19.06.2014 -

Voraussetzung für einen Betriebsübergang oder einen Betriebsteilübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB ist das Bestehen eines übergangsfähigen Betriebs bzw. Teilbetriebes. Liegt ein solcher Betrieb bzw. Betriebsteil nicht vor, kann auch kein Betriebsübergang zu Stande kommen. Dies schließt sich schon begrifflich aus. Wie ist es aber bei Leiharbeitsunternehmen? Welche Einheit bildet hier die übergangsfähige Organisationsstruktur? Das Bundesarbeitsgericht hatte diese praxisrelevante Frage nun zu entscheiden (BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 1023/12).

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer, ein Tiefdrucker, war bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Er war regelmäßig als Tiefdrucker bei einem entleihenden Unternehmen eingesetzt. Außer dem Kläger arbeiteten dort weitere 15 bei dem Zeitarbeitsunternehmen angestellte Tiefdrucker.

Nachdem der Entleiher dem Zeitarbeitsunternehmen mitgeteilt hatte, ab 1. April 2011 keine Arbeitnehmer mehr einsetzen zu wollen, deren Arbeitsverträge auf der Basis der CGZP-Tarifverträge abgeschlossen waren, stellte das Zeitarbeitsunternehmen seine Tätigkeit ein.

Den Auftrag zur Entsendung von Zeitarbeiten übernahm daraufhin das hier beklagte Tochterunternehmen des vorherigen Zeitarbeitsunternehmens; ein bundesweit tätiges Zeitarbeitsunternehmen mit etwa 900 Leiharbeitnehmern. Mit den 15 Kollegen des Klägers, die bereits vorher als Tiefdrucker tätig waren, schloss dieses Tochterunternehmen neue Arbeitsverträge ab und setzte sie weiterhin am bisherigen Einsatzort ein. Der Kläger lehnte den Abschluss eines solchen Arbeitsvertrages ab und wurde daraufhin von seinem Arbeitnehmer, dem Zeitarbeitsunternehmen, das seine Tätigkeit eingestellt hatte, gekündigt.

Hiergegen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage. Er hat die Ansicht vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei auf die Tochtergesellschaft Kraft Betriebsübergangs übergegangen. Dies ergebe sich schon daraus, dass alle 15 anderen Tiefdrucker übernommen worden seien.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein Betriebsteilübergang wurde abgelehnt.

I. Abgrenzung Betrieb und Betriebsteil

Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist eine Gesamtbetrachtung maßgeblich, bei welcher die wirtschaftliche Einheit und ihre Identität im Mittelpunkt stehen. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Daher muss eine Teileinheit des Betriebs auch beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben. Schon beim bisherigen Betriebsinhaber muss also – in Anlehnung an § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG – eine selbständige abtrennbare organisatorische Einheit gegeben sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen.

II. Besonderheiten bei Leiharbeitsunternehmen

Erforderlich für das Vorliegen eines Betriebs oder Betriebsteilübergangs ist die Übernahme eines übergangsfähigen Betriebs oder Betriebsteils. Kennzeichnend für Leiharbeitsunternehmen ist aber im Allgemeinen das Fehlen einer eigenen Betriebsorganisation, nach der in einem solchen Unternehmen verschiedene entsprechend der Organisation des Veräußerers abtrennbare wirtschaftliche Einheiten bestimmt werden können. Bei Leiharbeitsunternehmen ist deshalb bei der Prüfung, ob eine solche Übernahme vorliegt, mangels einer abgrenzbaren Organisationsstruktur eine Prüfung vorzunehmen, bei welcher deren Besonderheiten Rechnung getragen wird, anstatt zu untersuchen, ob ihrer Organisationsstruktur nach eine wirtschaftliche Einheit vorgelegen hat, welche übernommen worden ist. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, die als solche dazu ausgereicht hat, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen Dienstleistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können.

Hinweis für die Praxis:

Die Tätigkeit von Leiharbeitsunternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie entleihenden Unternehmen Arbeitnehmer vorübergehend zur Verfügung stellen, damit diese dort verschiedene Aufgaben entsprechend den Bedürfnissen und nach Anweisung des Entleiherunternehmens wahrnehmen. Die Ausübung solcher Tätigkeiten erfordert insbesondere Fachkenntnisse, eine geeignete Verwaltungsstruktur zur Organisation des Verleihens der Arbeitnehmer und eine Gesamtheit von Leiharbeitnehmern, die sich in die entleihenden Unternehmen integrieren und für diese die geforderten Aufgaben wahrnehmen können. Dagegen sind weitere bedeutende Betriebsmittel für die Ausübung der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht notwendig.

Fazit:

Im vorliegenden Fall wurden nahezu alle Tiefdrucker (15 von 16) übernommen. Ohne das vorhandene Verwaltungspersonal waren diese Tiefdrucker und Arbeitnehmer aber nicht einsatzfähig und zwar weder bei dem Einsatzbetrieb noch bei einem anderen Entleihunternehmen. Es bedarf einer Vielzahl von verwaltungstechnischen Einzelmaßnahmen, um die Entsendung und die arbeitsvertragliche Betreuung der entsandten Leiharbeitnehmer zu ermöglichen. Die reine Auftragsnachfolge stellt für sich allein betrachtet keinen Betriebsteilübergang dar.

Das Bundesarbeitsgericht hat damit zutreffend die Annahme eines Betriebsteilübergangs, obwohl nahezu die Gesamtzeit aller Arbeitnehmer übernommen worden war, abgelehnt. Die Entscheidung macht deutlich, dass bei Leiharbeitsunternehmen Besonderheiten gelten, die eine abweichende Beurteilung erfordern. Hierauf ist im Einzelfall zu achten.

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