Einführung
Regelmäßig stellt sich nach einem Todesfall die Frage, welche Anordnung der Erblasser tatsächlich mit seiner letztwilligen Verfügung treffen wollte. Im Vordergrund stehen hierbei häufig missverständliche Formulierungen in einem handschriftlichen Testament.
Schwieriger wird die Beurteilung des Erbfalls dann, wenn das – an sich unmissverständliche – Testament eine Lücke enthält. Eine solche Lücke in der letztwilligen Erklärung des Erblassers liegt vor, wenn die testamentarischen Anordnungen unvollkommen sind. Das bedeutet, wenn eine Regelung fehlt, die der Erblasser(bei Errichtung des Testaments) getroffen hätte, wäre ihm die (bei seinem Tod vorliegende) Sachlage vollständig bekannt gewesen.
In einem solchen Fall wird versucht, mithilfe sogenannter ergänzender Auslegung die Lücke in der Erklärung zu schließen und den Willen des Erblassers zu ermitteln. Durch die ergänzende Ermittlung des Erblasserwillens darf allerdings kein Wille in das Testament „hineingetragen“ werden, der darin nicht angedeutet ist. Durch ergänzende Testamentsauslegung kann also eine Lücke nur dann geschlossen werden, wenn anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments die Willensrichtung des Erblassers ermittelt werden kann. In diesem Zusammenhang hatte das OLG München einen Fall zu entscheiden, in dem es scheinbar nur eine „sinnvolle“ Möglichkeit gab, die Lücke im Testament zu schließen
Der Fall
In einem handschriftlichen Testament hatte der Erblasser 25 Jahre vor seinem Tod seine Ehefrau zu seiner alleinigen Erbin bestimmt. Allerdings war die Ehefrau vorverstorben. Für diesen Fall sah das handschriftliche Testament keine Regelung vor. Aufgrund eines schweren Schlaganfalls hatte der Erblasser keine Möglichkeit, mithilfe eines neuen Testaments auf das Vorversterben seiner Ehefrau zu reagieren. Eigene Familienangehörige – ob Kinder, Geschwister oder Eltern – hatte der Erblasser nicht (mehr).
In dieser Situation gingen die beiden Schwestern der Ehefrau davon aus, dass der Erblasser seine Schwägerinnen eingesetzt hätte, wenn er vorausschauend bedacht hätte, dass seine Ehefrau vor ihm versterben könnte. Zur Begründung legten sie sehr umfangreich dar, der Erblasser habe keine ihm nahestehenden Verwandten gehabt und sei vollkommen in die Familie der Ehefrau integriert gewesen. Es habe ein enger Kontakt zu den Familien der beiden Schwestern bestanden und er habe die Familie der Ehefrau immer als seine eigene angesehen.
Das Nachlassgericht hatte den beantragten Erbschein mit der Begründung zurückgewiesen, es erscheine gut möglich, dass der Erblasser den eingetretenen Fall des Vorsterbens seiner Ehefrau bedacht habe und davon ausgegangen sei, gegebenenfalls erneut testieren zu können.
Kein Wille zur Einsetzung der Familienangehörigen der Ehefrau erkennbar
Auch das OLG München sah keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die Schwestern seiner Ehefrau als (Ersatz-)Erbinnen eingesetzt hätte, wenn er das Vorversterben seiner Ehefrau bedacht hätte. Das OLG ging davon aus, dass der Erblasser bei Testamentserrichtung nicht damit gerechnet habe, dass seine jüngere Ehefrau vor ihm versterben würde. Selbst wenn er – wie das Amtsgericht es für möglich gehalten hatte – erwogen haben sollte, dass er in diesem Fall neu testieren müsse, ändere das nichts daran, dass er tatsächlich kein neues Testament errichtet hatte.
Es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Erblasser, hätte er das Vorversterben seiner Ehefrau bedacht, deren Schwestern als Erbinnen eingesetzt hätte. Die von den Schwestern vorgetragenen persönlichen Beziehungen des Erblassers zu seinen Schwägerinnen, deren Ehemännern und deren Kindern ließen keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass er seine Schwägerinnen nach dem Tod seiner Frau zu Erbinnen eingesetzt hätte.
Besonders „sinnlos“ mag dieses Ergebnis erscheinen, wenn man in den Blick nimmt, dass gesetzliche Erben des Erblassers nicht bekannt waren und daher das Erbrecht des Staates zur Anwendung kam. Wie das Gericht aber feststellte, begründet allein der Umstand, dass andere Erben nicht bekannt waren, eine Ersatzerbenstellung von dem Erblasser nahestehenden Personen nicht. Das Nachlassgericht sei nicht befugt, anstelle des Erblassers eine sinnvolle Erbfolge zu bestimmen.
Fazit
Derjenige, der ein Testament errichtet, sollte sich Gedanken darüber machen, wer erben soll, wenn der im Testament Bedachte vor ihm verstirbt und somit als Erbe wegfällt. Vorsorglich sollte der Erblasser in seinem Testament einen solchen Ersatzerben bestimmen. Ist darüber im Testament nichts gesagt, erben nicht automatisch die Verwandten des Bedachten, für die im Sinne einer „verwandtschaftlich sinnvollen“ Erbfolge viel sprechen mag.
Rechtsanwalt Gordian Felix Oertel, Associate, Büro Bonn.
(oertel@meyer-koering.de)
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