17.08.2014 -

In der Rechtspraxis kommt es immer wieder zu Streit über die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Mitarbeiter einen bestimmten Arbeitsort zuzuweisen. Problemtisch wird diese Frage vor allem dann, wenn der Mitarbeiter viele Jahre im selben Ort gearbeitet hat. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in den vergangenen Jahren eine arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung entwickelt und in einem aktuellen Urteil die geltenden Grundsätze nochmals ausdrücklich bestätigt (BAG, Urteil vom 28.08.2013 – 10 AZR 569/12). Wir möchten diese gut formulierte Entscheidung zum Anlass nehmen, die geltende Rechtslage für die arbeitsrechtliche Praxis hier darzustellen.

Der Fall (verkürzt):

Bei dem beklagten Arbeitnehmer handelt es sich um ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das neben Flugkapitänen und Kopiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt. Die 1969 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der Beklagten und war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 2.500,00 € von Münster/Osnabrück aus tätig.

In dem Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

1. Beginn der Tätigkeit

Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.

2. Rechte und Pflichten

Die Rechte und Pflichten der Mitarbeiterin ergeben sich aus den einschlägigen Gesetzen, den jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen, den Betriebsvereinbarungen sowie den Dienstvorschriften der Eurowings AG. Durch ihre Unterschrift bestätigt die Mitarbeiterin gleichzeitig den Erhalt der Betriebsvereinbarung.“

In einer Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ heißt es in § 3 Abs. 8 der BV Nr. 1 wie folgt:

„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden.“

Schließlich enthält auch der einschlägige Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG eine Regelung zum Versetzungsrecht mit folgendem Wortlaut:

„Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der Eurowings liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden.“

Der Arbeitgeber hat im Rahmen eines Sozialplans und Interessenausgleichs entschieden, künftig keine Einsätze von Mitarbeitern mehr unter anderem von dem Standort Münster/Osnabrück aus zu tätigen. Vielmehr sollen alle Einsätze der Mitarbeiter ausschließlich ab Düsseldorf oder Hamburg erfolgen.

Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte hierauf der Arbeitgeber der Mitarbeiterin mit, dass sie zum 1. Juni 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Ort Düsseldorf versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Der Arbeitgeber hat daraufhin zusätzlich „vorsorglich“ das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 gekündigt und gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit neuem dienstlichen Einsatzort Düsseldorf angeboten. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an. Auch gegen diese Änderungskündigung wendete sich die Klägerin auf dem Klageweg.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Versetzung für wirksam angesehen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen im Grundsatz bestätigt, die Versetzung ist wirksam, die Änderungskündigung war deswegen überflüssig.

I. Arbeitsort und Direktionsrecht

Das Bundesarbeitsgericht stellt zunächst klar, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert. Es macht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keinen Unterschied ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung gänzlich verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 S. 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

Hinweis für die Praxis:

Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht des Arbeitsvertrages, ergibt sich der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers direkt aus der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Der Praxis ist für Vertragsformulierungen zu empfehlen, das Direktionsrecht im Vertrag festzuschreiben und sich dabei am Wortlaut des § 106 GewO zu orientieren.

II. Beschränkungen im Arbeitsvertrag?

Die Vertragsparteien sind natürlich nicht gehindert, das weite Direktionsrecht des § 106 GewO im Arbeitsvertrag zu beschränken. Eine solche Beschränkung kann sich daraus ergeben, dass lediglich ein bestimmter Beschäftigungsort ohne Versetzungsvorbehalt vereinbart wird. Eine solche vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück hat das Bundesarbeitsgericht hier aber abgelehnt. Die betreffende Passage des Vertrages ist mit „Beginn der Tätigkeit“ überschrieben und legt damit lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung.

Hinweis für die Praxis:

Im vorliegenden Fall wurde dieses Ergebnis zusätzlich durch die mit der Bordvertretung vereinbarte „Betriebsvereinbarung“ bestätigt und ergänzend sogar noch durch den in Bezug genommenen Manteltarifvertrag. In beiden Regelungen waren weite Versetzungsmöglichkeiten bei betrieblichen Erfordernissen vorgesehen. Die Klägerin konnte sich damit nicht auf eine Beschränkung des Arbeitsortes allein auf Münster/Osnabrück berufen.

III. Konkretisierung bei langjähriger Tätigkeit?

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass sich Arbeitspflichten, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauensbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen.

Hinweis für die Praxis:

Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass schon durch die lange Verweildauer am bisherigen Einsatzort eine Konkretisierung stattfindet. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nicht der Fall! Ohne besondere Umstände kann auch bei einer Tätigkeit über viele Jahre hinweg an demselben Arbeitsort eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort ausgesprochen werden.

VI. Ausübungskontrolle!

Dem Inhaber eines Leistungsbestimmungsrechts, dazu gehört auch der Ort der  Arbeitsleistung, verbleibt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können den Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt dann nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (Ausübungskontrolle).

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen. In die Abwägung sind dabei alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.

Hinweis für die Praxis:

Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Leistungsbestimmung lagen hier nicht vor. Das Bundesarbeitsgericht hat betont, dass auch bei einer unternehmerischen Entscheidung eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen ist. Es gibt keinen Grundsatz, wonach bei unternehmerischen Entscheidungen die Interessen des Arbeitgebers von vornherein Vorrang hätten. Das Bundesarbeitsgericht weist aber auch darauf hin, dass besonders schwerwiegende, z.B. verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers der unternehmerischen Entscheidung entgegenstehen können.

Fazit:

Enthält der Arbeitsvertrag ein weites Direktionsrecht, ist der Arbeitsort für den Arbeitnehmer nicht sicher. Dies gilt auch bei langjähriger Tätigkeit an einem Arbeitsort. Voraussetzung ist aber eine Grundlage im Arbeitsvertrag oder einer einschlägigen Betriebsvereinbarung bzw. eines Tarifvertrages. Darauf ist bei der Vertragsgestaltung zu achten. Wir weisen allerdings daraufhin dass bei einem weiten Direktionsrecht auch eine weite Sozialauswahl vorzunehmen ist, so dass die Reichweite des Direktionsrechtes und ihre Notwendigkeit schon bei Vertragsbegründung genau bedacht werden müssen.

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