02.12.2014 -

Das Bundesverwaltungsgericht hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten (sog. Liquids), die mittels elektronischer Zigaretten (sog. E-Zigaretten) verdampft und inhaliert werden, keine Arzneimittel sind und dementsprechend die E-Zigarette selbst kein Medizinprodukt ist.

Problemaufriss:

Eine sog. E-Zigarette besteht in der Regel aus einem Mundstück aus Kunststoff, einer elektronischen Verdampfungseinheit und Liquiddepots oder Kartuschen sowie einem Ladegerät. Es handelt sich um ein Produkt, bei dem eine zur Verdampfung gebrachte Flüssigkeit inhaliert wird. Die rechtliche Bewertung dieser Produkte war bislang umstritten, insbesondere die Frage, ob diese als Arzneimittel anzusehen sind. Das Arzneimittelgesetz (AMG) legt folgenden Arzneimittelbegriff zugrunde:

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind  Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sog. Präsentationsarzneimittel).

Nach § 2 Abs.1 Nr. 2a AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (sog. Funktionsarzneimittel).

Der Fall (verkürzt):

Die Klägerin im ersten Verfahren betrieb in Wuppertal seit Dezember 2011 ein Ladengeschäft für E-Zigaretten und Zubehör. Im Februar 2012 untersagte ihr die beklagte Stadt den Vertrieb nikotinhaltiger Liquids in verschiedenen Stärken mit der Begründung, es handele sich um Arzneimittel, die wegen Fehlens der erforderlichen Zulassung nicht verkehrsfähig seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Untersagungsverfügung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil die beanstandeten Liquids keine Arzneimittel seien.

In einem zweiten Verfahren wandte sich eine Herstellerin von E-Zigaretten und liquidhaltigen Filterkartuschen gegen eine im Dezember 2011 veröffentlichte Pressemitteilung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums. Darin wurde vor dem Handel und Verkauf von E-Zigaretten und Liquids gewarnt und u.a. darauf hingewiesen, dass nikotinhaltige Liquids nur mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürften; E-Zigaretten dürften nur unter Einhaltung der Kennzeichnungspflichten nach dem Medizinproduktegesetz vertrieben werden. Die Klage auf Unterlassung dieser Äußerungen ist vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und dem beklagten Land die Äußerungen untersagt.

Die Entscheidung:

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. Bislang liegt die Entscheidung nur als Pressemitteilung (Nr. 68/2014 v. 20.11.2014) vor. Diese kann wie folgt zusammengefasst werden:

Die nikotinhaltigen Liquids seien keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes, da sie nicht die Voraussetzungen eines sog. Präsentationsarzneimittels erfüllen. Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts werden die Liquids nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten vermarktet („präsentiert“); ebenso wenig lässt die Produktaufmachung beim Verbraucher den Eindruck eines Arzneimittels entstehen, so das Gericht. Die Liquids seien auch keine sog. Funktionsarzneimittel. Zwar sei Nikotin ein Stoff, der die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung nennenswert beeinflusse. Jedoch sei die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels falle, von Fall zu Fall zu treffen; dabei seien alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen. Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen fehle den Liquids eine therapeutische Eignung, weil sich ein Nutzen der E-Zigarette als Hilfsmittel für eine dauerhafte Rauch- und Nikotinentwöhnung wissenschaftlich nicht belegen lasse. Nach Auffassung der Richter messen die Verbraucher nikotinhaltigen Liquids überwiegend keine arzneiliche Zweckbestimmung bei, sondern verwenden sie als Genussmittel.

Ferner bejahte das BVerwG den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der amtlichen Äußerungen, weil das staatliche Informationshandeln sie in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzt habe. Die Äußerungen des Ministeriums seien rechtswidrig gewesen, weil es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlte. Zwar erlauben die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und des Medizinproduktegesetzes den Überwachungsbehörden erforderlichenfalls auch ein Handeln durch öffentliche Warnungen. Hier aber seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Liquids und E-Zigaretten nicht den arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Vorschriften unterfallen.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schafft Rechtsklarheit.

Die Bundesregierung hat sich allerdings in einer Stellungnahme (BT-Drucks. 17/8772) auf den Standpunkt gestellt, dass die nikotinhaltigen elektronischen Zigaretten als Arzneimittel einzustufen seien und dem Nichtraucherschutzrecht unterfielen. Insoweit bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der Gesetzgeber tätig werden wird und die E-Zigaretten einer Regelung zuführt, um mit Blick auf den Nichtraucherschutz für Rechtssicherheit zu sorgen.

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