10.02.2015 -

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass von einem Zahnarzt durchgeführte Zahnaufhellungen (sog. Bleaching) umsatzsteuerfrei sind, soweit sie dazu dienen, einen aufgrund einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelten Zahn aufzuhellen.

Problemaufriss:

Nach § 4 Nr. 14a Umsatzsteuergesetz (UStG) gilt eine Steuerbefreiung bei Heil­behandlungen im Bereich der Humanme­dizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durch­geführt werden. Nach der Rechtsprechung sind Heilbehandlungen Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Danach muss das therapeutische Ziel im Vordergrund der heilberuflichen Leistungen stehen. Dementsprechend besteht keine Umsatzsteuerbefreiung für solche zahnärztlichen Leistungen, die ohne jegliche thera­peutische Zielsetzung erbracht werden.

Der Fall (verkürzt):

Die Klägerin ist eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in der Gesellschaftsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die von den Zahnärzten A und B betrieben wird und in den Streitjahren sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze erzielte. Bei einigen Patienten der Klägerin wurde eine Zahnaufhellung (Bleaching) einzelner Zähne durchgeführt und in Rechnung gestellt. Die streitgegenständlichen Bleaching-Behandlungen erfolgten dagegen nach Abschluss einer zahnärztlichen Behandlung (Wurzelkanal-Behandlung), welche aufgrund einer Vorerkrankung (Wurzelerkrankung) bzw. eines Unfalls erforderlich wurde. Die jeweilige Folge der Vorschädigung und der aufgrund der Vorschädigung vorgenommenen Behandlung lag darin, dass der jeweils betroffene Zahn nervtot wurde und – was eine insoweit nicht unübliche Folge darstellt – infolge dessen nachdunkelte. Durch die Bleaching-Behandlungen wurde demzufolge nicht das Gesamterscheinungsbild sämtlicher Zähne des Patienten verändert, sondern der infolge der Vorschädigung und Behandlung eingetretenen Verdunkelung begegnet.

Das zuständige Finanzamt führte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch und stufte die streitgegenständlichen Bleaching-Behandlungen als umsatzsteuerpflichtige Leistungen ein. Hiergegen wandte sich die Klägerin und legte Einspruch gegen den ergangenen Steuerbescheid ein.

Die Entscheidung:

Nach Auffassung des Gerichts waren die streitgegenständlichen Leistungen steuerfrei. Der Senat verstehe den Wortlaut des § 4 Nr. 14a UStG in dem Sinne, dass eine Behandlung – auch wenn sie keine über ihre optische Einflussnahme hinausgehende Wirkung entfalte – eine begünstigte Heilbehandlung darstellen könne, wenn sie, wie hier, auf die Beseitigung der (optischen) Folge einer Krankheit oder Gesundheitsstörung und einer aufgrund dieser Krankheit oder Gesundheitsstörung medizinisch indizierten Heilungsmaßnahme gerichtet sei, wenn sie also ein Teil einer Gesamtbehandlung der Gesundheitsstörung darstelle, deren Ziel, soweit möglich, die Wiederherstellung des status quo ante des behandelten Körperteils sei. Die steuerliche Begünstigung erfasse auch Maßnahmen, die zur Beseitigung von durch die Gesundheitsstörung und der zu deren Heilung vorgenommenen Maßnahmen herbeigeführten körperlichen Folgen –  auch rein optischer Natur – gerichtet seien.

Dies stelle auch keinen Widerspruch zu den Ausführungen des BFH, wonach für die Begünstigung von Schönheitsoperationen erforderlich sei, dass diese dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienten, womit es wiederum nicht zu vereinbaren sei, Leistungen der Schönheitschirurgen ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation als steuerfrei zu behandeln. Denn diese Ansicht zwinge nicht zu dem Schluss, dass kosmetische Maßnahmen unter keinen Umständen privilegiert seien, wenn sie über ihre optische Wirkung hinaus keine heilende Wirkung entfalten. Vielmehr lasse die Auffassung des BFH auch ein Verständnis der geforderten „medizinischen Indikation“ in dem Sinne zu, dass diese auch bei der Beseitigung kausaler Krankheitsfolgen gegeben sein könne. Nicht medizinisch indiziert in diesem Sinne seien damit lediglich ästhetische Maßnahmen, die „ausschließlich aus ästhetischen Gründen durchgeführt werden“ und damit ohne weitere Veranlassung auf Wunsch des Patienten z.B. zur Rücknahme von Alterserscheinungen, zur Verbesserung der Körperform, zu kosmetischen Korrekturen von Normabweichungen vom individuellen oder gesellschaftlichen Schönheitsideal oder zur Herbeiführung des Wohlbefindens erbracht werden.

Da in allen Fällen des streitgegenständlichen Bleachings eine Vorschädigung und eine darauf gegründete, medizinisch indizierte Behandlung vorgelegen habe und da unstreitig sei, dass als Folge der Vorschädigung und der darauf erfolgten Behandlung ein Abdunkeln eingetreten sei, welches wiederum der Grund für das Bleaching des betroffenen Zahnes darstelle, seien die Voraussetzungen einer begünstigten Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14a UStG jeweils erfüllt.

Fazit:

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein setzt sich in seiner Entscheidung intensiv mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander. Diese lehnt bei sogenannten Schönheitsoperationen grundsätzlich eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14a UStG ab. So sind etwa medizinisch nicht indizierte Operationen als steuerpflichtig angesehen worden, soweit sie allerdings nicht der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienten, sondern – ohne einem therapeutischen Ziel zu dienen – ausschließlich aus ästhetischen Gründen durchgeführt wurden. Entsprechendes gilt für Zahnärzte, wenn sie Zahnschmuck einsetzen oder aus kosmetischen Gründen Veneers bzw. Bleaching anbieten, um ein gleichmäßiges und weißes Zahnbild herzustellen. Die zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig. Insoweit bleibt die endgültige Klärung der Rechtsfrage abzuwarten.

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