03.08.2014 -

Bei der Berechnung einer Sozialplanabfindung kommt es grundsätzlich auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers an. Die Betriebspartner haben hier aber einen gewissen Ermessensspielraum. Gerade bei Teilzeitbeschäftigten muss die Höhe des für die Berechnung der Sozialplanabfindung zugrunde liegenden Gehalts genau geprüft werden. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte sich dazu mit dem speziellen Fall zu befassen, ob bei Mitarbeitern in Elternzeit danach differenziert werden darf, ob dieser Mitarbeiter in Teilzeit tätig ist oder aber überhaupt nicht arbeitet (LAG Niedersachsen, Urteil v. 27.06.2013 – 7 Sa 696/12 ). Das Landesarbeitsgericht verbietet eine Schlechterstellung der Teilzeitarbeiter.

Der Fall:

Die Parteien streiten darüber, ob der klagenden Arbeitnehmerin ein Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung zusteht, weil sie aufgrund ihrer während ihrer Elternzeiten geleisteten Teilzeittätigkeit eine geringere Abfindung erhält als wenn sie in dieser Zeit überhaupt nicht gearbeitet hätte.

Die Arbeitnehmerin war vom 1. August 1992 bis zum 30. September 2011 als Chemielaborantin bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Sie bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 2.017,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden.

Nach einer Firmenübernahme kam es zu größeren Entlassungen und Betriebsschließungen. Der Arbeitgeber vereinbarte in diesem Zusammenhang mit dem bei ihm gebildeten Betriebsrat sowohl einen Interessenausgleich mit Namensliste als auch einen Sozialplan. Der Sozialplan enthält unter II. u.a. folgende Regelungen:

2. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem Abschluss dieses Sozialplanes aufgrund der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahme betriebsbedingt gekündigt wird oder mit denen aus diesem Grund zugleich oder im Anschluss ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag geschlossen wird, haben Anspruch auf eine Abfindung nach den folgenden Regelungen:

Bruttomonatsentgelt x Lebensalter x Betriebszugehörigkeit

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5. Bei Teilzeitarbeitnehmern, die beim Arbeitgeber zuvor auch in Vollzeit gearbeitet haben, errechnet sich ein fiktives Bruttomonatsgehalt aus dem durchschnittlichen Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen oder bei außertariflichen Angestellten zur betriebsüblichen Arbeitszeit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. Für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, fließt das im Zeitpunkt vor dem Eintritt in die Ruhephase bezogene Bruttomonatsentgelt in die Berechnung ein.“

Das Arbeitsverhältnis wurde dann mit der Klägerin fristgerecht zum 30. September 2011 beendet. Die Klägerin bekam während des Laufes der Beschäftigung drei Kinder und befand sich immer wieder in verschiedenen Elternzeiten. Insgesamt arbeitete sie 107 Monate ihrer Beschäftigungszeit in Vollzeit, für insgesamt 44,5 Monate ruhte ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer Elternzeit und 54 Monate arbeitete sie in Teilzeit während der Elternzeit. Für die Berechnung der Sozialplanabfindung berücksichtigte der Arbeitgeber für die Klägerin im Hinblick auf die teilweise während der Elternzeit geleistete Teilzeit das fiktive Bruttomonatsentgelt gemäß II. Nr. 5 des Sozialplanes und legte hierbei einen Teilzeitfaktor von 0,646 zugrunde.

Hierauf berechnete der Arbeitgeber einen Abfindungsbetrag von 74.855,39 € zuzüglich eines Betrages von insgesamt 9.000,00 € (3.000,00 € je Kind), insgesamt also 83.855,39 €.

Die Klägerin wies darauf hin, dass sie wegen der Teilzeit während ihrer Elternzeit benachteiligt werde. Hätte sie während der Elternzeit gar nicht gearbeitet, wäre die Abfindung höher ausgefallen. Sie machte daher schriftlich einen erhöhten Abfindungsbetrag geltend und klagte diesen, nach Ablehnung durch den Arbeitgeber, arbeitsgerichtlich ein. Den weiteren Sozialplanabfindungsbetrag bezifferte sie auf 34.601,35 €.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage in der 1. Instanz stattgegeben.

I. Funktion des Sozialplans

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der Berechnung einer Sozialplanabfindung auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers abgestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu unterschiedlichen Abfindungsleistungen führenden Unterschiede bei der zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in unterschiedlichen Tätigkeiten, Vergütungsvereinbarungen oder Arbeitszeiten oder einer Kombination dieser Faktoren haben. Genauso wenig ist zu beanstanden, wenn die Betriebsparteien nicht auf das letzte Bruttomonatsgehalt abstellen, sondern wie vorliegend auf eine die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung abstellen.

II. Keine Benachteiligung von Mitarbeitern in Elternzeit

Die Betriebsparteien haben allerdings insbesondere auch die Diskriminierungsverbote und die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen zu beachten. Deshalb verstößt es gegen die Wertungen des Art. 6 GG, wenn Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit rechnen  müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeiten mitzählen. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofes.

Hier wurde von den Betriebsparteien in dem Sozialplan eine Differenzierung hinsichtlich der Mitarbeiter in Elternzeit, die während der Elternzeit nicht arbeiten und den Mitarbeitern, die während ihrer Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen, vorgenommen. Dies war sachlich nicht begründet und verstößt gegen die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen. Der Schutzzweck des Art. 6 GG wird nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits dann beeinträchtigt, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung, während der Elternzeit nach § 15 Abs. 4 BEEG Teilzeitarbeit auszuüben, damit rechnen muss, dass diese Teilzeittätigkeit bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen zu einer geringeren Abfindung führt als bei einer Nichttätigkeit.

Dadurch wird die Klägerin, in dem sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, während der Elternzeit in teilweise sehr geringfügigem Umfang Teilzeit tätig zu werden, deutlich schlechter behandelt als die Arbeitnehmerinnen in Elternzeit, die überhaupt nicht tätig werden.

Hinweis für die Praxis:

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Verfahren ist dort bereits anhängig (Anhängig zu dem Az. 1 AZR 826/13, noch nicht terminiert). Wir werden über die Entwicklung dieser Rechtsfrage weiter berichten.

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