01.09.2015

Der BGH hat in einem aktuellen Urteil vom 28. April 2015 – II ZR 63/14 – den Umfang der Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates bei Vergütungsfragen von Vorständen festgelegt. Die Vertretungsbefugnis ist umfassend. Sie gilt auch, wenn der „Anstellungsvertrag“ mit einer „Drittgesellschaft“ abgeschlossen wird, die das Vorstandsmitglied vergütet.

Das Gericht hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, welcher bei mittelständischen Aktiengesellschaften häufiger vorkommt. Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft (der Klägerin) bestellte den Beklagten zum Vorstandsmitglied. Der Anstellungsvertrag mit der Vergütungsvereinbarung wurde dagegen nicht unmittelbar zwischen der Klägerin (Aktiengesellschaft) und dem neuen Vorstandsmitglied (Beklagten) geschlossen, sondern mit einer dritten Gesellschaft. In der Entscheidung handelt es sich um eine „2 GmbH“, dessen Geschäftsführer der Beklagte war. In diesem Vertrag zwischen der Klägerin und der 2 GmbH war die Vergütung für die Tätigkeit des Beklagten geregelt. Der Aufsichtsrat der Klägerin hatte offenbar Bedenken, ob die Aktiengesellschaft von dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat vertreten wird. Der Beklagte wandte sich daraufhin an eine Rechtsanwaltskanzlei und bat um rechtliche Stellungnahme. Der Rechtsanwalt gab diese Stellungnahme per E-Mail ab. Dieser hatte – im Ergebnis – keine Bedenken an der Vertretungsbefugnis des Vorstandes.

Im Anschluss schlossen die Klägerin, vertreten durch zwei Vorstandsmitglieder, mit der 2 GmbH, vertreten durch das beklagte Vorstandsmitglied, die Vergütungsvereinbarung.

Der Aufsichtsrat der Klägerin berief den Beklagten sechs Wochen nach Abschluss der Vergütungsvereinbarung als Vorstand ab. Die 2 GmbH machte daraufhin Vergütungsansprüche gegen die Klägerin geltend.

Die Klägerin begehrte ihrerseits Feststellung eines Schadenersatzanspruches gegen den Beklagten. Die Klägerin hatte in den ersten beiden Instanzen mit ihrer Klage Erfolg. Auf die Revision hob der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG auf und verwies die Angelegenheit zur Entscheidung an das OLG zurück.

Der Anspruch der Klägerin (Aktiengesellschaft) gegen den Beklagten (Vorstand) sei begründet, da der Beklagte die beiden anderen Vorstandsmitgliedern nicht von dem Vertragsschluss mit der 2 GmbH abgehalten habe. Ein Vorstandsmitglied handele schon pflichtwidrig, wenn er gegen die gesetzliche Kompetenzordnung verstoße oder nicht verhindere, dass ein anderes Vorstandsmitglied dagegen verstoße. Dies sei bei dem Vertrag mit der 2 GmbH erfolgt. Der Aufsichtsrat hätte die Klägerin vertreten müssen. Die gesetzliche Vertretungsregelung sei eindeutig. Der Aufsichtsrat berufe den Vorstand. Der Aufsichtsrat vertrete die Aktiengesellschaft bei dem Anstellungsvertrag. Diese Vertretungskompetenz sei umfassend. Sie gelte auch, wenn die Vergütung des Vorstandes nicht unmittelbar in einem Vertrag mit dem Vorstandsmitglied geregelt werde, sondern mit einer dritten Gesellschaft.

Das Ergebnis überrascht nicht. Würde die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates nicht auch für diese Drittgeschäfte gelten, könnte der Vorstand die aktienrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einfach dadurch umgehen, dass Vergütungsvereinbarungen nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst getroffen werden, sondern mit einer von ihm beherrschten Gesellschaft. Würden alle Vorstandsmitglieder so verfahren, könnten sie, ohne jegliche Kontrolle durch ein anderes Organ, die Vergütung frei bestimmen.

Fazit:

Es steht nunmehr endgültig fest, dass die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates auch bei Drittgeschäften gilt. Damit wird für diesen Typus an Geschäften – die Vergütung wird über einen separaten Beratungsvertrag mit einem Dritten geregelt – Klarheit geschaffen. Offen gelassen hat der BGH eine Frage, die in der Praxis ebenfalls regelmäßig auftritt. Welche Vertretungskompetenz besteht bei der Aktiengesellschaft, wenn in einer Vergütungsvereinbarung mit einer „Drittgesellschaft“ nicht nur die Vergütung des Vorstandsmitgliedes geregelt wird, sondern auch von weiteren Mitarbeitern, die von dem Drittunternehmen ebenfalls abgestellt werden, aber nicht als Vorstand agieren. Eine ausdrückliche Antwort hat der BGH nicht gegeben. Die Darstellung des Sachstandes deutet aber darauf hin, dass der BGH einer gemeinsamen Zuständigkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrates zuneigt. Wer daher sicher gehen möchte, sollte in solchen Fällen eine Mehrfachvertretung durch Aufsichtsrat und Vorstand vornehmen.

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