04.05.2015 -

Seit dem Rechtsprechungswandel des EuGH und des BAG zum Urlaubsanspruch bei dauererkrankten Mitarbeitern kommt es auch im übrigen Urlaubsrecht immer wieder zu neuen Urteilen, die von dem bisher gelernten Verständnis abweichen. So hatte sich das Bundesarbeitsgericht nun in einem Fall mit einem von der Arbeitnehmerin beantragten unbezahlten Sonderurlaub zu befassen. Entstehen auch während eines Sonderurlaubs dennoch Urlaubsansprüche? Das Bundesarbeitsgericht hat dies eindeutig bejaht (06.05.2014 – 9 AZR 687/12). Wir möchten die wichtige Entscheidung für die Praxis hier vorstellen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Universitätsklinikum seit dem 1. August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand unter anderem der Tarifvertrag für die Charité – Universitätsmedizin Berlin Anwendung.

Auf Antrag der Klägerin gewährt die Beklagte ihr gem. § 28 TV-Charité Sonderurlaub unter Fortzahlung des Entgelts vom 1. Januar bis zum 30. September 2011. Nach dieser Tarifvorschrift war es möglich, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub zu erhalten.

In § 26 Abs. 2c TV-Charité war geregelt:

„Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.“

Das Arbeitsverhältnis endete dann aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. September 2011. Mit Schreiben vom 16. November 2011 forderte die Klägerin die Klinik erfolglos auf, ihr 15 Tage gesetzlichen Urlaub aus dem Jahre 2011 abzugelten. Sie hat die Ansicht vertreten, auch während des Sonderurlaubs seien Urlaubsansprüche jedenfalls anteilig bezogen auf den gesetzlichen Mindesturlaub (9/12 von 20 Urlaubstagen) entstanden. Diese habe die Beklagte nicht kürzen dürfen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des LAG bestätigt. Auch während des Sonderurlaubs sind nach Auffassung des BAG Urlaubsansprüche entstanden.

I. Ruhen des Arbeitsverhältnisses und Urlaubsansprüche

Für das Entstehen eines Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum (= Kalenderjahr) eine Arbeitsleistung erbracht hat. Das BAG hat nun klargestellt, dass sich aus dem Bundesurlaubsgesetz keine Ausnahmeregelung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses entnehmen lassen. Dies wird unter anderem mit der Kürzungsvorschrift des § 17 BEEG begründet. Während der Elternzeit ist der Arbeitgeber berechtigt, Urlaubsansprüche je vollem Monat der Elternzeit zu kürzen. Nur ein entstandener Urlaubsanspruch kann aber gekürzt werden. Aus diesem Gedanken heraus zieht das BAG den Schluss, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich Urlaubsansprüche entstehen.

Hinweis für die Praxis:

Das BAG hat nun abschließend klargestellt, dass bei jedwedem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, gleich auf welcher Vereinbarung dies beruht, dennoch Urlaubsansprüche entstehen. Dies gilt nicht nur bei dauererkrankten Mitarbeitern, sondern auch bei beantragtem und unbezahltem Sonderurlaub. Auch tarifvertragliche Vorschriften können daran nichts ändern. Selbst eine einzelvertragliche Vereinbarung wäre unwirksam und würde das Entstehen des Urlaubsanspruches nicht hindern. Nur dort, wo gesetzliche Ansprüche eine Kürzungsbefugnis ausdrücklich vorsehen, wie vor allem während der Elternzeit, ist eine Kürzung ausnahmsweise möglich.

II. Teilzeitarbeitsverhältnis an „Null-Tagen“?

Das BAG hat dann weiter geprüft, ob man aus der Vereinbarung über den unbezahlten Sonderurlaub ein vereinbartes Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht an „Null-Tagen“ in der Woche ableiten könne. Eine solche Gleichsetzung hat das BAG aber abgelehnt. Die Vereinbarung über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis begründet gerade kein Teilzeitarbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 TzBfG.

Hinweis für die Praxis:

Den Ausführungen des BAG lässt sich aber für die Praxis positiv entnehmen, dass offenbar mit der Begründung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses an „Null-Tagen“ der Urlaubsanspruch verhindert werden kann. Der Praxis ist also zu empfehlen, dass nicht Sonderurlaub und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, sondern dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitspflicht an „Null-Tagen“ begründet wird. In einem solchen Fall wird dann die Arbeitspflicht gänzlich aufgehoben. Offenbar knüpft das BAG an eine solche Aufhebung der Arbeitspflicht auch den Untergang des Urlaubsanspruchs.

III. Kein Schutz des Arbeitgebers

Der Umstand, dass das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Antrages der Klägerin vereinbart wurde, schützt den Arbeitgeber nicht. Der Umfang des Mindesturlaubsanspruchs ist gem. § 13 Abs. 1 BUrlG der Disposition der Arbeitsvertragsparteien entzogen (sogenannte Unabdingbarkeitsklausel). Auch ist der Arbeitgeber gesetzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer unbezahlten Sonderurlaub zu gewähren. Das BAG sieht daher keine Möglichkeiten, den Arbeitgeber in einer solchen Situation zu schützen.

Fazit:

Die Entscheidung mag rechtlich und dogmatisch zutreffend sein, für die Praxis ist sie jedoch nicht nachvollziehbar. Weshalb sollte einem Mitarbeiter, der unbezahlten Sonderurlaub beantragt, dann zusätzlich noch Urlaub gewährt bzw. bei seinem Ausscheiden abgegolten werden? Der Mitarbeiter hatte ja bereits (Sonder-)Urlaub. Wie lässt sich ein solcher Anspruch umgehen? Nicht durch einzelvertragliche oder tarifvertragliche Regel. Die Unabdingbarkeitsklausel des § 13 BUrlG führt zur Unwirksamkeit jeder anderen Vereinbarung. Denkbar ist aber die Vereinbarung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses an „Null-Tagen“. Das BAG hat dies zwar noch nicht mit letzter Klarheit so entschieden, den Entscheidungsgründen lässt sich aber entnehmen, dass bei einer Teilzeitbeschäftigung an „Null-Tagen“ – ähnlich der Kurzarbeit – der Urlaubsanspruch insgesamt entfällt. Alternativ könnte man das Arbeitsverhältnis gänzlich beenden und nach dem Zeitraum des begehrten Sonderurlaubes wieder neu begründen. In einem tatsächlich aufgehobenen Arbeitsverhältnis können (natürlich) auch keine Urlaubsansprüche entstehen.

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