06.08.2015 -

Kündigungsberechtigt ist zunächst nur das gesetzlich berufene Vertretungsorgan, bei einer GmbH der Geschäftsführer. Die Kündigungsbefugnis kann aber auch auf andere Personen übertragen werden. In solchen Fällen muss der Bevollmächtigte grundsätzlich eine Originalvollmacht bei Ausspruch der Kündigung vorlegen. Andernfalls kann der Kündigungsempfänger (Arbeitnehmer) die Kündigung nach § 174 BGG zurückweisen. Ausnahmen gelten nur dann, wenn dem Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung die Kündigungsberechtigung bekannt und eine Vollmachtsvorlage daher ausnahmsweise entbehrlich ist, § 174 S. 2 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat nun seine dazu ergangenen Grundsätze weiter präzisiert (BAG, Urteil v. 25.09.2014 – 2 AZR 167/13). Die Entscheidung ist von großer Bedeutung für die betriebliche Praxis! Die wichtigen Grundsätze zu § 174 BGB möchten wir daher hier nochmals zusammenfassen.

Die Entscheidung:

Der beklagte Arbeitgeber stellt Baumaschinen her und beschäftigt etwa 720 Mitarbeiter. Der klagende Arbeitnehmer ist seit Februar 2004 als Materialbesteller im Fertigungslager und in der Endmontage beschäftigt.

Betriebsrat und Arbeitgeber haben einen Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart. Die Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer, u.a. des Klägers, waren in einer Anlage aufgeführt.

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer zum 31. Juli 2012. Das Kündigungsschreiben war von dem Prokuristen und Personalleiter mit dem Zusatz „ppa“ und von einem Personalsachbearbeiter mit dem Zusatz „i.V.“ unterzeichnet. Laut Handelsregister war der Personalleiter Gesamtprokurist der Beklagten und nur zusammen mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen vertretungsberechtigt.

Der Arbeitnehmer hat mit anwaltlichem Schreiben die Kündigung nach § 174 BGB zurückgewiesen. Er hat insbesondere behauptet, die Stellung des Personalleiters sei ihm nicht bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hingegen mit der Begründung, die Zurückweisung der Kündigung sei erfolgreich gewesen, stattgegeben.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Zurückweisung nach § 174 BGB

Eine Kündigung kann nach § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden. Voraussetzung ist, dass ein Bevollmächtigter eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB ist die Unwirksamkeit der Kündigung. Eine Heilung oder Genehmigung scheidet aus.

Hinweis für die Praxis:

Wir hatten bereits an verschiedener Stelle auf die wichtige Vorschrift des § 174 BGB hingewiesen. Wir empfehlen der Praxis dringend, grundsätzlich das vertretungsberechtigte Organ, also den Geschäftsführer oder den Vorstand, im Original unterzeichnen zu lassen. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, müssen die bevollmächtigten Personen in jedem Fall eine Originalvollmacht der Kündigung – nachweisbar! – beifügen.

II. Entbehrlichkeit einer Vollmacht?

Eine Zurückweisung nach § 174 BGB ist ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber (= Vollmachtgeber) demjenigen gegenüber das einseitige Rechtsgeschäft (= Kündigung) vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hatte.

Erforderlich ist damit ein In-Kenntnis-Setzen des Kündigungsempfängers. Ist dem Kündigungsempfänger die Kündigungsberechtigung des Unterzeichners bekannt, bedarf es (natürlich) keiner gesonderten Vollmacht mehr. Allerdings muss der Arbeitgeber dann diese Kenntnis voll beweisen.

Ein In-Kenntnis-Setzen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist.

1. Prokuristen

Eine solche Stellung liegt vor, wenn einem Mitarbeiter Prokura erteilt wurde. In diesen Fällen ist der Prokurist umfassend handlungsbefugt. Voraussetzung ist lediglich, dass die Prokura länger als 15 Tage im Handelsregister eingetragen ist (vgl. § 15 Abs. 2 HGB).

Dies gilt allerdings nicht für Gesamtprokura. Ist ein Prokurist nicht alleinvertretungsberechtigt, sondern nur gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen oder sogar dem Geschäftsführer, müssen beide Personen gemeinsam unterzeichnen. Die Unterzeichnung nur durch einen Prokuristen reicht nicht.

Hinweis für die Praxis:

Dies gilt entsprechend auch für Geschäftsführer. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt und sind nur zwei Geschäftsführer gemeinsam vertretungsberechtigt, muss die Kündigung auch von beiden Geschäftsführern unterzeichnet werden. Unterzeichnet nur ein Geschäftsführer, muss dieser eine Vollmacht des anderen Geschäftsführers beifügen.

2. Personalleiter

Die Kündigung kann auch dann ausgeschlossen sein, wenn es sich bei dem die Kündigung unterzeichnenden Mitarbeiter um den Personalleiter handelt. Voraussetzung ist, dass der Personalleiter dann auch kündigungsbefugt ist, dies in der Vergangenheit bereits praktiziert hat und dem Mitarbeiter diese Kündigungsbefugnis auch bekannt ist, er darüber also in Kenntnis gesetzt wurde. All dies muss der Arbeitgeber beweisen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass es allein auf die Stellung eines Personalleiters ankommt. Ist ein Personalleiter zugleich Gesamtprokurist, ändert dies nichts an seiner alleinigen Kündigungsbefugnis, wenn er dazu berechtigt ist. Die Befugnis eines Personalleiters wird also nicht dadurch begrenzt, dass er zugleich zum Gesamtprokuristen bestellt ist. Aus diesem Grund macht es auch keinen Unterschied, ob ein Personalleiter zusätzlich mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnet. Diese Pflicht folgt bereits aus § 51 HGB.

Das Bundesarbeitsgericht hat daher klargestellt, dass im vorliegenden Fall die Zurückweisung der Kündigung nicht deshalb ausgeschlossen war, weil der Personalleiter nicht in seiner Funktion als Personalleiter, sondern nur mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnet hat. Allerdings war noch nicht abschließend aufgeklärt, ob der Kündigungsempfänger (der Arbeitnehmer) von der Funktion des Personalleiters und dessen Kündigungsberechtigung auch Kenntnis hatte i.S.v. § 174 S. 2 BGB. Der Rechtsstreit wurde daher zurückgewiesen. Diese Frage muss von dem Landesarbeitsgericht weiter aufgeklärt werden.

Fazit:

Die Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ist für Arbeitgeber mit hohen Risiken verbunden. Die Kündigung ist bei einer wirksamen Zurückweisung unwirksam. Sie muss also erneut ausgesprochen werden. Sind dann zwischenzeitlich wichtige Fristen (z.B. Probezeit oder Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB) abgelaufen, scheidet eine neue Kündigung aus. Die Zurückweisung einer Kündigung kann also zu erheblichen Rechtsnachteilen führen. Wir empfehlen daher in der Praxis grundsätzlich das vertretungsberechtigte Organ im Original unterschreiben zu lassen, um solche Unsicherheiten von vornherein auszuschließen. Soll dennoch ausnahmsweise mit Vollmacht eine Kündigung ausgesprochen werden, muss diese Vollmacht ebenfalls im Original unterzeichnet sein und dem Kündigungsempfänger im Original zugehen. Alle Wirksamkeitsvoraussetzungen hat der Arbeitgeber zu beweisen.

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