21.04.2015 -

Im Rahmen der Bedarfsplanung werden bei einem festgestellten Versorgungsbedarf „neue“ Versorgungsaufträge vorrangig unter der Prämisse einer geografisch gleichmäßigen Verteilung vergeben. Die Zulassung wird dabei immer für eine bestimmte Adresse, den Vertragsarztsitz, zugesprochen, § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV. Auf diesem Wege soll auch in dem einzelnen Planungsbereich eine für alle Einwohner gleich gut erreichbare Versorgung sichergestellt werden.

Problemaufriss

Im Laufe der Zeit kann es für den Vertragsarzt aus den unterschiedlichsten Gründen erforderlich werden, seinen Vertragsarztsitz zu verlegen. Dies kann im Rahmen eines reinen Umzugs der Praxis geschehen, § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV, aber auch im Rahmen eines Verzichts zugunsten einer Anstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder bei einem anderen Vertragsarzt, § 103 Abs. 4a und 4b SGB V. Diese Verlegung bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses.

Die Praxisverlegung oder die Anstellung ist dabei nur dann zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Welche Gründe als zulässig zu qualifizieren sind, dazu schweigt das Gesetz. Diese Gründe sind daher von der Rechtsprechung zu konkretisieren, was selbstverständlich nur anhand des jeweils zu entscheidenden Einzelfalls möglich ist. Das SG Marburg hat dies in seinem Beschluss vom  24.11.2014 für die Frage der zukünftigen Versorgungssituation am „alten“ Praxisstandort getan.

Sachverhalt (verkürzt)

Der Entscheidung lag der Antrag auf Genehmigung einer hausärztlichen Anstellung zugrunde, die eine Verlegung des Vertragsarztsitzes der anzustellenden Ärztin von der kleinen A-Stadt in die 7,4 km entfernte deutlich größere B-Stadt bedeutete.

Sowohl A-Stadt als auch B-Stadt wiesen eine Versorgung von etwas über 110% aus und waren somit überversorgt. In B-Stadt nahmen vor der Verlegung insgesamt neun Hausärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die beigeladene (und später klagende) Kassenärztliche Vereinigung (KV) empfahl, die Verlegung abzulehnen, da zu vermuten sei, dass vier der übrigen acht Hausärzte aufgrund der Altersstruktur ihre Praxen aufgeben und aufgrund der unsicheren Nachbesetzung im ländlichen Raum eine Unterversorgung zu befürchten sei.

Der Zulassungs- und der Berufungsausschuss folgten der Empfehlung nicht und gaben dem Antrag statt. Gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses erhob die KV Klage. Die Ärztin stellte daraufhin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren den Antrag, die sofortige Vollziehbarkeit des Beschlusses des Berufungsausschusses anzuordnen.

Exkurs: Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen der Zulassungsgremien haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die angefochtene Entscheidung zwar formell besteht, die sich aus ihr für den Adressaten ergebenden positiven Rechtsfolgen aber (noch) nicht eintreten. Konkret besteht also die Anstellungsgenehmigung, der angestellte Arzt kann jedoch bis zum Ende der aufschiebenden Wirkung nicht tätig werden. Die aufschiebende Wirkung tritt aber nicht ein, wenn der Sofortvollzug angeordnet wurde. Dies kann bereits von der Behörde entschieden werden. Ist dies nicht der Fall, kann wie vorliegend ein entsprechender Antrag bei dem Sozialgericht gestellt werden.

Entscheidung

Das SG Marburg gab dem Antrag in der hier besprochenen Entscheidung statt. In seiner Begründung führte das SG Marburg zunächst unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des BSG aus, dass ausschließlich planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände bei der Entscheidung berücksichtigt werden dürfen.

Innerhalb dieser planerischen Umstände würde aber ein zukünftig vermuteter Engpass kein ausreichender Grund sein, der eine Verlegung des Vertragsarztsitzes entgegengestellt werden könne. Dies gelte jedenfalls soweit nicht, als dass der Engpass lediglich vermutet werde, eine Konkretisierung aber in keiner Weise dargelegt werden könne. Diese Konkretisierung habe die KV bislang nicht hinreichend vorgetragen.

Fazit

Die Entscheidung über die Verlegung des Vertragsarztsitzes kann immer nur an der konkreten Ist-Situation entschieden werden. Zukünftige Entwicklungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn deren Eintritt bereits unmittelbar bevorsteht, die Ursachenkette, die zu einer der Praxisverlegung entgegenstehenden Situation führt, also schon in Gang gesetzt wurde.

Für die Praxis bedeutet dies vor allem, dass die Ist-Versorgungssituation möglichst im Detail dargelegt wird, um einen größtmöglichen Einfluss auf die Ermessensentscheidung der Zulassungsgremien zu nehmen.

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