Sexuelle Belästigungen können zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Wie verhält es sich aber mit Fehlverhalten im privaten Lebensbereich? Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte sich nun mit einem Fall zu beschäftigen, in dem es um sexuelle Belästigungen in Facebook ging (LAG Hessen, Urteil v. 21.02.2014 – 14 Sa 609/13). Die fristlose Kündigung wurde hier für wirksam erachtet. Auch außerdienstliches Verhalten kann auf das Arbeitsverhältnis durchschlagen. Wir möchten hier die wesentlichen Grundsätze für die Praxis vorstellen.
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer war seit 1. Januar 2007 bei dem Rechtsvorgänger als Hallenmeister beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist kraft Betriebsübergang zum 1. Oktober 2012 auf die beklagte Stadt übergegangen.
Im Zeitraum vom 30. November bis 2. Dezember 2012 chattete der Kläger auf Facebook mit der Nichte seiner Kollegin. Diese Kollegin arbeitete mit ihm zusammen und war ihm gegenüber auch weisungsbefugt und vorgesetzt. Die Nichte behauptete in ihrem Facebook-Profil 1997 geboren zu sein (also 15 Jahre), in Wirklichkeit war sie allerdings erst Jahrgang 2000.
Dem Chat-Protokoll zufolge fragte das Mädchen den Kläger an, wer er sei. Dieser fragte zurück, wer das wissen wolle und warum. Darauf antwortete das Mädchen, sie wolle das wissen, weil der Kläger sie angefragt habe. Der Kläger antwortete hierauf: „Was denken Mädels, wenn sie arschgefickt werden.“ Hierauf antwortete die Nichte seiner Arbeitskollegin: „Meine Tante wird mit Dir darüber reden!“ Nachdem der Kläger im Folgenden in dem Chat behauptete, die beleidigende Äußerung sei nicht von ihm gewesen, fragte er sodann an: „Wer bist Du und wie alt bist Du?“ Nachdem die Nichte seiner Arbeitskollegin hierauf nicht antwortete schrieb der Kläger: „Ich habe nur Probleme.“ Hierauf erfolgte keine Antwort des Mädchens. Der Kläger schrieb sodann: „Wie auch immer, man spielt mir übel mit, nichts desto trotz freue ich mich über erotische Geschichten und bin meinem Hund entsprechend flexibel. Gib mir Feedback, als freundlich arschliebendes Wesen und so …“
Das betroffene Mädchen wandte sich daraufhin an ihre im gleichen Haus lebende Tante, die Arbeitskollegin des Klägers. Über diese erlangte der Arbeitgeber vom Inhalt des Chats Kenntnis. Es wurde Strafanzeige erstattet, die mit einem Strafbefehl endete.
Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats wurde der Arbeitnehmer schließlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Hessen die fristlose Kündigung ebenfalls bestätigt.
I. Wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung
Mehrfache sexuell obszöne Beleidigungen stellen einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Die Pflichtwidrigkeit war hier sogar nachgewiesen. Der Kläger chattete von seinem Profil aus. Der Facebook-Account war auch nicht „gehackt“. Bei den Aussagen des Klägers handelte es sich auch nicht, wie von ihm im Prozess behauptet, um Bagatellen.
Hinweis für die Praxis:
Sexuelle Belästigungen werden in der Rechtsprechung streng geahndet. Grundsätzlich sind solche Vorfälle für eine fristlose Kündigung an sich geeignet. Arbeitgeber sind sogar verpflichtet, sich in solchen Fällen, wenn sie Kenntnis erlangen, schützend vor die Betroffenen zu stellen und den Sachverhalt weiter aufzuklären. Untätigkeit kann hier auch zu Ansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber führen. Wir können daher der Praxis nur empfehlen, sich bei Verdachtsmomenten neutral um eine genaue und rechtssichere Aufklärung zu bemühen.
II. Verhalten im außerdienstlichen Bereich?
Das Landesarbeitsgericht hat klargestellt, dass auch Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Lebensbereich einen fristlosen Kündigungsgrund begründen kann. Zwar steht das Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Lebensbereich grundsätzlich außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers. Eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung kann jedoch dann vorliegen, wenn das private Verhalten sich auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Erforderlich ist dann aber eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses durch das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers.
Ein solcher konkreter Bezug lag hier vor. Das Opfer der Straftaten des Klägers war die Nichte seiner Kollegin. Diese war ihm gegenüber sogar weisungsbefugt. Hieraus resultiert ein dienstlicher Bezug des Fehlverhaltens. Dies gilt erst recht, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander hat, wie es hier gegeben war. Die Tante des betroffenen Mädchens war nicht mehr bereit, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten. Schließlich war der Kläger als Hallenmeister tätig und hatte damit unstreitig Zugang zu Umkleidekabinen in der von ihm betreuten Halle, die auch von Kindern und Jugendlichen genutzt werden.
III. Interessenabwägung
Die Interessenabwägung fiel ebenfalls zu Lasten des Klägers aus. Das Mädchen war, für ihn erkennbar, minderjährig. Die Obszönität seiner Beleidigungen bewegte sich keineswegs im Bagatellbereich. Auch stellte er seine verbalen Übergriffe dann nicht ein, als die Nichte seiner Arbeitskollegin deutlich darauf hinwies, ihre Tante einschalten zu wollen. Der Kläger zeigte auch im Laufe des Prozesses kein Unrechtsbewusstsein, sondern behauptete zunächst, sein Account sei „gehackt“ worden. Schließlich bestand das Arbeitsverhältnis zu der jetzigen Beklagten erst, wegen des Betriebsübergangs, seit wenigen Monaten.
Fazit:
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die fristlose Kündigung bestätigt. Sexuelle Belästigungen im Arbeitsverhältnis bzw. mit Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis sind schwere Delikte. Die Arbeitsgerichte sehen solche Verfehlungen regelmäßig als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung an. Arbeitgeber sind gehalten, solche Vorwürfe uneingeschränkt mit der nötigen Neutralität und Objektivität aufzuklären. Dringende Verdachtsmomente bzw. nachgewiesene Taten führen zur sofortigen Trennung.
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