01.10.2014 -

Das Kündigungsschutzgesetz greift bekanntlich erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der bislang so noch nicht entschiedenen Frage zu befassen, wie diese Wartezeit konkret hinsichtlich Beginn und Ende zu berechnen ist (BAG, Urteil v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12). Die Entscheidung ist für die Praxis von besonderer Bedeutung, so dass wir die Kernaussagen hier gerne erläutern.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und insbesondere die Frage, ob diese Kündigung noch fristgerecht innerhalb der Probezeit ausgesprochen wurde.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Pflegeeinrichtung. Am 15. Mai 2010 schloss die klagende Arbeitnehmerin einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem beklagten Arbeitgeber. Danach wurde sie „ab dem 15. Mai 2010“ als Krankenpflegerin eingestellt. Auf Wunsch der Klägerin erfolgte die Arbeitsaufnahme erst am 26. Mai 2010. Die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung wurde am 25. Mai 2010 rückwirkend zum 15. Mai 2010 vorgenommen.

Mit Schreiben vom 15. November 2010 – einem Montag -, welches der Klägerin am selben Tage zuging, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis der Parteien „innerhalb der Probezeit fristgemäß zum 30. November 2010“.

Die Klägerin hat gemeint, die Kündigung sei nach Ablauf der Wartezeit im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG erfolgt und hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Auffassung vertreten, die Kündigung sei noch innerhalb der Wartezeit zugegangen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe tatsächlich erst seit dem 26. Mai 2010. Der Vertragsschluss sei lediglich zur Vermeidung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile zum 15. Mai 2010 erfolgt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Vorinstanzen, wonach die Wartezeit bereits abgelaufen sei, bestätigt. Der Rechtsstreit wurde aber zur Sachverhaltsaufklärung, insbesondere zur Frage der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer, nochmals an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Beginn der Wartezeit

Nach § 1 Abs. 1 KSchG gelten im Arbeitsverhältnis die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Maßgebend ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Damit ist für den Beginn der Wartezeit der Zeitpunkt maßgebend, von dem ab die Arbeitsvertragsparteien ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten begründen wollen. Im Regelfall wird dies der Zeitpunkt sein, in dem der Arbeitnehmer nach der vertraglichen Vereinbarung seine Arbeit aufnehmen soll.

Dieser Zeitpunkt ist dann nicht maßgebend, wenn der rechtliche Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Termin der vereinbarten Arbeitsaufnahme nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien auseinanderfallen. Dies ist anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darin einig sind, dass gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Zeitspanne liegen soll, in der der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Daran kann ein beiderseitiges Interesse bestehen, etwa bei Vorliegen eines Wettbewerbsverbotes. Hier erfolgte die Einstellung der Klägerin ausdrücklich „zum 15. Mai 2010“. Auch die am 25. Mai 2010 erstellte Meldebescheinigung zur Sozialversicherung wies als Beginn des Beschäftigungszeitraums den „15. Mai 2010“ aus. Aus beidem wird deutlich, dass die Parteien ungeachtet der erst zum 26. Mai 2010 vereinbarten tatsächlichen Arbeitsaufnahme bereits mit Wirkung vom 15. Mai 2010 ein Arbeitsverhältnis begründen wollten.

Hinweis für die Praxis:

Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 KSchG stellt auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab und nicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Damit sind auch Unterbrechungen der Arbeit, etwa durch Krankheit, Schwangerschaft, Urlaub oder Arbeitskampf, für den Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist irrelevant. Diese Unterbrechungen hemmen den Lauf nicht. Es kommt damit nicht darauf an, ob eine Zeit des Ausfalls der tatsächlichen Arbeitsleistung gleich zu Beginn oder erst im späteren Verlauf der Wartezeit eintritt. Dies ist unerheblich.

II. Berechnung der Wartezeit

Für die Beurteilung der Frage, ob der Tag des Abschlusses des Arbeitsvertrages zur Wartezeit mitzuzählen ist, ist der Wille der Vertragsparteien maßgebend. Dieser ist gem. §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Haben sich die Parteien über die Arbeitsaufnahme an einem bestimmten Tag verständigt, ist dieser in die Berechnung der Wartezeit einzubeziehen, selbst wenn der Arbeitsvertrag erst nach Arbeitsbeginn unterzeichnet wird. Entsprechendes gilt, wenn sich die Parteien über den Zeitpunkt des rechtlichen Beginns ihres Arbeitsverhältnisses einigen, ohne dass der Arbeitnehmer zur tatsächlichen Aufnahme schon verpflichtet wäre. Maßgebend für den Beginn der Wartezeit ist in diesem Fall der Tag der Entstehung der sonstigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag.

Hier haben die Vertragsparteien vereinbart, die Arbeitnehmerin werde „ab dem 15. Mai 2010“ als Krankenpflegerin eingestellt. Mit der Ernennung eines bestimmten Datums als des Tages „ab dem“, ein Arbeitnehmer eingestellt werde, geben die Vertragsparteien regelmäßig zu verstehen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit Beginn dieses Tages in Kraft setzen wollen.

III. Ende der Wartezeit

Sind danach die Zeit ab dem 15. Mai 2010 und dieser Tag selbst bei der Berechnung der Wartezeit mitzuzählen, endete die sechsmonatige Wartezeit mit Ablauf des 14. November 2010, vgl. § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil es sich bei diesem Tag im konkreten Fall um einen Sonntag handelte. Zwar gilt bei Fristberechnungen grundsätzlich die Spezialvorschrift des § 193 BGB. Danach verlängert sich die Frist zur Abgabe einer Willenserklärung, die an einem Sonntag endet, bis zum Ablauf des nächsten Werktages. Würde diese Vorschrift hier Anwendung finden, wäre daher die Probezeitkündigung am 15. November 2010 noch fristgerecht gewesen. Das Bundesarbeitsgericht hat aber nun klargestellt, dass die Regelung des § 193 BGB für die Berechnung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ohne Bedeutung ist. Die sechsmonatige Wartezeit endet daher auch an einem Sonntag bzw. Feiertag.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Berechnung von Beginn und Ende der Wartezeit im Einzelfall durchaus Probleme bereiten kann. Es kommt also auf genaue Formulierungen im Arbeitsvertrag an. Fallen rechtlicher Beginn und Termin der vereinbarten Arbeitsaufnahme auseinander, sind klare Regelungen notwendig, um spätere Unsicherheiten zu vermeiden. Aus Arbeitgebersicht sollte man die Wartezeit stets ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt vorsorglich berechnen, falls innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit eine Kündigung ausgesprochen werden soll.

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