06.04.2014

Chefärzte erhalten regelmäßig die Möglichkeit, Patienten gegen Aufpreis eine „Chefarztbehandlung“ anzubieten. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte wahlärztliche Leistung, die über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgeht und bei deren Abrechnung die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und insbesondere § 4 Abs. 2 GOÄ beachtet werden muss:

§ 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ lautet:  „(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).“

Verstößt der Chefarzt gegen diese gebührenrechtliche Bestimmung, so darf er die Leistungen nicht abrechnen. Tut er es doch, begeht er einen Abrechnungsbetrug.

Sachverhalt

Das LAG Niedersachsen hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem ein Chefarzt über mindestens 1,5 Jahre wahlärztliche Leistungen für Herzschrittmacher-Implantationen abgerechnet hat, ohne selbst die Leistungen zu erbringen oder zumindest eine fachliche Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. Alle Implantationen wurden von einem nachgeordneten Arzt ausgeführt. Eine Aufklärung der Patienten über diese „Vertretung“ erfolgte nicht. Mit den Patienten wurde auch keine Vereinbarung zur der „Vertretungsregelung“ getroffen.

Diese fehlende Aufklärung und fehlende Einholung eines Einverständnisses der Patienten wertete der Krankenhausträger als schweren Pflichtverstoß des Chefarztes und kündigte das mit ihm bestehende Anstellungsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund.

Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Braunschweig statt. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Braunschweig hätte der Krankenhausträger dem Chefarzt vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung mittels einer Abmahnung verdeutlichen müssen, dass er ein entsprechendes Fehlverhalten nicht mehr dulde und ein weiterer Pflichtverstoß zum Ausspruch einer Kündigung führe.

Entscheidung

Das LAG entschied nun über die Berufung des beklagten Krankenhausträgers und wies die Kündigungsschutzklage mit folgender Argumentation zurück:

–    Durch die wissentliche Falschabrechnung habe der Chefarzt seine gegenüber dem Krankenhausträger bestehende vertragliche Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB in erheblichem Umfang verletzt.

–    Der Chefarzt habe die Patienten nicht hinreichend aufgeklärt und mit ihnen nicht die notwendige schriftliche Vertretervereinbarung abgeschlossen.

–    Bei der Pflichtverletzung des Chefarztes komme sogar der Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Abrechnungsbetruges in Betracht.

–    Die Pflichtverletzungen seien dem Chefarzt auch vorzuwerfen. Er habe nicht vorgetragen, dass er an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten gehindert gewesen sei.

–    Angesichts der Schwere der Vorwürfe sei eine vorhergehende Abmahnung entbehrlich gewesen. Der Chefarzt sei durch verschiedene Schreiben des Krankenhausträgers über dessen Einstellung zur Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung informiert gewesen.

–    Auch eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Dem Krankenhausträger sei aufgrund des massiven Vertrauensverlustes die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar. Es handele sich vorliegend nicht um einen Bagatellfall.

Die außerordentliche Kündigung sei daher gerechtfertigt

Hinweise für die Praxis

Bei den Anstellungsverhältnissen von Chefärzten handelt es sich um „normale“ Arbeitsverhältnisse. Für die Kündigung von Chefarztverträgen gelten somit die allgemeinen Kündigungsregeln. Insoweit besteht -wie im vorliegenden Fall- auch die Möglichkeit, das Anstellungsverhältnis mit einem Chefarzt außerordentlich zu kündigen (§ 626 BGB), wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der dem Krankenhausträger das Festhalten an dem Anstellungsvertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht und auch eine umfassende Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis führt.

Auf die vorgestellte Entscheidung des LAG Niedersachen können sich nun Krankenhausträger berufen, die das Anstellungsverhältnis mit einem Chefarzt aufgrund wissentlicher Falschabrechnungen dieses Chefarztes beenden möchten. Das LAG hat seine Entscheidung sehr ausführlich begründet und zahlreiche Hinweise für die Argumentation des Krankenhausträgers geliefert.

Das LAG hielt eine Abmahnung im vorliegenden Fall für entbehrlich, hat in der Begründung aber darauf verwiesen, dass der Krankenhausträger den Chefarzt in mehreren Schreiben die Notwendigkeit zur Beachtung des § 4 Abs. 2 GOÄ verdeutlicht habe. Krankenhausträgern, die das Anstellungsverhältnis mit einem Chefarzt aufgrund falscher Abrechnungen beenden möchten, ist daher dringend zu raten, den Chefarzt vorher schriftlich auf seine Pflicht zur Beachtung der Abrechnungsgrundsätze der GOÄ hinzuweisen. Fälle erneuter Falschabrechnungen können dann -unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls- mit einer Kündigung sanktioniert werden.

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