bekanntzugeben.“

In dem genannten § 12 AÜG findet sich dann folgender Wortlaut:

„(1) Der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher bedarf der Schriftform. In der Urkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 besetzt (…)“

Die in § 12 Abs. 1 S. 2 genannte Erklärung ist also dem Betriebsrat nach § 14 Abs. 3 S. 2 AÜG im Rahmen der Beteiligung gem. §§ 99 BetrVG, 14 Abs. 3 S. 1 AÜG vorzulegen. Nach allgemeiner Ansicht wird dadurch im Fall der Einstellung von Leiharbeitnehmern durch einen Entleiher die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gem. § 99 Abs. 1 S. 1, S. 2 BetrVG erweitert, um dem Betriebsrat eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung zu ermöglichen und ein kollusives Zusammenwirken von Ver- und Entleiher zu erschweren.

Der Arbeitgeber hat unstreitig dem Betriebsrat diese Erklärung des Verleihers gem. § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht vorgelegt. Damit entsprach die Unterrichtung des Betriebsrats nicht den gesetzlichen Anforderungen.

II. Rechtsfolgen bei mangelhafter Unterrichtung

Der Betriebsrat hatte im vorliegenden Fall den vorgenannten Mangel nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG gerügt. Aber: Eine solche Rügenobliegenheit besteht nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG) nur in Fällen, in denen der Arbeitgeber davon ausgehen konnte, dass er den Betriebsrat bereits vollständig unterrichtet habe. Dazu muss er die gesetzlich unverzichtbaren Angaben gemacht haben. Auf offensichtliche Unvollständigkeiten der Unterrichtung muss der Betriebsrat den Arbeitgeber dagegen nicht hinweisen.

Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 S. 2 AÜG durch die Nichtvorlage der Erklärung des Verleihers gem. § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG ist ein offensichtlicher Unterrichtungsmangel in diesem Sinne, da es sich um einen evidenten Verstoß gegen eine unmissverständliche Rechtsnorm handelt. Daher ist der Betriebsrat nicht gehalten, einen derartigen Mangel innerhalb der Frist von § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG zu rügen.

III. Verzicht des Betriebsrats auf gesetzlichen Unterrichtungsanspruch?

Der Arbeitgeber wies weiter darauf hin, dass der Betriebsrat in ständiger Praxis § 14 Abs. 3 S. 2 AÜG außer Acht gelassen hat bzw. die Nichtvorlage der entsprechenden Erklärung bislang nicht gerügt hat. Diese bisher fehlenden Rügen des Betriebsrats betrafen aber nach Auffassung des LAG lediglich die in der Vergangenheit von dem Arbeitgeber durchgeführten Maßnahmen. Dieses Verhalten des Betriebsrats begründet keinen dauerhaften Verzichtauf seinen gesetzlichen Unterrichtungsanspruch nach § 14 Abs. 3 S. 2 AÜG. Der Betriebsrat ist zu einem solchen Verzicht auf Mitbestimmungsrechte grundsätzlich auch nicht befugt. Er kann lediglich im Einzelfall über deren Ausübung disponieren, als Repräsentant der Belegschaft jedoch nicht für zukünftige Fälle auf sie verzichten. Der Arbeitgeber muss daher auch dann mit der Geltendmachung eines Beteiligungsrechts durch den Betriebsrat rechnen, wenn dieser nach Mitbestimmungsrecht längere Zeit nicht ausgeübt hatte.

Hinweis für die Praxis:

Dem Arbeitgeber hätte freigestanden, den Betriebsrat im Verlauf des Verfahrens nachträglich noch zu informieren und zu unterrichten. Damit hätte er den Verstoß nachträglich heilen können. Davon machte der Arbeitgeber hier allerdings keinen Gebrauch.

Fazit:

Bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern sind nicht nur die Anforderungen des § 99 BetrVG zu beachten. Es gilt vielmehr auch die spezielle Regelung des § 14 Abs. 3 AÜG mit den dort genannten Voraussetzungen. Dabei können sich Arbeitgeber nicht auf den Ablauf der Wochenfrist verlassen, denn bei offensichtlichen Unterrichtungsmängeln greift diese Frist nach der Rechtsprechung nicht.

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