30.03.2014 -

Immer wieder kommt es zu Fehlern bei der Berechnung von Kündigungsfristen. Wir hatten uns in diesem Heft bereits mehrfach damit befasst. Interessant ist diese Frage aber nicht nur im Hinblick auf die Wirksamkeit der Kündigung an sich, sondern auch im Hinblick auf die Frage, ob bei einer fehlerhaft berechneten Kündigungsfrist der Mitarbeiter verpflichtet ist, innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG Klage zu erheben. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage in einer aktuellen Entscheidung geprüft und seine bisherige Rechtsprechung weiter präzisiert (BAG, Urteil v. 15.05.2013 – 5 AZR 130/12).

Der Fall (verkürzt):

Der 1959 geborene Kläger war seit Juni 1991 bei dem Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Der Inhaber suchte den damals arbeitsunfähigen Arbeitnehmer am 27. Juni 2009 zu Hause auf und übergab ihm ein auf den 30. Juni 2009 vordatiertes Schreiben mit folgendem Wortlaut:

Kündigung

Sehr geehrter Herr Sch. …,

hiermit kündigen wir Ihnen fristgemäß zum 30. September 2009.

Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen.

Mit freundlichen Grüßen

DS

Vom Kläger, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden wollte, darauf angesprochen, versicherte der Inhaber, er habe dies geprüft. Die ordnungsgemäße Frist zum 30. September 2009 sei wie das Wort „fristgemäß“ ausdrücklich im Kündigungsschreiben enthalten. Der Kläger zeichnete daraufhin das Kündigungsschreiben gegen und wurde von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

Mit einer erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist Ende Oktober 2009 eingereichten Klage beim Arbeitsgericht hat er u.a. Annahmeverzugsansprüche für den Monat Oktober 2009 geltend gemacht. Zum 1. November 2009 war er bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen.

Gegenstand des Rechtsstreits war daher vor allem die Frage, ob die nicht fristgerecht ausgesprochene Kündigung zum 30. September 2009 das Arbeitsverhältnis wirksam zu diesem Zeitpunkt beendet hat, oder aber die Kündigung tatsächlich erst mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten nach § 622 BGB zum 31. Dezember 2009 Wirkung entfalten konnte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass die Klagefrist von drei Wochen nicht eingehalten werden musste.

I. Grundsätze zur Einhaltung der dreiwöchige Klagefrist

Ob bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 S. 1 KSchG (drei Wochen) geltend gemacht werden muss, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung führt. Das ist der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegenlässt. Wird also eine Kündigung eindeutig formuliert, ist die Frist aber falsch berechnet, und kommt eine Auslegung zu dem eigentlich zutreffenden Endtermin nicht in Betracht, wendet die Rechtsprechung die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG an. Maßgeblich ist also in solchen Fällen die Auslegungsfähigkeit der Kündigungserklärung.

Hinweis für die Praxis:

Kriterien für die Auslegungsfähigkeit lassen sich zunächst aus der Kündigungserklärung selbst ableiten. Finden sich dort Formulierungen wie „ordentlich“ oder „fristgemäß“ lässt dies darauf schließen, dass der Kündigungserklärende die zutreffende Frist auch einhalten wollte. Dann ist die Kündigung aber auslegungsfähig und die dreiwöchige Klagefrist muss nicht beachtet werden. Finden sich solche Anhaltspunkte nicht, auch nicht aus sonstigen Erklärungen im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung, muss davon ausgegangen werden, dass eine Auslegung nicht möglich ist. Dann aber muss der Arbeitnehmer auch schnell handeln und innerhalb von drei Wochen klagen. Maßgeblich sind hier also immer die Umstände des Einzelfalles.

II. Auslegungsfähigkeit ist nicht der Regelfall

Der hier entscheidende 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts widerspricht allerdings dem 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in folgendem Aspekt: Man könne nicht davon ausgehen, dass jede Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist als solche zum richtigen Kündigungstermin ausgelegt werden könne. Es gebe also keine Standardauslegungsregel. Vielmehr gelten die oben dargestellten Grundsätze und es müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Auslegung möglich sei.

Fazit:

Kommt es nach Ausspruch einer fehlerhaft berechneten Kündigung zum Prozess, muss auch geprüft werden, ob der Arbeitnehmer überhaupt die dreiwöchige Klagefrist eingehalten hat. Wurde die Klagefrist versäumt, müssen die hier dargestellten Grundsätze geprüft und angewandt werden. All dies kann freilich vermieden werden, wenn von vornherein Berechnungsfehler geprüft werden und die Kündigung vorsorglich z.B. mit dem Zusatz, „hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ versehen wird.

Lorbeerkranz

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