14.09.2014 -

Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht können bekanntlich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer in bestimmten Fällen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung beantragen. Damit soll zusätzlichen Spannungen zwischen den Parteien Rechnung getragen werden, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun erstmals zu entscheiden, ob ein solcher Auflösungsantrag von Seiten des Arbeitnehmers auch dann gestellt werden kann, wenn der Arbeitgeber lediglich eine Änderungskündigung ausgesprochen und der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat (BAG, Urteil v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13).

Der Fall:

Die Parteien streiten über einen Antrag des Klägers auf Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der beklagte Arbeitgeber betreibt ein Tief- und Straßenbauunternehmen. Der klagende Arbeitnehmer ist dort bereits seit 1985 als Baumaschinenführer beschäftigt. Er erhielt zuletzt gemäß der Lohngruppe 5 des einschlägigen Tarifvertrages ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.500,00 €.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Juli 2012 und bot dem Arbeitnehmer zugleich eine Weiterbeschäftigung ab 1. August 2012 zu den Bedingungen der schlechteren Lohngruppe 4 an. Der Arbeitnehmer nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 fristgerecht unter dem Vorbehalt an, dass die Änderungskündigung nicht sozial ungerechtfertigt oder aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam ist.

Er hat rechtzeitig Änderungsschutzklage erhoben und zugleich beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Der Kläger hat gemeint, die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm jedoch nicht zumutbar. Der Arbeitgeber habe ihn vor Ausspruch der Kündigung immer wieder schikaniert und habe grob gegen vertragliche und gesetzliche Bestimmungen verstoßen.

Der Arbeitgeber hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Er hat vor allem die Ansicht vertreten, bei Annahme des mit einer Kündigung verbundenen Änderungsangebots unter Vorbehalt sei ein Auflösungsantrag unzulässig.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam ist. Den Auflösungsantrag gegen Zahlung einer geforderten Abfindung in Höhe von mindestens 50.000,00 € hat es hingegen abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat diese Berufung ebenfalls zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Auflösungsantrag weiter.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Es fehlt an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt.

I. Bislang unentschiedene Rechtslage

Ob eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG auch im Rahmen einer Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG möglich ist, hat das Bundesarbeitsgericht bislang noch nicht entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich angenommen, eine Auflösung sei bei Klagen gegen eine Änderungskündigung jedenfalls dann möglich, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen habe. In einer solchen Konstellation streiten die Parteien nicht über die Änderung der Arbeitsbedingungen, sondern allein über die Wirkungen einer Beendigungskündigung.

II. Keine Auflösung bei Annahme unter Vorbehalt

Die gerichtliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 KSchG ist nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer das mit einer Kündigung verbundene Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen und ausschließlich Änderungsschutzklage nach § 4 S. 2 KSchG erhoben hat. Das Bundesarbeitsgericht hatte dies nun eindeutig und zutreffend entschieden. Im Falle einer Annahme unter Vorbehalt steht die Beendigungswirkung der Kündigung nicht mehr im Streit. Infolge der Annahme des Änderungsangebotes, wenn auch unter Vorbehalt, steht vielmehr fest, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist dann allein, zu welchen Bedingungen es fortbesteht. Hat die Klage Erfolg, stellt das Gericht entsprechend § 4 S. 2 KSchG fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus einem anderen Grund unwirksam ist. Andernfalls weist es die Änderungsschutzklage ab und das Arbeitsverhältnis besteht zu den für diesen Fall akzeptierten, geänderten Bedingungen fort.

Damit besteht bei einer Änderungsschutzklage das Arbeitsverhältnis unabhängig von ihrem Ausgang in jedem Fall fort.

Hinweis für die Praxis:

Eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach einem Obsiegen mit einer Änderungsschutzklage brächte auch Schwierigkeiten im Hinblick auf den Auflösungszeitpunkt mit sich. Hat der Arbeitnehmer das mit einer Kündigung verbundene Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen, wird das Arbeitsverhältnis auch über diesen Zeitpunkt hinaus einvernehmlich fortgesetzt. Dies stünde in gewissem Widerspruch zu der Annahme, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei für eine der Parteien unzumutbar.

Fazit:

Dem Bundesarbeitsgericht ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Annahme einer Änderungskündigung unter Vorbehalt führt zur einvernehmlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Parteien streiten dann allein über die Frage, zu welchen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird. Für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Damit scheidet auch eine analoge Anwendung aus. Im Falle einer (behaupteten) Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bleibt es dem Arbeitnehmer unbenommen, selbst eine Eigenkündigung auszusprechen. Kündigt der Arbeitnehmer wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers fristlos, kann er zudem nach § 628 Abs. 2 BGB Ersatz des entstehenden Schadens verlangen und ist auch insoweit nicht rechtlos gestellt.

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