02.03.2015 -

Die Vorschrift des § 80 BetrVG regelt die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Eine besondere Verpflichtung sieht insoweit Abs. 2 S. 2 vor. Danach ist der Betriebsausschuss oder ein sonstiger nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einsicht zu nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss seine Rechtsprechung zum Umfang dieses Einsichtsrechts und auch zum Kreis der berechtigten Personen weiter präzisiert (14.01.2014 – 1 ABR 54/12). Das BAG hat sich dabei auch mit der Herausgabe der Bruttoentgeltunterlagen von Leitenden Angestellten sowie datenschutzrechtlichen Fragen befasst.

Der Fall:

Der beteiligte Arbeitgeber betreibt eine neurochirurgische Klinik mit ca. 120 Arbeitnehmern. Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat.

Der Arbeitgeber lehnte es ab, dem Betriebsrat Einsicht in die Bruttoentgeltlisten der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu geben, weil dem etwa die Hälfte der Arbeitnehmer widersprochen habe.

Der Betriebsrat hat demgegenüber die Auffassung vertreten, er könne umfassend in die Listen der Bruttolöhne und -gehälter Einsicht nehmen. Dieses Recht erfasse sämtliche Vergütungsbestandteile, einschließlich tariflicher Sonderzahlungen und privatärztlicher Liquidationserlöse. In diesem Sinne hat der Betriebsrat beantragt, dem Arbeitgeber aufzugeben, einem von ihm benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer mit Ausnahme der Leitenden Angestellten hinsichtlich sämtlicher Entgeltbestandteile zu gewähren.

Der Arbeitgeber hat zur Begründung seines Abweisungsantrages ausgeführt, der Einsichtnahme stünden datenschutzrechtliche und grundrechtliche Belange der Arbeitnehmer entgegen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Betriebsrates entsprochen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen in vollem Umfange bestätigt.

I. Einsichtsrecht nur eines Betriebsausschusses?

Das in § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 BetrVG geregelte Einsichtsrecht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten steht dem Wortlaut der Vorschrift nach nur den Ausschüssen nach §§ 27, 28 BetrVG zu. Das BAG hat hierzu nochmals klargestellt, dass in Betrieben, in denen kein Betriebsausschuss gebildet ist, das Einsichtsrecht durch den Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied, dem die Führung der laufenden Geschäfte nicht übertragen sein muss, wahrgenommen werden darf. Das gilt insbesondere in Betrieben, in denen die Voraussetzungen für die Bildung eines Betriebsausschusses nach § 27  BetrVG nicht vorliegen. Die Vorschrift gilt also auch in kleineren Betrieben mit weniger als 200 Arbeitnehmern.

II. Umfang des Einsichtsrechts

Das Einsichtsrecht umfasst alle Lohn- und Gehaltsbestandteile tariflicher wie außertariflicher Art, unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Leistungen des Arbeitgebers handelt und unabhängig davon, ob sie kollektivrechtlich oder einzelvertraglich vereinbart sind. Es gibt keine bestimmten Lohnbestandteile, die generell vom Einsichtsrecht des Betriebsrates ausgenommen sind.

Hinweis für die Praxis:

Der Betriebsrat kann aber nur Einsicht in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitzt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen.

III. Keine Begründung des Betriebsrates erforderlich

Der Betriebsrat muss ein besonderes Überwachungsbedürfnis nicht darlegen. Der nötige Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung des Einsichtsrechtes bedarf es dabei auch im Hinblick auf individuell vereinbarte übertarifliche Vergütungen nicht. Der Betriebsrat benötigt nach Auffassung des BAG die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann.

Hinweis für die Praxis:

Ein Einsichtsrecht des Betriebsrates besteht damit auch dann, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen erhalten und wie hoch diese sind. Die Grenzen des Einsichtsrechts liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt. Daher konnte sich der Arbeitgeber hier auch nicht darauf berufen, es liege kein kollektiver Tatbestand vor, da bestimmte Zahlungen individuell ausgehandelt seien. Auch die Überprüfung solcher Behauptungen fällt unter das Einsichtsrecht.

IV. Datenschutz

Dem Anspruch des Betriebsrates auf Einblick in die Bruttoentgeltlisten stehen datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen. Das BAG hat klargestellt, dass es sich bei dem Einsichtsrecht in die Bruttoentgeltlisten um eine nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässige Form der Datennutzung handelt. Der Betriebsrat ist selbst Teil der verantwortlichen Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG. Die Einsichtsgewährung stellt daher keine unzulässige Weitergabe von Daten an Dritte dar.

Hinweis für die Praxis:

Das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer steht dem Einsichtsrecht ebenfalls nicht entgegen. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, sich gegenüber dem Anspruch des Betriebsrates auf Grundrechte der Arbeitnehmer zu berufen.

V. Leitende Angestellte

Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind von den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen. Deren Bruttoentgeltunterlagen unterliegen deshalb nicht dem Einsichtsrecht des Betriebsrates. Die Herausnahme Leitender Angestellter aus dem Betriebsverfassungsrecht beruht darauf, das Leitende Angestellte Kraft ihrer Funktion Unternehmerinteressen wahrzunehmen haben und daher nicht gleichzeitig in der Betriebsverfassung Arbeitnehmerinteressen vertreten sollen. Dieser Grund rechtfertigt die Herausnahme der Leitenden Angestellten aus dem Geltungsbereich des BetrVG.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht legt die Vorschrift des § 80 Abs. 2 S. 2 Halbs 2 BetrVG und das dort geregelte Einsichtsrecht des Betriebsrates in Bruttolohn- und -gehaltslisten weit aus. Der Betriebsrat muss in die Lage versetzt werden, die Angaben des Arbeitgebers zu überprüfen. Dies gilt grundsätzlich auch für solche Einwände, die einen Anspruch ausschließen könnten. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass es sich um ein reines Einblicksrecht handelt. Dem Betriebsrat müssen keine Kopien ausgehändigt werden. Er ist allerdings berechtigt, sich handschriftliche Notizen zu machen.

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