19.07.2015

Der Fall

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und war mehrere Jahre als leitender Angestellter in einem Unternehmen tätig. Im Streitjahr wechselte er an eine Fachhochschule und nahm dort eine Lehrtätigkeit auf. Anlässlich seines Arbeitsplatzwechsels lud der Kläger Kollegen, Kunden, Lieferanten, Verbands- und Behördenvertreter sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung zu einem Abendessen in ein Hotelrestaurant ein. Die Einladungen stimmte der Kläger mit seinem bisherigen Arbeitgeber ab. Die Anmeldung für die Feier erfolgte über das bisherige Sekretariat des Klägers.

Das Hotelrestaurant stellte für die Ausrichtung der Abschiedsfeier, an der etwa 100 Personen teilnahmen, rund € 5.206 in Rechnung, die der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend machte. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung mit der Begründung ab, dass es sich um eine private Feier gehandelt habe.

Die Entscheidung des FG Münster

Bei den Kosten der Abschiedsfeier handelt es sich nach Auffassung des FG Münster um Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Abgrenzung Werbungskosten – Auswendungen der privaten Lebensführung

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierunter fallen Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind (sog. Veranlassungszusammenhang). Gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG liegen keine Werbungskosten vor bei Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen.

Auf die Gesamtwürdigung kommt es an

Im Bereich der Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen ist in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Während Geburtstage oder Dienstjubiläen der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zugerechnet werden, hat eine Verabschiedung in den Ruhestand als letzter Akt des aktiven Dienstes ganz überwiegend beruflichen Charakter[1].

Der Anlass der Veranstaltung ist aber lediglich ein wesentliches Indiz. Notwendig ist eine Gesamtwürdigung auch weiterer Umstände, namentlich

  • wer als Gastgeber auftritt,
  • wer die Gästeliste bestimmt,
  • die Zusammensetzung und Zugehörigkeit der Teilnehmer zur beruflichen oder privaten Sphäre des Steuerpflichtigen,
  • die Örtlichkeit der Veranstaltung,
  • die Höhe der Aufwendungen im Vergleich zu ähnlichen betrieblichen Veranstaltungen sowie
  • der Charakter der Feierlichkeit insgesamt.

Die maßgeblichen Indizien für eine berufliche Veranlassung

Die folgenden Indizien des Streitfalls führten den Senat zu der Überzeugung, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen der Feier beruflich veranlasst waren.

  • Ausweislich der vom Kläger erstellten Einladung war Beweggrund der Veranstaltung die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und der damit einhergehende Wechsel in ein neues Arbeitsverhältnis. Ein solcher Wechsel ist – ebenso wie der Eintritt eines Arbeitnehmers in den Ruhestand – als letzter Akt des bisherigen Dienstverhältnisses anzusehen.
  • Die Zusammensetzung der Gäste deutete ebenfalls auf eine berufliche Veranlassung hin. Sämtliche Gäste – mit Ausnahme seiner Ehefrau – stammten aus dem beruflichen Umfeld des Klägers und waren keine privaten Freunde oder Angehörige. So erging die Einladung an
    • Kolleginnen und Kollegen,
    • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
    • Vorgesetzte,
    • Kunden,
    • Lieferanten,
    • Geschäftspartner,
    • Vertreter von Behörden, Verwaltung und Verbänden sowie
    • Experten aus Forschung und Wissenschaft;
    • Freunde und Verwandte wurden gerade nicht angesprochen.
    • Die ganz überwiegende Zahl der Gäste war ohne Ehe- bzw. Lebenspartner/innen eingeladen.
  • Ein weiteres Indiz für die berufliche Veranlassung stellt die Einbeziehung des Arbeitgebers in die organisatorische Abwicklung der Veranstaltung dar. Im Streitfall geschah dies durch die Mitarbeit der Sekretärin in die Entgegennahme der Anmeldungen und die Erstellung der Liste sowie in weitere organisatorische Aufgaben. Der Arbeitgeber hat sich dadurch in einem gewissen Umfang mittelbar an den Kosten der Veranstaltung beteiligt. Bei einer rein privaten Feier wäre es unüblich – so das FG Münster – und von einem Arbeitgeber typischerweise auch nicht geduldet worden, dass eine von ihm bezahlte Mitarbeiterin in irgendeiner Weise zeitlich in Anspruch genommen wird.
  • Dass der Kläger in der Einladung als alleiniger Gastgeber aufgetreten ist und die Gästeliste sowie den Ort der Veranstaltung bestimmt hat, spricht weder für eine berufliche noch für eine private Veranlassung.
  • Die weiter heranzuziehende Frage, wer die Gästeliste und den Ort der Veranstaltung bestimmt und wer die Feier organisiert hängt typischerweise davon ab, wer die Feier bezahlt. Wenn ein den Werbungskostenabzug begehrender Arbeitnehmer die Kosten für eine Feier getragen hat, wird er im Regelfall den wesentlichen Ablauf bestimmen. Hieraus kann jedenfalls dann keine private Veranlassung abgeleitet werden, wenn bereits der Anlass der Veranstaltung ausschließlich ein beruflicher ist.
  • Der Ort der Veranstaltung ist kein taugliches Indiz für eine Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Veranlassung. So kann sogar eine Privaträumlichkeit des bewirtenden Arbeitnehmers hierfür unschädlich sein[2]. Findet die Veranstaltung in einem Restaurant statt, können daraus keinerlei Rückschlüsse auf die Veranlassung gezogen werden.
  • Der zeitliche Beginn der Veranstaltung ab 18.00 Uhr mit Übernachtungsmöglichkeit, damit auch auswärtig Anreisenden die Möglichkeit der Teilnahme gegeben wird, ist unschädlich.
  • Weiteres Indiz für eine berufliche Veranlassung ist eine Feier nicht an einem Wochenende, sondern an einem Wochentag.
  • Hält ein Vertreter des Arbeitgebers eine Laudatio, ist dies ein weiteres positives Indiz, da ein solcher Beitrag typischerweise auf privaten Veranstaltungen nicht stattfindet.
  • Die Höhe der Bewirtungskosten ist ein weiteres Indiz. Liegt die Höhe dieser Aufwendungen für ein Essen mit Getränken und musikalischer Untermalung im „durchschnittlichen Bereich“ (hier: Anteil pro Teilnehmer ca. € 50), stellen sich diese Aufwendungen nach Ansicht des FG Münster jedenfalls nicht als so hoch dar, dass sich hieraus eine private Veranlassung ableiten ließe.

Ähnlich hatte auch bereits das FG Hamburg mit Urteil vom 24.06.2009 – 5 K 217/08 – entschieden.

Fazit:

Wer seinen dienstlichen oder beruflichen Abschied feiern und dabei das Finanzamt an den Kosten beteiligen möchte, der sollte sich nach Möglichkeit an den vom FG Münster angestellten Überlegungen orientieren und möglichst viele der beschriebenen Indizien erfüllen und dokumentieren.

Sollen auch Familienmitglieder, sonstige Angehörige und persönliche Freunde an der Abschiedsfeier teilnehmen, darf das vorsorglich nur in völlig untergeordneter Rolle geschehen, oder aber es ist eine zweite, private Feier in vertrautem Kreise anzusetzen, zu der sich das Finanzamt dann aber kostenmäßig sicher nicht einladen lässt.

 


[1] BFH-Urteil vom 11.01.2007 VI R 52/03, Bewirtungsaufwendungen, die einem Offizier für einen Empfang aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte (Kommandoübergabe) und der Verabschiedung in den Ruhestand entstehen, können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein“.

[2] Siehe wiederum BFH-Urteil vom 11.01.2007 VI R 52/03

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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