15.10.2014 -

Für eine Kooperation stehen Ärzten und Zahnärzten bekanntlich unter anderem die Praxisgemeinschaft und die Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) zur Verfügung. Die Praxisgemeinschaft zeichnet sich durch die Beschränkung auf eine gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und -einrichtung sowie Beschäftigung von Personal aus, § 33 Abs. 1 Ärzte-ZV, § 33 Abs. 1 Zahnärzte-ZV. Gegenüber dem Patienten und der K(Z)V treten die Einzelpraxen aber eigenständig auf. Kennzeichnend für die Berufsausübungsgemeinschaft ist – der Name verrät es bereits – die gemeinsame Behandlung der Patienten.

 

Beide Formen bieten Vor- und Nachteile. Welche Seite überwiegt, entscheidet sich anhand der individuellen Situation der Ärzte. Ein Nachteil der Berufsausübungsgemeinschaft ist, dass z.B. Grundpauschalen nur einmal abrechenbar sind, auch wenn der Patient in einem Quartal sowohl von Arzt A als auch von Arzt B behandelt wurde. Auf der Vorteilsseite steht durch die gemeinsame Behandlung die Möglichkeit, durch die interne Praxisorganisation Zeitfenster für private aber auch berufliche Aufgaben zu schaffen, ohne dass die Patientenversorgung beeinträchtigt würde.

 

Wer die Vorteile der beiden Kooperationsformen insbesondere unter Honorargesichtspunkten kombinieren will und nach außen als Praxisgemeinschaft auftritt, sich intern jedoch wie eine Berufsausübungsgemeinschaft verhält, nutzt die Praxisgemeinschaft nach ständiger Rechtsprechung rechtsmissbräuchlich. Die missbräuchliche Nutzung berechtigt die K(Z)V regelmäßig zu Honorarregressen.

 

Das BSG hat in seinem Beschluss vom 02.07.2014 seine bisherige Rechtsprechung noch einmal bekräftigt und dabei auf die Bedeutung der Praxisorganisation in solchen Fällen hingewiesen.

 

Der Fall:

 

Zwei Urologen hatten sich als Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen. Bei der üblichen Plausibilitätsprüfung wurde in den vier Quartalen 2002 nach Abzug berechtigter Vertretungsfälle ein gemeinsamer Patientenanteil – solche Patienten, die in einem Quartal von beiden Ärzten behandelt wurden – zwischen 22,4% und 25,1% festgestellt. Die KV forderte daraufhin von dem klagenden Arzt insgesamt 13.295,- EUR zurück.

 

Zur Erklärung des hohen Anteils an Patientenüberschneidungen gab der Arzt an, dass beide Praxen dasselbe Pflegeheim betreuen würde. Außerdem würden beide an unterschiedlichen Tagen ambulante Operationen durchführen, so dass in dieser Zeit die Patienten dann von der jeweils anderen Praxis versorgt würden.

 

Die Entscheidung:

 

Die Entscheidung des BSG war so knapp wie deutlich. Bei einer Patientenidentität über 20% indiziere die missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform Praxisgemeinschaft. Eine hohe Patientenidentität spräche stets dafür, dass die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stattfände.

 

Die von dem Arzt vorgetragenen Erklärung der hohen Patientenidentität, diese resultiere aus der abwechselnden Betreuung der Heimbewohner und der Durchführung von ambulanten Operationen, ließ das BSG nicht als Rechtfertigung gelten, sondern sah die zunächst nur indizierte missbräuchliche Nutzung bestätigt. Die Abstimmung zwischen den beiden Ärzten – und damit die Praxisorganisation – ermögliche ihnen erst die jeweiligen Hausbesuchs- und Operationstag. Eine solche Abstimmung in der Praxisorganisation sei gerade kennzeichnend für eine Gemeinschaftspraxis. Der Regress sei daher gerechtfertigt.

 

Fazit:

 

Wer sich zur Gründung einer Praxisgemeinschaft entschließt, sollte peinlich genau darauf achten, dass der Anteil der gemeinsam betreuten Patienten die 20%-Grenze nicht überschreitet. Anderenfalls ist die Abrechnung gemäß der Prüfungsrichtlinien implausibel und berechtigt die KV zur Honorarrückforderung.

 

Eine Rechtfertigung unter Verweis auf die eigene Praxisorganisation scheidet in fast jedem Fall aus. Prinzipiell sind nur außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigten, die außerhalb der (Organisations-)Macht des Arztes stehen. Bei einer gleichbleibend hohen Patientenidentität sind aber auch solche Fälle kaum vorstellbar.

 

Am Ende wird es auch unter Honorargesichtspunkten günstiger sein, die Form der Berufsausübungsgemeinschaft zu wählen und rechtlichen Bedenken mit der individuellen Gestaltung des Gesellschaftsvertrages zu begegnen.

 

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