17.03.2015 -

Viele Arbeitsvertragsparteien beenden ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch Abschluss einer Aufhebung und/oder Abwicklungsvereinbarung. Oftmals verlangen die Arbeitnehmer dann den Ausspruch einer Kündigung, u.a. auch, um Arbeitslosengeld ohne Sperrzeit beziehen zu können. Arbeitgeber sichern sich in der Vereinbarung mit einem sogenannten Klageverzicht ab. Hier bestehen aber durchaus Risiken! Ein solcher Klageverzicht ist nicht immer zulässig und ein Arbeitnehmer kann dennoch später zulässig Kündigungsschutzklage erheben. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte sich mit einem solchen Fall nun zu befassen (27.03.2014 – 5 Sa 1099/13). Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, um hier die Risiken und Voraussetzungen zu erläutern.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war seit 1. März 2002 bei dem beklagten Arbeitgeber als Fleischer in der Produktion beschäftigt. Nach längerer Erkrankung und erfolgreicher Wiedereingliederung nahm er im März 2013 seine Arbeit wieder vollschichtig auf. Zuvor führten beide Parteien mehrere Gespräche, in denen es um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ging. Die genauen Einzelheiten sind jedoch streitig.

Am 5. März 2013 übergab der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger eine Kündigung vom 28. Februar 2013 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 2013. Zugleich unterzeichneten beide eine Abwicklungsvereinbarung, in welcher sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis mit guter Leistungs- und Führungsbewertung zu erteilen und dieser ausdrücklich auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtete.

Eine Woche später erklärte der Kläger die Anfechtung/den Widerruf der Erklärungen der Abwicklungsvereinbarung.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 26. März 2013 eingegangenen Klage hat er die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat insbesondere die Auffassung vertreten, der Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage sei unwirksam.

In dem Prozess hat er weiter vorgetragen, er habe die Vereinbarung unterschrieben, ohne sie zuvor gelesen zu haben. Darüber hinaus meint er, der Klageverzicht sei unwirksam. Eine kompensatorische Gegenleistung sei nicht vorhanden. Er habe ohnehin wegen völlig beanstandungsfreiem Arbeitsverhalten einen Anspruch auf ein gutes Zeugnis gehabt.

Das Arbeitsgericht hat den Klageverzicht als wirksam erachtet und die Klage daher abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts vollumfänglich bestätigt.

I. Voraussetzungen Klageverzichtsvereinbarung

Klageverzichtsvereinbarungen unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der AGB-Kontrolle. Danach ist eine reine Klageverzichtsvereinbarung unangemessen und damit unwirksam. Voraussetzung ist vielmehr ein Klageverzicht gegen Kompensation. Wird also einerseits ein Klageverzicht vom Arbeitnehmer zugestanden, andererseits aber auch vom Arbeitgeber eine Gegenleistung gegeben, liegt eine solche Kompensationsleistung vor und die Klageverzichtsvereinbarung ist wirksam.

Wird also keine Gegenleistung gewährt, ist eine Klageverzichtsvereinbarung unzulässig und damit unwirksam!

II. Keine Inhaltskontrolle von Leistung und Gegenleistung

Den Arbeitsgerichten ist es allerdings verwehrt, Leistung und Gegenleistung zu bewerten. In die Verhandlungsparität der Vertragspartner dürfen die Arbeitsgerichte nicht eingreifen. Voraussetzung ist damit allein, ob überhaupt eine Gegenleistung vorliegt. Ob diese angemessen oder aber zu hoch oder zu niedrig ist, kann von den Arbeitsgerichten nicht bewertet werden.

Hinweis für die Praxis:

Die Gegenleistung für den Klageverzicht, die der Arbeitgeber leistet, muss allerdings auch die Bezeichnung „Gegenleistung“ verdienen. Wird also bspw. nur eine Abfindungsleistung von 10,00 € zugestanden, ist diese Grenze deutlich überschritten. Dort, wo erkennbar „nichts“ geleistet wird, liegt auch keine Kompensation vor.

III. Gute Zeugnisnote als Kompensationsleistung?

Das Landesarbeitsgericht hat die Erteilung eines guten Zeugnisses als ausreichende Kompensation und Gegenleistung bejaht. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer nicht ohnehin bereits Anspruch auf ein solches gutes Zeugnis gehabt hätte. Dies war hier allerdings nicht der Fall gewesen. Der Arbeitnehmer habe nur eine durchschnittliche Zeugnisnote beanspruchen können. Die Anhebung der Zeugnisnote von durchschnittlich auf „gut“ sei als ausreichende Kompensation und Gegenleistung anzusehen.

Fazit:

Klageverzichtsvereinbarungen setzen voraus, dass nicht nur der Arbeitnehmer auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet, sondern auch der Arbeitgeber eine angemessene und ausreichende Gegenleistung als sogenannte Kompensationsleistung gewährt. Dies ist in Fällen, in denen eine übliche Abfindung gezahlt wird, wohl immer der Fall. Auch andere Leistungen können als solche Kompensationsleistung angesehen werden, bspw. ein verbessertes Zeugnis. Dann muss allerdings auch nachweisbar feststehen, dass die Zeugnisnote zugunsten des Arbeitnehmers angehoben wurde. In Zweifelsfällen sollte man in Aufhebungsverträgen daher mehrere Kompensationsleistungen zusagen, um den Klageverzicht zusätzlich abzusichern.

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