07.10.2014 -

Zum 1. Juli 2014 ist im Zuge der neuen Rentenregelungen eine arbeitsrechtliche Vorschrift an versteckter Stelle in § 41 S. 3 SGB VI in Kraft getreten. Die Vorschrift bietet der betrieblichen Praxis neue Handlungsoptionen und ist ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings bleiben, wie immer, bei neuen gesetzlichen Regelungen, wichtige Fragen offen. Wir möchten hier die neue Vorschrift vorstellen und auf etwaige Risiken bei der Vertragsgestaltung hinweisen.

I. Wortlaut der Neuregelung

Die Vorschrift des § 41 SGB VI hat nunmehr folgenden Wortlaut:

§ 41 Altersrente und Kündigungsschutz

Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist. Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinausschieben.

Die Vorschrift ist seit 1. Juli 2014 in Kraft, insbesondere mit dem neuen Wortlaut, den wir am Ende fett gedruckt haben. Sie gilt nunmehr für alle bestehenden Arbeitsverhältnisse.

II. Problematik bei Rentnerbeschäftigungen

Viele Arbeitgeber möchten Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, befristet weiterbeschäftigen. Arbeitsrechtlich ist dies jedoch mehr als problematisch. Der Bezug der Regelaltersrente bzw. das Erreichen des Rentenalters ist an sich kein Befristungsgrund. Allein die Tatsache, dass der Mitarbeiter nun Regelaltersrente beziehen kann, rechtfertigt daher nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Dies stellt § 41 S. 1 SGB VI ausdrücklich klar. Bislang bedurfte man daher stets eines sachlichen Grundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG. Eine Erstbefristung scheitert schon daran, dass der Mitarbeiter bis zur Regelaltersgrenze bereits beschäftigt war. Das Bundesarbeitsgericht verlangt hier eine Unterbrechungszeit von mindestens drei Jahren, die bei einer nahtlosen Weiterbeschäftigung nicht gegeben ist. Auch für die speziellen Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG fehlt es an einer jedenfalls viermonatigen Unterbrechung. Dies gilt unabhängig davon, dass diese Vorschrift nach zum Teil vertretener Ansicht europarechtswidrig ist. Bis zum 30. Juni 2014 war daher die Rechtslage bei der Weiterbeschäftigung von Rentnern mehr als problematisch. Ohne einen sachlichen Grund konnte der Rentner nicht weiterbeschäftigt werden.

III. Voraussetzungen der Neuregelung

Nach der neuen Vorschrift des § 41 S. 3 SGB VI kann nun durch Vereinbarung der Beendigungszeitpunkt, auch mehrfach, hinausgeschoben werden. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

1. Auf Regelaltersgrenze befristetes Arbeitsverhältnis

Zunächst ist unabdingbare Voraussetzung für ein Hinausschieben, dass mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht und eine Regelaltersbefristung vereinbart wurde. Mit dem Mitarbeiter muss also eine arbeitsvertragliche Vereinbarung dahingehend bestehen, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Üblicherweise sind dies arbeitsvertragliche Klauseln, aus denen hervorgeht, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Solche Regeln können sich aber auch aus Betriebsvereinbarung oder vor allem Tarifverträgen ergeben. Fehlt es an einer solchen Regelung, endet das Arbeitsverhältnis ohnehin nicht mit Erreichen der Regelaltersgrenze. In einem solchen Fall kann dann der Beendigungszeitpunkt auch nicht hinausgeschoben werden und die neue Vorschrift des § 41 S. 3 SGB VI findet keine Anwendung.

2. Schriftliche Vereinbarung

Ist eine Vereinbarung über das Erreichen der Regelaltersgrenze gegeben, kann der Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung hinausgeschoben werden. Der Wortlaut der Vorschrift sagt zwar nichts über die formalen Voraussetzungen dieser Vereinbarung aus. Hier sollte man aber die strengen Formvorschriften des § 14 Abs. 4 TzBfG anwenden, also das Schriftformerfordernis. Schriftform in diesem Sinne bedeutet, dass beide Seiten mit Originalunterschrift die Vereinbarung bestätigen. Ein Austausch per E-Mail oder mündlich reicht nicht aus.

3. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses

Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes ist nur während des laufenden Arbeitsverhältnisses möglich. Ist der Zeitpunkt der Beendigung wegen Erreichens der Regelaltersgrenze bereits eingetreten, endet das Arbeitsverhältnis. Im Rahmen eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses können keine Vereinbarungen mehr während des laufenden Arbeitsverhältnisses geschlossen werden. Hier gelten dieselben Grundsätze wie auch bei der Verlängerungsvereinbarung im Rahmen einer sachgrundlosen Erstbefristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG.

III. Dauer der Befristungen?

Der Wortlaut des § 41 S. 3 SGB VI lässt das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes, ggf. auch mehrfach, zu. Wie oft ist mehrfach? Der Gesetzgeber schweigt hierzu. Eine Höchstdauer ist gesetzlich hingegen nicht geregelt. Dem Wortlaut nach kann daher unbegrenzt oft eine Hinausschiebensvereinbarung getroffen werden. Auch der Umfang der Vereinbarungen ist nicht geregelt. Die Hinausschiebensvereinbarungen müssen also nicht immer zeitlich identisch sein. Man kann zunächst ein Jahr vereinbaren, dann sechs Monate und dann nochmals z.B. drei Monate. Es bleibt insoweit abzuwarten, ob die Rechtsprechung hier gewisse Grenzen (nachträglich) einzieht. Dem Wortlaut sind solche Grenzen aber nicht zu entnehmen.

IV. Gleichzeitige Veränderung der Arbeitsbedingungen möglich?

Die Problematik ist ebenfalls aus den Verlängerungsvereinbarungen bei sachgrundloser Erstbefristung nach § 14 Abs. 2 bekannt. Hier besteht bekanntlich die strenge Rechtsprechung, dass im Rahmen einer Verlängerungsvereinbarung bei einer sachgrundlosen Erstbefristung allein der Befristungszeitpunkt verlängert werden darf und nicht der Arbeitsvertrag im Übrigen. Es dürfen also nicht die Arbeitsbedingungen, z.B. die Arbeitszeit oder das Arbeitsentgelt, verändert bzw. angepasst werden. Dies würde zum Verlust des Befristungsprivilegs nach § 14 Abs. 2 TzBfG führen. Die Frage ist nun, ob diese Rechtsprechung entsprechend auch bei § 41 S. 3 SGB VI gilt. Erste Stellungnahmen in der Literatur beurteilen dies unterschiedlich. Insoweit können wir der Praxis aktuell nur empfehlen, auf eine gleichzeitige Änderung der Arbeitsbedingungen zu verzichten und lediglich den Beendigungszeitpunkt hinausschieben. Der Arbeitsvertrag gilt im Übrigen unverändert weiter. Möchte man den Arbeitsvertrag auch inhaltlich anpassen, sollte man dies in einer getrennten Vereinbarung, entsprechend der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 TzBfG, vereinbaren.

Fazit:

Die neue Vorschrift des § 41 S. 3 SGB VI, die seit 1. Juli 2014 in Kraft ist, ist zu begrüßen. Der betrieblichen Praxis werden zusätzliche Optionen für die befristete Beschäftigung von Rentnern eingeräumt, die so bislang nicht bestanden haben. Allerdings ist auf die genaue Einhaltung der Voraussetzungen zu achten, um eine Unwirksamkeit der Befristung zu vermeiden. Zudem ist die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Vorschrift zu beobachten. Wir werden regelmäßig dazu berichten.

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