13.08.2014 -

Nach dem Bundesverfassungsgericht ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass einem Apotheker weder ein Vergütungsanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes oder der Beschaffungskosten des abgegebenen Arzneimittels zusteht, wenn er auf Grund vertragsärztlicher Verordnung an Stelle eines Rabattvertragsarzneimittels pflichtwidrig ein anderes Arzneimittel abgibt.

§ 129 Abs. 1 S. 1 SGB V regelt die Verpflichtung von Apotheken zur Abgabe preisgünstiger Arzneimittel in den Fällen, in denen der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat (sog. „aut-idem-Regelung“).

Gemäß § 129 Abs. 1 S. 3 SGB V ist bei der Abgabe eines wirkstoffgleichen Arzneimittels die Ersetzung grundsätzlich durch ein Arzneimittel vorzunehmen, für das eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Wirkung für die (gesetzliche) Krankenkasse besteht.

Der Fall (verkürzt):

Die beschwerdeführenden Apotheker hatten Arzneimittel auf Rezept abgegeben, ohne dabei zu beachten, dass es ein wirkstoffgleiches Präparat gibt, für das eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V mit Wirkung für die Krankenkasse vorliegt. Die Krankenkasse hatte daraufhin die Vergütung für das abgegebene Arzneimittel in voller Höhe zurückgefordert. Diese Auffassung wurde in dem darauf folgenden Rechtsstreit durch das BSG (Urt. v. 02.07.2013 – B 1 KR 49/12 R) bestätigt. Nach § 4 des Rahmenvertrages für die Abgabe von Arzneimitteln ist der Apotheker verpflichtet, ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel abzugeben, für das ein Rabattvertrag besteht. Das BSG hatte entschieden, dass der Verstoß gegen das Substitutionsgebot jegliche Vergütung für die Abgabe des Arzneimittels ausschließe. Dies folge schon aus den allgemeinen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs. Eine Vergütungspflicht würde dem Gesetzeszweck des Substitutionsgebots widersprechen. Ferner bestehe auch kein Anspruch auf Wertersatz oder zumindest auf Erstattung der Kosten der Warenbeschaffung. Denn die darin bestehende Berufsausübungsregelung für Apotheker sei durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt.

Gegen den vollständigen Ausschluss ihrer Vergütungsansprüche (sog. „Retaxation auf Null“) in Fällen der Abgabe von Arzneimitteln unter Außerachtlassung von Rabattverträgen wandten sich die Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden.

Die Entscheidung:

Die Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen, da eine Verletzung der Berufsfreiheit nicht erkennbar sei.

Zunächst stellte das BVerfG fest, dass sich die vom BSG vorgenommene Auslegung des SGB V und des Rahmenvertrags im Rahmen herkömmlicher Rechtsfindung bewege. Es sei Aufgabe und Befugnis der Fachgerichte, Zweifelsfragen, die sich – wie hier – mangels einer ausdrücklichen Regelung bei der Gesetzesanwendung stellen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten. Insbesondere sei nicht ersichtlich, weshalb die Regelung von Sanktionen, die im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 4 SGB V zu erfolgen habe und in § 11 des Rahmenvertrags auch tatsächlich erfolgt sei, unter systematischen Gesichtspunkten gegen die vom BSG angenommene Rechtsfolge sprechen sollte, zumal auch im einschlägigen Rahmenvertrag das Nebeneinander von Vertragsmaßnahmen und Retaxationen vorausgesetzt werde.

Nach Auffassung des BVerfG gebe es auch keine Hinweise darauf, dass das BSG bei seinen Entscheidungen durch den vollständigen Vergütungsausschluss unverhältnismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Beschwerdeführer eingegriffen habe.

Zum einen sei nicht erkennbar, dass die vom BSG gewählte Auslegung nicht geeignet sei, um dem genannten Gemeinwohlbelang, das heißt der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, zu dienen. Die nach § 129 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 11 des Rahmenvertrags vorgesehene Möglichkeit einer Vertragsmaßnahme stelle kein gleich wirksames Mittel dar, um die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen. Entscheidend sei, dass die Vertragsmaßnahmen nicht bereits im konkreten Fall auf die Verletzung des Substitutionsgebots reagieren können, so die Richter. Gleiches gelte für ein auf die „Sowiesokosten“ im Falle der Abgabe eines Rabattvertragsarzneimittels beschränkter Vergütungs- bzw. Bereicherungsanspruch. Vielmehr zeige der Ausschluss jeglicher Vergütung stärkere Wirkungen für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots, betonte das Gericht.

Zum anderen sei der vollständige Vergütungsausschluss auch deshalb nicht unzumutbar, da es die Beschwerdeführer selbst in der Hand haben, ihre Vergütungsansprüche durch ein pflichtgemäßes Ausgabeverhalten zu verdienen.

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot lehnte das BVerfG ab. Willkür liege erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird. Von einer willkürlichen Missdeutung könne jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt.

Hinweis für die Praxis:

Die „Retaxation auf Null“ gewinnt in der Praxis zunehmend an Bedeutung. Denn es gibt Krankenkassen die bereits bei kleinsten Formfehlern eine Retaxation vornehmen, anstatt eine Kürzung um die Preisdifferenz zum günstigeren Rabattarzneimittel. Dies geschieht unabhängig davon, ob der abgegebene Wirkstoff für den Patienten notwendig ist und somit eine Leistungspflicht der Krankenkasse dem Grunde nach besteht. Apothekern ist daher anzuraten, auf eine peinlich genaue Abrechnung zu achten.

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