06.04.2015 -

Grobe Verstöße des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG können zu einem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats führen, § 23 Abs. 3 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass auch schon ein einmaliger Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtlichte Pflichten einen solchen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG auslösen kann (18.03.2014 – 1 ABR 77/12). Die Entscheidung macht deutlich, dass die Pflichten aus dem BetrVG sehr ernst zu nehmen sind. Grobe Verstöße berechtigten den Betriebsrat, im Wege eines gerichtlichen Verfahrens, notfalls der einstweiligen Verfügung, Unterlassung vom Arbeitgeber zu verlangen.

Der Fall:

Die Betriebspartner streiten über einen Unterlassungsanspruch im Zusammenhang mit der Freistellung von Arbeitnehmern für Maßnahmen der beruflichen Bildung.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Logistikunternehmen. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 8. März 2011 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Freistellung eines einzelnen Arbeitnehmers zur Teilnahme am Lehrgang „MDD Weight and Balance“ in der Zeit vom 23. bis zum 27. Mai 2011. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung und benannte insgesamt sechs andere Arbeitnehmer, die seiner Auffassung nach bevorzugt hierfür einzuplanen seien. Zur Begründung führt er aus, es sei nicht ersichtlich, dass der einzelne Arbeitnehmer die Weiterbildung benötige.

Die Arbeitgeberin wiederholte ihren Antrag und berücksichtigte die weiteren vom Betriebsrat benannten Arbeitnehmer hierbei nicht. Der Betriebsrat verweigerte erneut seine Zustimmung und benannte wiederum die anderen Arbeitnehmer, die nach seiner Auffassung bevorzugt zu berücksichtigen seien.

Der einzelne Arbeitnehmer nahm gleichwohl an der Weiterbildungsmaßnahme teil. Nach einem Protest des Betriebsrats gegen dieses Vorgehen entschuldigte sich ihm gegenüber der Arbeitnehmer und erklärte zugleich, er werde künftig an solchen Maßnahmen nicht mehr ohne Zustimmung des Betriebsrats teilnehmen.

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe seine Beteiligungsrechte bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen bewusst und hartnäckig missachtet und hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Einigung mit dem Betriebsrat oder ohne Ersetzung der fehlenden Einigung durch die Einigungsstelle Arbeitnehmer für Maßnahmen der beruflichen Bildung und sonstigen Bildungsmaßnahmen freizustellen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben.

I. Unterlassungsanspruch bei grobem Verstoß

Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, seine Handlung zu unterlassen. Ein grober Verstoß des Arbeitgebers ist bei einer objektiv erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverletzung zu bejahen. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Der Annahme eines groben Verstoßes kann entgegenstehen, dass der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt. Eine grobe Pflichtverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr. Diese ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Die bloße Zusicherung, zukünftig betriebsvereinbarungswidriges Verhalten zu unterlassen, genügt hierfür hingegen nicht.

II. Einmaliger Verstoß ausreichend?

Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass auch ein einmaliger Verstoß als grob im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG angesehen werden kann, wenn er nur schwerwiegend genug ist. Ein solcher Fall wurde hier bejaht. Der Lehrgang diente nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten der beruflichen Fortbildung des Arbeitnehmers. Es handelte sich damit um eine Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung im Sinne des § 98 BetrVG. An dieser Verpflichtung bestehen keine Zweifel und konnten auch nicht bestehen. Die Arbeitgeberin hat nicht einmal behauptet, ihr sei die Rechtslage unklar gewesen. Mit ihrer abweichenden Rechtsposition hat sie sich vielmehr über die eindeutige gesetzliche Anordnung hinweggesetzt und diese offensichtlich für sich als nicht verbindlich erachtet. Sie hat damit nachhaltig und grob gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verstoßen.

Fazit:

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass Verstöße gegen das BetrVG von den Arbeitsgerichten nicht geduldet werden. Selbst ein einmaliger Verstoß kann bereits Unterlassungspflichten nach § 23 Abs. 3 BetrVG auslösen, die zudem mit Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € belegt werden können. Unterlassungsansprüche können auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zu mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen ist dies also sehr ernst zu nehmen.

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