02.07.2014 -

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein leitender Krankenhausarzt zur außerordentlichen Eigenkündigung berechtigt ist, wenn ihm der Krankenhausträger entgegen seinen vertraglichen Verpflichtungen trotz Abmahnung kein ausreichendes nichtärztliches Personal zur Verfügung stellt.

Der Fall (verkürzt):

Der Beklagte ist Facharzt für Plastische Chirurgie. Die Klägerin stellte ihn in dem von ihr betriebenen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ein. Dort leitete er als Chefarzt die plastisch-chirurgische Abteilung. Ärztliches Personal war ihm nicht unterstellt. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

„Der Arzt erhält einen variablen Gehaltsbestandteil in Höhe von 40 % seines im Kalenderjahr erwirtschafteten Erlöses, soweit dieser einen Kostendeckungsbeitrag in Höhe von 140.000 EUR übersteigt.

Der Träger des MVZ stellt Herrn R. für dessen Nebentätigkeitsbereich ausreichend Personal, Räume, Einrichtungen und Material im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Erfordernisse zur Verfügung (…)“

Im Oktober 2010 mahnte der Beklagte die Klägerin ab, weil die einzige Arzthelferin des MVZ arbeitsunfähig erkrankte und man ihm für zwei Tage keine Vertretungskraft bereitgestellt hatte. Anfang Dezember 2010 besprachen die Parteien die Zukunft des MVZ. Die Klägerin eröffnete dem Beklagten, dass sie beabsichtige, die plastische Chirurgie bereits zum Jahresende aufzugeben und ihn ab Januar 2011 freizustellen. Der Chefarzt beantragte daraufhin seine Zulassung als Vertragsarzt und wurde am 23.03.2011 zugelassen. Die Gespräche der Parteien über eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses blieben ohne Erfolg. Im März 2011 kam es dann erneut zu Engpässen beim nichtärztlichen OP-Personal, so dass wiederholt terminierte Operationen nicht durch den Beklagten ausgeführt werden konnten. Auch nach nochmaliger Abmahnung durch den Arzt wiederholten sich die Personalengpässe und OP-Ausfälle. Schließlich kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis Anfang April 2011 außerordentlich.

Die Entscheidung:

Das LAG hielt die außerordentliche Kündigung des Arztes für wirksam und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Die ausdrücklichen Regelungen des Arbeitsvertrags begründen die Verpflichtung der Klägerin, dem Beklagten das zu seiner Arbeit erforderliche nichtärztliche Personal zu überlassen. Darüber hinaus ergebe sich dieselbe Verpflichtung auch aus der arbeitsvertraglichen Beschäftigungspflicht der Klägerin. Diese konnte den Beklagten nur bei entsprechender Personalausstattung vertragsgemäß als leitenden Arzt der plastisch-chirurgischen Abteilung beschäftigen.

Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin den Personalengpass auch zu vertreten. Denn eine Regelbesetzung mit 8,75 bzw. 9,75 Pflegekräften im OP-Dienst müsse bei drei Operationssälen und mindestens einer Ambulanz in Krankheitsfällen oder bei Urlaub unweigerlich zu Personalengpässen führen. Die Klägerin habe nichts unternommen, um die auftretenden Fehlzeiten im OP-Dienst zu verringern.

Dementsprechend könne das wiederholte vertragswidrige Vorenthalten von Personal in einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich dessen außerordentliche Kündigung begründen, weil die Vertragsbeziehungen massiv gestört werden. Mit der unzureichenden Personalausstattung werde nämlich die vertragsgemäße Beschäftigung des Arztes in Frage gestellt, so das LAG. Ferner sei der Arzt auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in Erscheinung des Rechts auf berufliche Entfaltung seiner Persönlichkeit, betroffen. Im vorliegenden Fall wirkte sich die unzureichende Personalausstattung zudem unmittelbar auf die Vergütung des Arztes aus. Schließlich leide der Ruf als zuverlässiger Arzt, wenn dieser gezwungen sei, bereits vereinbarte Operationstermine kurzfristig zu verlegen. Dagegen sei das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht ersichtlich.

Das Mittel der Abmahnung hatte der Beklagte zuvor bereits ausgeschöpft.

Hinweis für die Praxis:

Es gelten dieselben Grundsätze wie bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer es dem Kündigenden bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten.

Fazit:

Das LAG stellt zutreffend fest, dass das MVZ für die Personalengpässe verantwortlich ist, da dies bei der Personalplanung abzusehen war. Die Entscheidung ist auf sämtliche Chefarzt-Verträge übertragbar. Danach können Chefärzte auch bei fehlender arbeitsvertraglicher Verankerung eine ausreichende Personalausstattung fordern. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, besteht die Möglichkeit das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen