06.05.2003 -

Die Arbeitsvertragsparteien streiten in vielen Fällen heftig über den Inhalt und die Formulierungen von Arbeitszeugnissen. In nicht wenigen Fällen kommt es zu einer Streitbeilegung nur mit Hilfe der Arbeitsgerichte. Dabei gilt es die Interessengegensätze zwischen dem Wohlwollensgebot und der Wahrheitsverpflichtung in Einklang zu bringen.

 

An dem unübersichtlichen Zeugnisrecht hat auch die Neuregelung der Zeugniserteilung in § 109 Gewerbeordnung (GewO) nichts geändert1). Die betriebliche Praxis hat sich dabei seit langem auf die von dem normalen Sprachgebrauch deutlich abweichende Zeugnissprache eingestellt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir nachfolgend einige aktuelle Urteile der Instanzgerichte, die für die Personalpraxis von Bedeutung sind, vorstellen.

 

I. Wortreihenfolge in Zeugnissen: Vorgesetzte vor Kollegen?

Im Arbeitszeugnis kann schon der bloßen Wortreihenfolge maßgebende Bedeutung zukommen. Folgender Fall macht das Problem anschaulich2):

 

Das Sozialverhalten zweier Mitarbeiterinnen desselben Arbeitgebers wurde in denen jeweils erteilten Schlusszeugnissen gleichlautend bewertet. Der Arbeitgeber verwandte folgende Formulierung:

 

„Durch ihr freundliches und zuvorkommendes Wesen war Frau Mustermann bei Kollegen und Vorgesetzten gleichermaßen beliebt.“

 

Beide Arbeitnehmerinnen klagten vor dem Arbeitsgericht unter anderem auf Änderung der Wortreihenfolge. Die von der Sparkasse gewählte Wortreihenfolge „Kollegen und Vorgesetzten“ könne den Eindruck erwecken, als seien die Mitarbeiterinnen bei ihren Vorgesetzten nicht so beliebt gewesen. In der Zeugnissprache sei es ungeschriebene Regel, erst den Vorgesetzten, und dann die Mitarbeiter zu nennen.

 

Eine Kammer des Arbeitsgerichts Saarbrücken schloss sich diesem Einwand an. In der heute zumindest von Juristen angewandten Zeugnissprache herrsche die Regel vor, dass bei der Beurteilung von im Wesentlichen unbeanstandetem Sozialverhalten die Reihenfolge Vorgesetzte/Kollegen/Geschäftspartner vorherrsche. Abweichungen könnten in der Tat zu Missverständnissen führen. Dass dies in Einzelfällen gekünzelt erscheinen mag, sei hinzunehmen.

 

Eine andere Kammer desselben Gerichts kam hingegen zur genau gegenteiligen Ansicht und wies die Klage der anderen Mitarbeiterin ab. Die Bedeutung einzelner Sätze ergebe sich eben aus dem Gesamtinhalt des Zeugnisses. Erhalte – wie in dem entschiedenen Fall – die Mitarbeiterin ein wohlwollendes und gutes Zeugnis, könnten Schlussfolgerungen aus der Wortreihenfolge nicht zwingend gezogen werden.

 

Hinweis für die Praxis:

Die selbe Rechtsfrage bei unterschiedlichen Kammern eines Gerichts. Zwei voneinander abweichende Urteile. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass es eine einheitliche Zeugnissprache in der betrieblichen Praxis gerade nicht gibt.

 

II. Gehobenes befriedigend = „zur vollen Zufriedenheit“

Will ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein „gehobenes befriedigend“ bescheinigen, ist dies mit der Formulierung zur vollen Zufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Hamm in einem aktuellen Urteil bekräftigt3). Mit dieser oder gleichlautender Formulierungen werden einem Arbeitnehmer gute, überdurchschnittliche Leistungen attestiert. Wird hingegen dem Arbeitnehmer eine Leistungsbeurteilung zur Zufriedenheit zu teil, wird damit eine unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung bescheinigt.

 

Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

Das LAG Hamm weist in diesem Zusammenhang nochmals auf die geltende Darlegungs- und Beweislast hin. Begehrt der Arbeitnehmer eine bessere Beurteilung als eine durchschnittliche, liegt es an ihm, Tatsachen dafür darzulegen, dass eine solche bessere Beurteilung gerechtfertigt ist. Dabei folgt das LAG Hamm zutreffend nicht den Auffassungen, dass eine nicht beanstandete Leistung immer schon als gute Leistung anzusehen ist. Ein Arbeitgeber kann auch dann, wenn er einem Arbeitnehmer im Schnitt aller Beschäftigen liegen sieht, keine Veranlassung finden, ihn zu einer besseren Leistung anzuhalten oder Fehler zu bemängeln.

 

Hinweis für die Praxis:

Bei der zusammenfassenden Leistungsbewertung hat sich in der Zeugnissprache eine Ausdrucksweise herausgebildet, die weitgehend auf bekannte Standartformulierungen zurückgreift. Die Praxis greift dabei regelmäßig auf die so genannte Zufriedenheitsskala zurück und bewertet die übertragenen Aufgaben über den verunglückten Superlativ zur vollsten Zufriedenheit bis hin zur mangelhaften Beurteilung hat sich bemüht.

 

Um die Zeugnissprache in den normalen Sprachgebrauch zu übersetzen kann der Praktiker auf Dutzende von Handbüchern zurückgreifen4).

 

III. Zeugnisberichtigungsanspruch: Verwirkung

Der Zeugnisanspruch verjährt grundsätzlich innerhalb von drei Jahren. Daneben unterliegt der Anspruch auf Zeugniserteilung (wie alle schuldrechtlichen Ansprüche) aber auch der Verwirkung. Neben dem so genannten Zeitmoment muss sich der Arbeitgeber nach Lage der Umstände des Falles darauf einrichten dürfen, dass der Arbeitnehmer kein Zeugnis mehr verlangen wird (Umstandsmoment). Teilweise wird die Verwirkung schon bei verspäteter Geltendmachung von ca. 6 Monaten nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bejaht. Diese Frist halten wir für zu kurz, denn oftmals merken Arbeitnehmer erst nach geraumer Zeit, dass sie doch noch ein Zeugnis des alten Arbeitgebers benötigen.

 

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einem nun veröffentlichten Urteil entschieden, dass jedenfalls 15 Monate zwischen Erteilung des Zeugnisses und erstmaligem Berichtigungsanspruch das Zeitmoment der Verwirkung erfüllen. Hat zudem der Arbeitgeber in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einem gerichtlichen Vergleich ein qualifiziertes Zeugnis erteilt, darf er davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer alsbald Einwendungen erheben wird, wenn er mit dem Inhalt des erteilten Zeugnisses nicht einverstanden ist5).

 

IV. Tarifvertragliche Ausschlussfristen beachten!

Die Geltendmachung des Zeugnisanspruchs kann schließlich durch tarifliche Ausschlussfristen zeitlich begrenzt werden. So hat bspw. das Bundesarbeitsgericht die tarifliche Verfallfrist des § 70 Bundes Angestellten Tarifvertrag (BAT) auf den Zeugnisanspruch angewendet.

 

Das LAG Hamm hat nun auch einzelvertragliche Ausschlussfristen von drei Monaten für zulässig erklärt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis nach § 630 BGB. Zwar sei der gesetzliche Anspruch grundsätzlich nicht abdingbar. Jedoch betreffe die Ausschlussfrist nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern nur dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung6).

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung gilt uneingeschränkt auch für § 109 GewO, der nunmehr den Zeugnisanspruch regelt. Fraglich ist allerdings, ob einzelvertragliche Ausschlussklauseln der nunmehr auf das Arbeitsrecht anwendbaren AGB-Kontrolle Stand halten. Das LAG Hamm musste sich mit diesem Punkt noch nicht beschäftigen. Nach dem neuen AGB-Recht sind Klauseln in Formularverträgen unwirksam, wenn sie von einer gesetzlichen Bestimmung erheblich abweichen, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit der Aufnahme von ein- oder mehrmonatigen vertraglichen Ausschlussfristen wird aber in erheblicher Weise von der seit der BGB-Reform geltenden dreijährigen Verjährungsfrist abgewichen. Die Meinungen in der Literatur sind nach wie vor uneinheitlich und höchstrichterliche Rechtsprechung liegt noch nicht vor. Wir halten Sie insoweit über den Stand der Diskussion auf dem Laufenden7).

 

Quellen:

1) Hinweis auf unseren Beitrag zu den arbeitsrechtlichen Neuregelungen in der Gewerbeordnung in b + p 2002, S. 567 ff

2) Arbeitsgericht Saarbrücken, Urt. v. 2. 11. 2001 – 6 Ca 38/01 – und Urt. v. 12. 4. 2001 – 6 Ca 47/01 -, beide unveröffentlicht

3) Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v. 22. 5. 2002 – 3 Sa 231/02 -, NZA-RR 2003, S. 71

4) ABC der Kündigung, 4. Auflage 2001, Stichwort Zeugnis; vgl. im Übrigen auch Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 16. Auflage 2000

5) Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v 3. 7. 2002 – 3 Sa 248/02 -, NZA-RR 2003, S. 73

6) Hinweis auf unsere Darstellungen zum neuen AGB-Recht in b + p 2002, S. 257 und 311 sowie b + p 2003, S. 258; siehe auch Telex b + p 2003, S. 64

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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