03.02.2014 -

Vorschlagslisten müssen von dem Wahlvorstand unverzüglich geprüft werden. Die Wahlordnung zum BetrVG regelt aber nur, wie zu verfahren ist, wenn eine Vorschlagsliste nicht mit einem Kennwort versehen ist. Wie verhält es sich aber mit unzulässigen Kennwörtern? Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss die Kompetenzen des Wahlvorstands und auch seine Grenzen aufgezeigt (BAG, Beschluss v. 15.05.2013 – 7 ABR 40/11). Die Entscheidung ist von weitreichender praktischer Bedeutung und bei den aktuell anstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2014 unbedingt zu beachten. Dabei verzichten wir an dieser Stelle auf eine Darstellung des komplizierten und sehr einzelfallbezogenen Sachverhalts und beschränken uns auf die Wiedergabe der wesentlichen Kernaussagen der Entscheidung.

I. Prüfpflicht des Wahlvorstands

Der Wahlvorstand hat nach § 7 Abs. 2 S. 2 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (WO BetrVG) eine eingereichte Vorschlagsliste unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Dabei erstreckt sich die Prüfpflicht des Wahlvorstands auf alle erkennbaren Unwirksamkeitsgründe für den eingereichten Wahlvorschlag. Sie umfasst alle Umstände, die geeignet sind, seine Gültigkeit in Frage zu stellen, und die der Wahlvorstand bei einer Prüfung der äußeren Gestaltung der eingereichten Urkunde unschwer erkennen kann.

II. Vorhandensein eines Kennworts

Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 WO BetrVG bezeichnet mögliche Gründe für die Ungültigkeit einer Vorschlagsliste. Die Unzulässigkeit eines Kennworts ist darin nicht erwähnt. Allerdings folgt aus § 7 Abs. 2 S. 1 WO BetrVG, dass der Wahlvorstand zumindest das Vorhandensein eines Kennworts auf dem Wahlvorschlag zu prüfen hat. Nach dieser Bestimmung hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten, wenn die Liste nicht mit einem Kennwort versehen ist, mit Familienname und Vorname der beiden in der Liste an erster Stelle benannten Bewerber zu bezeichnen.

III. Prüfung der Zulässigkeit eines Kennworts

Kennworte auf Vorschlagslisten können nach herrschender Meinung unzulässig sein. Daran ist insbesondere zu denken, wenn Kennworte strafbaren, diskriminierenden, beleidigenden oder irreführenden Charakter haben. Auch darf durch Kennwörter keine Verwechslungsgefahr zwischen mehreren Vorschlagslisten eintreten.

IV. Kennwort von Gewerkschaftslisten  

Zur Wahl des Betriebsrats können sowohl die wahlberechtigten Arbeitnehmer als auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen, § 14 Abs. 3 BetrVG. Das BetrVG unterscheidet damit ausdrücklich zwischen Wahlvorschlägen der Arbeitnehmer und gewerkschaftlichen Wahlvorschlägen. Bei Wahlvorschlägen von Arbeitnehmern ist nach § 14 Abs. 4 BetrVG die Unterzeichnung durch eine bestimmte Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer erforderlich. Der Wahlvorschlag einer Gewerkschaft muss hingegen nach § 14 Abs. 5 BetrVG von zwei Beauftragten unterzeichnet sein. Das Gesetz legt damit fest, wann ein gewerkschaftlicher Wahlvorschlag vorliegt. Hieraus folgt zugleich, dass nur ein solcher Vorschlag durch sein Kennwort als gewerkschaftlicher Vorschlag ausgewiesen werden darf. Nur so können Streitigkeiten darüber vermieden werden, unter welchen Voraussetzungen sich ein Wahlvorschlag durch sein Kennwort als „Gewerkschaftlicher“ bezeichnen darf.

Hinweis für die Praxis:

Das schließt allerdings nicht aus, dass auf einem Wahlvorschlag einer Gewerkschaft nach § 14 Abs. 5 BetrVG zusätzlich Stützunterschriften wahlberechtigter Arbeitnehmer gesammelt werden, etwa um zu verdeutlichen, dass es sich auch um einen aus der Belegschaft unterstützten Wahlvorschlag handelt.

V. Unzulässiges Kennwort: Rechtsfolgen?

In dem konkreten Verfahren hatte der Wahlvorstand ein unzulässiges Kennwort festgestellt, da durch das Kennwort der Eindruck entstand, es handele sich um eine Gewerkschaftsliste. Tatsächlich handelte es sich aber um eine Liste von Arbeitnehmern. Der Wahlvorstand hatte daraufhin die gesamte Vorschlagsliste von der Betriebsratswahl ausgeschlossen, wegen Irreführung.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass der Wahlvorstand im Falle eines unzulässigen Kennworts einen Wahlvorschlag nicht insgesamt zurückweisen, sondern nur das Kennwort streichen darf.

Eine Regelung im BetrVG oder auch der Wahlordnung fehlt zu dieser Frage. Allerdings besagt § 7 Abs. 2 S. 1 WO BetrVG, dass Vorschlagslisten auch ohne Kennwort eingereicht werden können. In diesen Fällen ist die Liste vom Wahlvorstand mit Namen und Vornamen der beiden in ihr an erster Stelle benannten Bewerber zu bezeichnen. Es drängt sich daher auf, diese Regelung jedenfalls entsprechend anzuwenden, wenn eine Vorschlagsliste zwar mit einem Kennwort versehen ist, dieses aber nicht verwendungsfähig ist. Ein unzulässiges Kennwort ist danach so zu behandeln wie ein fehlendes Kennwort.

Fazit:

Der Wahlvorstand ist nicht berechtigt, Vorschlagslisten mit irreführenden oder unzulässigen Kennwörtern ganz zu streichen und von der Wahl auszuschließen. Der Wahlvorstand hat im Wesentlichen organisatorische Aufgaben. Ihm obliegt die „Leitung der Wahl“. Dazu gehört daher nicht die Prüfung, ob durch ein Kennwort möglicherweise bereits die Unterstützer des Wahlvorschlags getäuscht und zur Unterschrift veranlasst worden sind. Dies ist Sache der Arbeitsgerichte und kann ggf. später in einem Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG geprüft werden. Streicht der Wahlvorstand in diesem Sinne eine Wahlvorschlagsliste unzulässig und schließt sie von der Wahl aus, begründet dies allein ebenfalls die Anfechtung. Hierauf wird der Wahlvorstand zu achten haben.

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