10.02.2014 -

Der Betriebsrat ist auch bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Kann der Betriebsrat aber die nicht mehr nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verhindern? Bekanntlich wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zum 1. Dezember 2011 dahingehend geändert, dass die Überlassung an Arbeitnehmer lediglich vorübergehend erfolgt, § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss seine Rechtsprechung hierzu auf Basis der neuen Rechtslage präzisiert: Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu einer dauerhaften Überlassung eines Leiharbeitnehmers nach § 99 BetrVG verweigern (BAG, Beschluss v. 10.07.2013 – 7 ABR 91/11).

Der Fall:

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Zustimmungsersetzung zu einer Einstellung der Arbeitnehmerin S. als Leiharbeitnehmerin sowie die Feststellung, dass diese personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Arbeitgeber betreibt einen Zeitungsverlag und beschäftigt mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigte Arbeitnehmer. Am 5. April 2011 schrieb er unternehmensintern eine Stelle „Sachbearbeitung Einzelverkauf von Prämienwerbung“ aus. Auf diese Stelle bewarb sich Frau S. Frau S. hatte im Januar 2010 erfolgreich eine Berufsausbildung bei dem Arbeitgeber abgeschlossen. Anschließend wurde sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Danach wurde sie von einem Zeitarbeitsunternehmen weiterhin bei dem Arbeitgeber als Leiharbeitnehmerin eingesetzt. Bei dieser Verleihfirma war auch der bisherige Arbeitgeber als Gesellschafter beteiligt.

Der Arbeitgeber entschloss sich nun, Frau S. auf der intern ausgeschriebenen Stelle ohne zeitliche Begrenzung als von dem Zeitarbeitsunternehmen überlassene Leiharbeitnehmerin zu beschäftigen.

Im Rahmen des Einstellungsverfahrens hat der Betriebsrat dieser Einstellung unter anderem mit folgender Begründung widersprochen:

„Der dauerhafte Einsatz von Arbeitnehmerüberlassungen widerspricht grundsätzlich Absicht, Sinn und Zweck des AÜG. (…). Ziel des AÜG ist es, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen. Ziel war und ist es nicht, Stammarbeitsplätze in Leiharbeitsplätze umzuwandeln.

Aus diesem Grund verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstelllung von Frau S.“

Mit rechtzeitig beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift hat der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau S. sowie die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit des vorläufigen Einsatzes begehrt.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben. In der II. Instanz hat das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren konnte sich hingegen der Betriebsrat durchsetzen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden aufgehoben und abgewiesen.

I. Mitbestimmung bei Einstellung von Leiharbeitnehmern

Der Betriebsrat ist bei der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG i.V.m. § 99 BetrVG zu beteiligen. Der Umstand, dass im konkreten Fall die Leiharbeitnehmerin Frau S. bereits vor der jetzt beabsichtigten zeitlich unbegrenzten Einstellung vorübergehend im Betrieb tätig war, steht dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Auch die Verlängerung eines Einsatzes von Leiharbeitnehmern ist als Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG, § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG mitbestimmungspflichtig. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Betriebsrat von vornherein einer zeitlich unbegrenzten Einstellung bereits zugestimmt hätte, was hier nicht der Fall war.

II. Zustimmungsverweigerungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat verschiedene Zustimmungsverweigerungsgründe nach dem Katalog von § 99 Abs. 2 BetrVG. Hier hat die Einstellung nach der jetzt seit dem 1. Dezember 2011 geltenden Rechtslage gegen ein Gesetz verstoßen.

Der Zeitpunkt der gerichtlichen Überprüfung bezieht sich nicht auf den Zeitpunkt des Antrages des Zustimmungsersetzungsverfahrens, sondern auf den Zeitpunkt  der gerichtlichen Entscheidung. Streitgegenstand eines Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung zu einer Einstellung ist die Frage, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig zulässig ist. Verfahrensgegenstand ist dagegen nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung zulässig war. Die streitgegenständliche Frage ist deshalb nach Maßgabe der Rechtslage zu beantworten, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Kraft ist. Früher geltend gemachte Verweigerungsgründe sind dann auf einer neuen rechtlichen Grundlage durch die Arbeitsgerichte zu würdigen.

So lag der Fall hier. Zum 1. Dezember 2011 wurde das AÜG nochmals abgeändert. Das Zustimmungsersetzungsverfahren wurde zwar schon früher, nämlich im Mai 2011, von dem Arbeitgeber eingeleitet. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2013 waren daher die Neuerungen im AÜG voll zu berücksichtigen. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG erfolgt aber die Einstellung von Leiharbeitnehmern nur noch vorübergehend. Dem widersprach die hier ausdrücklich beantragte dauerhafte Besetzung des Arbeitsplatzes mit der Leiharbeitnehmerin Frau S.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung klargestellt, dass der Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG zu beachten ist. Vorübergehend bedeutet jedenfalls nicht dauerhaft. Der Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG wäre sinnentleert, wenn eine ohne jegliche zeitliche Begrenzung vorgenommene Arbeitnehmerüberlassung, bei der der Leiharbeitnehmer anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll, noch als vorübergehend anzusehen wäre. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar noch nicht festgelegt, welcher zeitliche Höchstrahmen zugrunde zu legen ist, um noch den Begriff „vorübergehend“ zu erfüllen. Entsprechende Verfahren sind aber bereits beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Wir gehen davon aus, dass auch diese Frage im laufenden Kalenderjahr 2014 entschieden wird. Wir werden berichten.

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