17.02.2015

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 113/13 die Haftung des Geschäftsführers einer insolvenzreifen GmbH bei Vermögensschäden begrenzt, die durch das Hinzutreten eines Dritten entstanden sind. Der Sachverhalt wirkt auf den ersten Blick skurril. Er hatte aber so erhebliche Relevanz, dass sich drei Instanzen damit beschäftigt haben.

Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag eine Penthouse-Wohnung von einer GmbH. Diese GmbH fiel später in Insolvenz (Schuldnerin). Im ersten Halbjahr 2004 baute ein Subunternehmer der Schuldnerin eine Eingangstür ein. Die Eingangstür entsprach nicht den vertraglich vereinbarten Sicherheitsstandards zwischen der Klägerin und der Schuldnerin. Am 12. August 2005 brach ein Unbekannter in die Wohnung ein und entwendete Schmuck der Klägerin. Am 30. April 2007 beantragte der Beklagte als Geschäftsführer der Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches auch am 5. Juli 2007 eröffnet wurde. Vorher nahm die Klägerin die Schuldnerin auf Schadensersatz wegen der unzureichenden Tür in Anspruch. Das Verfahren wurde durch den Insolvenzverwalter fortgeführt. Die Parteien einigten sich auf eine Forderung der Klägerin in Höhe von 497.643,43 € sowie Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 15.491,31 €, die insgesamt in Höhe von 513.134,74 € zur Insolvenztabelle festgestellt wurden.

Im Anschluss nahm die Klägerin den Beklagten, den Geschäftsführer der Schuldnerin, auf Schadensersatz in Höhe dieses Betrages – 513.134,74 € – in Anspruch. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 28. Januar 2004 schon insolvenzreif. Der Beklagte hätte daher schon zu diesem Zeitpunkt Insolvenzantrag stellen müssen. Die Klägerin argumentierte, dass sie bei rechtzeitigem Insolvenzantrag des Beklagten den Vertrag nicht mit der Schuldnerin geschlossen hätte, sondern mit einem anderen Unternehmen. Dieser hätte seine vertraglichen Pflichten erfüllt und eine Tür mit höherem Sicherheitsstandard eingebaut. Es wäre dann auch nicht zu dem erfolgreichen Einbruch des unbekannten Täters gekommen.

Die Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts lediglich wegen der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 15.491,31 € auf. Im Übrigen wies es die Revision zurück.

Streiterheblich war nur die Frage, ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen des zu spät gestellten Insolvenzantrages durch den Beklagten auch den Einbruchschaden umfasst. Es stand fest, dass der Beklagte verspätet Insolvenzantrag gestellt hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Vertragspartner einen „deliktischen“ Schadensersatzanspruch gegenüber dem Geschäftsführer einer GmbH haben, wenn dieser zu spät Insolvenzantrag stellt (Insolvenzverschleppung). Das Verbot der Insolvenzverschleppung habe nicht nur den Zweck, das Gesellschaftsvermögen zu erhalten, sondern vielmehr auch, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit dadurch nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. Es soll verhindert werden, dass Gläubiger Verträge mit insolvenzreifen Gesellschaften eingehen und ihnen durch Vorleistung oder in sonstiger Weise einen Kredit entgegenbringen, obwohl die Gegenleistung durch die insolvenzreife Gesellschaft nicht mehr werthaltig ist. Diese „Neugläubiger“ haben daher einen Anspruch gegenüber dem Geschäftsführer der insolvenzreifen GmbH auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Vertragsschluss entstanden ist. Dieser Schaden wird als „negativer“ Schaden bezeichnet. Durch den „negativen“ Schaden wird der Anspruch des Vertragspartners auf eine werthaltige Gegenleistung sowie Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Leistung ersetzt. Er ist abzugrenzen von dem „positiven“ Schaden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass beim „positiven“ Schaden auch der Gewinn eines Vertragspartners aus einem Geschäft zu ersetzen ist, während dies beim „negativen“ Schaden nicht der Fall ist.

Der BGH hatte nun die Frage zu entscheiden, ob der Einbruchschaden aufgrund der nichtvertragsgemäß gelieferten Tür auch von diesem „negativen“ Schaden erfasst wird. Völlig fernliegend ist dieser Gedanke bei näherer Betrachtung nicht. Die Schuldnerin hat eine mangelhafte Leistung erbracht, indem sie nicht die vertragsgemäß geschuldete Tür mit höherem Sicherheitsstandard geliefert und eingebaut hat, sondern eine Tür mit geringerem Sicherheitsstandard. Es stand (wohl) fest, dass eine Tür mit höherem Sicherheitsstandard den Einbruch verhindert hätte. Die Schuldnerin war daher auch aufgrund des Vertrages mit der Klägerin verpflichtet, einen vertraglichen Schadensersatzanspruch zu zahlen. Es hätte daher durchaus nahegelegen, dass der Beklagte für diese Vertragsverletzung auch im Rahmen seiner Haftung wegen Insolvenzverschleppung hätte einstehen müssen.

Der BGH ist diesen Schritt nicht gegangen. Die Schadensersatzverpflichtung für Insolvenzverschleppung habe nicht den Zweck, den Vertragspartner vor deliktischem Handeln Dritter (des Einbrechers) zu schützen. Der Schutzzweck der Insolvenzverschleppung bestehe darin, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, um Vertragspartner nicht zu gefährden, insbesondere wenn diese Vorleistungen erbringen. Dieser Schutz gehe aber nicht so weit, dass er auch Straftaten Dritter umfasst, die durch den Vertragsschluss begünstigt werden. Bei den Straftaten eines Dritten – hier des Einbrechers – handele es sich auch nicht um einen Schadensersatz, der im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistung selbst stehe, wie ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhaftem Wert.

Die Rechtsverfolgungskosten sind dagegen erstattungsfähig. Zu dem Schutzzweck der Insolvenzverschleppung gehöre es nämlich auch, dass ein Vertragspartner nicht mit Rechtsverfolgungskosten belastet wird, die er von der insolvenzreifen Gesellschaft nicht mehr zurückerhalte.  Dies sei hier der Fall. Hätte der Beklagte frühzeitig Insolvenzantrag gestellt, wäre es nicht zu dem Vertragsschluss gekommen. Die Rechtsverfolgungskosten zur Feststellung des Schadensersatzanspruches aufgrund des mangelhaften Werkes wären dann auch nicht angefallen. Dieser Schadensersatzanspruch stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit dem geschuldeten Werk und stelle daher einen Teil des „negativen“ Interesses der Klägerin dar.

Fazit:

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Würde der Geschäftsführer einer insolvenzreifen Gesellschaft wegen eines Einbruches oder sonstiger deliktischer Handlungen Dritter haften, würde die Insolvenzverschleppung zu einer Gefährdungshaftung führen. Der Geschäftsführer würde für alle denkbaren, zufällig eintretenden Schäden haften, unabhängig davon, ob diese noch in einem sachlichen Zusammenhang zur Insolvenzverschleppung stehen. Es wird allerdings immer eine Frage des Einzelfalles sein, ob es sich um einen Schadensersatzanspruch handelt, der noch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistung steht oder ob dieser Zusammenhang fehlt – wie in dem Einbruchsfall. Geschäftsführer können sich jedenfalls auf diese Entscheidung berufen, wenn ein Dritter durch eine unerlaubte Handlung einen Schaden bei dem Vertragspartner verursacht hat.

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