Mit Urteil vom 01.10.2002 hat das OLG München festgestellt, dass der Ehevertrag eines sehr gut verdienenden und vermögenden Ehemannes mit der haushaltsführenden und kindesbetreuenden Ehefrau wegen unangemessener Benachteiligung als insgesamt unwirksam zu erachten ist, wenn die Frau auf Unterhalt mit Ausnahme von Betreuungsunterhalt verzichtet hat, der Versorgungsausgleich durch relativ geringe Beitragszahlungen für eine Lebensversicherung ersetzt und der Zugewinnausgleich ausgeschlossen wurde.

 

Da das Gericht ausdrücklich eine Unwirksamkeit des ganzen Ehevertrags angenommen hat und damit auch die in dem Vertrag getroffene Güterstandsvereinbarung nichtig war, ergeben sich aus dieser – noch nicht rechtskräftigen – Entscheidung weitreichende Konsequenzen für das Erb-/ Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten:

 

I.          Grundzüge des Ehegattenerbrechts:

Gem. §§ 1931 Abs. 1, 1371 BGB beträgt der Erbteil des überlebenden Ehegatten des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern die Hälfte.

 

Lebten die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so wird der Ausgleich des Zugewinns gem. § 1371 BGB regelmäßig dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht. Demgemäß erbt der überlebende Ehegatte neben Erben erster Ordnung zur Hälfte, neben Erben zweiter Ordnung sogar zu drei Vierteln.

 

Bestand hingegen Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben gem. § 1931 Abs. 4 BGB der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen. Sind also zwei Kinder vorhanden, erhält der überlebende Ehegatte lediglich ein Drittel der Erbschaft.

 

II.          Konsequenzen der Entscheidung des OLG München

Folgt man der Auffassung des OLG München, wonach Eheverträge in bestimmten Fällen insgesamt, also einschließlich einer etwa getroffenen Güterstandsvereinbarung unwirksam sind, also der gesetzliche Güterstand gilt, kann sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten beträchtlich verändern.

 

Ist Gütertrennung vereinbart und der Erblasser hat zwei Abkömmlinge, beträgt der Erbteil des Ehegatten ein Drittel der Erbschaft. Sofern die Güterstandsvereinbarung aber nichtig ist und deshalb der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt, erhält der überlebende Ehegatte neben Verwandten erster Ordnung die Hälfte.

 

Bei einem Nachlasswert von 250.000,- EUR beträgt die Differenz immerhin schon fast 42.000,- EUR.

 

Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß auch dann, wenn der überlebende Ehegatte lediglich den Pflichtteil (also die Hälfte des Wertes des gesetzlichen  Erbteils als reinen Geldanspruch, vgl. § 2303 BGB) geltend machen kann.

 

Fazit:

Bis zu einer eventuellen Aufhebung des Urteils des OLG München durch den Bundesgerichtshof (BGH) wird künftig bei der Gestaltung der Vermögensnachfolge nicht nur die getroffene Güterstandsvereinbarung zu berücksichtigen, sondern auch eine Überprüfung bestehender Eheverträge auf ihre Wirksamkeit vorzunehmen sein, um im Erbfall nicht unliebsame Überraschungen zu erleben, die ein Gestaltungsmodell insgesamt in Frage stellen könnten.

 

Im Rahmen erbrechtlicher Auseinandersetzungen um das Erb-/Pflichtteilsrecht des Ehegatten wird zu prüfen sein, ob die in einem Ehevertrag getroffene Güterstandsvereinbarung wirksam ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der gesamte Ehevertrag nichtig ist. Gerade bei beträchtlichen Nachlasswerten sind deshalb vermehrt Streitigkeiten um die Wirksamkeit von Eheverträgen zu erwarten.

 

Im Rahmen einer vorausschauenden Planung der Vermögensnachfolge sollte deshalb frühzeitig kompetenter fachlicher Rat eingeholt werden.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss

 

 

 

 

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