23.11.2014 -

Mit Urteil vom 16.10.2014 hat der Bundesgerichtshof die Frage der Zulässigkeit von Wahlarztvereinbarungen für Honorarärzte im Krankenhaus entschieden. Die zunächst nur als Pressemitteilung vorliegende Entscheidung hatten wir bereits mit Meldung vom 17.10.2014 einschließlich des Sachverhalts besprochen. In der Zwischenzeit hat der BGH die Urteilsgründe veröffentlicht. Die bietet Gelegenheit, eine Einschätzung der Rechtslage zu wagen. Im Ergebnis bleibt bei dem derzeitigen Gesetzeswortlaut wohl keine Möglichkeit, als nicht angestellter oder beamteter Arzt im Krankenhaus Hauptleistungen im Rahmen einer wahlärztlichen Abrechnung zu liquidieren.

Die Entscheidungsgründe im Einzelnen:

1. Wen betrifft die Entscheidung?

Der BGH stellt zunächst klar, dass die Entscheidung nur für den sog. „Honorararzt“ gilt. Hierunter versteht der BGH jeden Arzt, der im Krankenhaus ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein.

Das Belegarztwesen ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Arzt einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten abschließt, während sich das Krankenhaus nur zur Stellung der Unterbringung und Verpflegung verpflichtet (sog. gespaltener Krankenhausvertrag). Im Unterschied zu dem zu entscheidenden Fall wird die ärztliche Leistung jedoch nur einmal, nämlich von dem Arzt abgerechnet, während bei einer wahlärztlichen Zusatzvereinbarung das Krankenhaus die ärztliche Leistungen im Rahmen der DRG und der Wahlarzt seine persönliche Leistungserbringung abrechnet.

Auch konsiliarärztliche Leistungen sind nicht von der Entscheidung umfasst. Der Konsiliararzt wird von dem behandelnden Krankenhausarzt hinzugezogen, um entweder eine Zweitmeinung zu Diagnose und Therapie abzugeben oder die Behandlung des Patienten die Mitarbeit eines Arztes einer Fachrichtung erfordert, die im Krankenhaus nicht vertreten ist.

Der BGH grenzt die Behandlung des Honorararztes im Krankenhaus ausdrücklich von den Leistungen ab, die auf Veranlassung eines liquidationsberechtigten Arztes außerhalb des Krankenhauses erfolgen. Dem BGH geht es ausdrücklich um die vom Krankenhausträger geschuldete Hauptbehandlungsleistung

Die Weichenstellung wird somit klar: Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Erbringung der vom Krankenhaus geschuldeten, ärztlichen Hauptbehandlungsleistung im Krankenhaus durch einen nicht bei dem Krankenhausträger angestellten Arzt.

2. Kann der Honorararzt in die Wahlarztkette einbezogen werden?

Der BGH hat sich sodann der Frage angenommen, ob ein Honorararzt in die Wahlarztkette aufgenommen werden kann. Die Wahlarztkette umfasst all diejenigen Ärzte, die bei Abschluss einer Wahlarztvereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten ihre Leistungen gegenüber dem Patienten zusätzlich abrechnen dürfen. Der Patient kann sich nämlich in der Vereinbarung nicht auf bestimmte Ärzte, z. B. den Operateur, beschränken. Auch der Anästhesist könnte – soweit in die Wahlarztkette aufgenommen – seine wahlärztlichen Leistungen gegenüber dem Patienten abrechnen.

Der BGH hat nun entschieden, wer in die Wahlarztkette aufgenommen werden kann, nämlich ausschließlich angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses. Dies wird in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG festgelegt. Es stand in der juristischen Diskussion, ob das Krankenhaus diese Wahlarztkette durch ausdrückliche Aufnahme auch nicht angestellter Ärzte erweitern konnte oder nicht. Der BGH verneint diese Frage und hat entschieden:

§ 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG legt den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte abschließend fest. Es handelt sich um eine dem Schutz des Privatpatienten dienende zwingende preisrechtliche Norm.“

Dies stellt den Kern der Entscheidung dar. Mit der Interpretation der Vorschrift als Schutzvorschrift für den Patienten schafft der BGH eine Messlatte, anhand derer jede vertragliche Konstruktion überprüft werden muss. Nur wenn andere Vorschriften eine Abrechnung wahlärztlicher Leistungen durch den Arzt, der nicht am Krankenhaus angestellt ist, ausdrücklich erlauben, wird die Zulässigkeit zu bejahen sein. Jede andere Konstruktion wird als Umgehung des § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG zu Lasten des Patienten verstanden und als unzulässig qualifiziert werden müssen.

Kritik muss zumindest bei der Begründung dieser Entscheidung angebracht werden. Die Begründung wird zwar zu der unten (3.) erörterten Frage aufgeführt, dürfte jedoch im Wesentlichen den Grundgedanken bei der Entscheidung widerspiegeln. Der BGH sieht den Zweck des Abschlusses von Wahlleistungsvereinbarung in der Sorge des Patienten um seine Gesundheit, der sich

 „die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes […] gegen Bezahlung einer gesonderten Vergütung sichern will. […] Diese, ein zusätzliches Entgelt erst rechtfertigende herausgehobene ärztliche Qualifikation („Chefarztstandard“) kann nicht bei allen Honorarärzten von vorneherein gleichsam „automatisch“ angenommen werden.“

Dem letzten Teil der Aussage kann sicherlich zugestimmt werden. Allerdings urteilt der BGH pauschal für die Erbringung wahlärztlicher Leistungen durch jedweden Honorararzt. Dabei verkennt er die unterschiedliche Motivation, mit der ein Honorararzt tätig wird. Zuzustimmen ist dem BGH für den von außen hinzugekauften Honorararzt, der sich für den Patienten in seinem Auftreten gar nicht von einem angestellten Arzt unterscheiden lässt. Ein jedoch ebenfalls häufig anzutreffender – und der Entscheidung zugrundeliegender – Sachverhalt betrifft den in seinem Fachgebiet auf eine bestimmte Erkrankung oder Operation spezialisierten, niedergelassenen Arzt, der den Patienten bereits ambulant behandelt hat und dessen Behandlung sich der Patient gerade aufgrund seiner Sorge um seine Gesundheit und wegen seines Vertrauens in die Qualifikation dieses Arztes ausdrücklich wünscht. Mag es auch eine andere Begründung für die Ablehnung einer zulässigen Einbindung des Honorararztes in die Wahlarztkette bei dieser Konstellation geben, die vom BGH gewählte Begründung überzeugt an dieser Stelle nicht.

Der BGH will sich in dieser Entscheidung auch an der Intention des Gesetzgebers orientieren. Im Zuge der Diskussion, ob die Erbringung von Krankenhausleistungen durch einen nicht fest angestellten Arzt überhaupt zulässig sei, hat der Gesetzgeber durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 S. 1 KHEntgG reagiert und diese Frage zugunsten der Honorarärzte entschieden (wobei auch diese Vorschrift von einigen Stimmen einschränkend interpretiert wird). In der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Zuge dieser Novellierung § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG nicht geändert hat, erkennt der BGH den Willen des Gesetzgebers, dass Wahlleistungen nur durch angestellte oder beamtete Ärzte zulässig sein sollen.

Ob allerdings der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung zur Änderung des § 2 KHEntgG überhaupt die Regelung in § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG im Blick gehabt hat und bewusst von einer Änderung abgesehen hat, wird sich wohl erst im Nachgang zu der hier besprochenen Entscheidung zeigen. Aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 2 KHEntgG lässt sich diese Frage jedenfalls nicht beantworten.

3. Kann der Honorararzt eine individuelle Vereinbarung mit dem Patienten abschließen?

Auch mit dieser Frage hatte sich der BGH zu beschäftigen. Hierin findet sich eine häufig anzutreffende Lösung, die aufgezeigten, abrechnungsrechtlichen Unsicherheiten zu umgehen. Eine gesetzliche Regelung, die einer solchen Lösung nach ihrem Wortlaut entgegenstünde, existiert nicht. Im Rahmen der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit.

An dieser Stelle kommt aber nun die vom BGH erkannte Qualifikation von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG als Schutznorm zum Tragen. Die dem ersten Anschein nach zulässige Vertragsgestaltung läuft dem der Norm – gemäß der Entscheidung des BGH – immanenten Schutzzweck entgegen und ist damit als Umgehungsgeschäft ebenfalls unzulässig.

Ob im Übrigen eine solche Vereinbarung in einem zweiten Schritt eine Kostentragungspflicht der privaten Krankenkasse begründen würde, ist eine andere, versicherungsrechtliche Frage.

Fazit:

Der BGH hat an dieser Stelle ein echtes Grundsatzurteil gefällt. Ab jetzt gilt der Grundsatz: Die Erbringung von Hauptleistungen des Krankenhaus durch einen Honorararzt kann keine Wahlarztleistung sein.

Jede Konstellation, in der der Honorararzt seine Leistungen zusätzlich zum Krankenhaus privat gegenüber dem Patienten abrechnet (oder abrechnen lässt) wird aufgrund der Schutzfunktion von § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG unzulässig sein.

Bis zu einer Änderung der einschlägigen Normen, wird eine doppelte Abrechnung durch den Arzt und das Krankenhaus nur im Rahmen einer an sich ungewünschten (Teilzeit-)Anstellung des Arztes möglich sein.

 

Lorbeerkranz

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