Mit Urteil vom 23. Juni 2015 hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Kinder des Erblassers ein vom Erblasser zu Wohnzwecken genutztes Familienheim steuerfrei erwerben können, wenn sie innerhalb angemessener Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Familienheim selbst für eigene Wohnzwecke zu nutzen, und diese Absicht durch den Einzug auch tatsächlich umsetzen. Erwirbt ein Kind als Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses über seinen Erbteil hinaus das Alleineigentum an dem Familienheim, erhöht sich sein steuerbegünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt.

Zum Hintergrund: 

Nach den Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ist der Erwerb des sogenannten „Familienheims“ durch den Ehegatten oder Lebenspartner (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 b) ErbStG) bzw. die Kinder des Verstorbenen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 c) ErbStG) unter den dort genannten Voraussetzungen steuerfrei. Unter anderem ist in beiden Fällen erforderlich, dass die Selbstnutzung „unverzüglich“ aufgenommen wird, was im Fall überlebender Ehepartner meist unproblematisch ist, weil sie mit dem verstorbenen Ehepartner zusammenleben. Im Fall der Kinder ist hingegen regelmäßig ein Umzug erforderlich. Erschwerend kommt – wie auch hier- hinzu, dass mit evtl. vorhandenen weiteren Erben erst einmal Einigkeit darüber erzielt werden muss, was mit der Immobilie geschieht. Eine derartige Erbauseinandersetzung kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Nicht höchstrichterlich geklärt war bislang auch die Frage, ob die Steuerbefreiung nur für den ideellen Teil gilt, den der das Familienwohnheim übernehmende Erbe selbst geerbt hat oder auch für die Anteile, die er erst bei Teilung des Nachlasses aufgrund einer Einigung mit den Miterben erwirbt.

Der BFH hat diese Frage nun zugunsten der Erben entschieden und außerdem festgestellt, dass auch ein Einzug in die Immobilie erst ein Jahr nach dem Erbfall noch „unverzüglich“ im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c) ErbStG sein kann.

Der Fall: 

Der Kläger und seine Schwester waren je zur Hälfte Miterben ihres Ende 2010 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus. Eine Wohnung war vom Vater und der Schwester gemeinsam genutzt worden; eine Wohnung war fremdvermietet. Ende 2011 zog der Kläger mit seiner Ehefrau in die vormalige Wohnung des Vaters ein. Bei der Erbauseinandersetzung im März 2012 erhielt der Kläger dann das Alleineigentum an dem Zweifamilienhaus. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Wohnung nur entsprechend dem Erbteil des Klägers und damit nur zur Hälfte.

Die Entscheidung des BFH: 

Der BFH folgte der Rechtsauffassung des Finanzgerichts, dass die Steuerbegünstigung in voller Höhe, also auch für den erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung erworbenen Anteil am Zweifamilienhaus zu berücksichtigen sei. Dem Kläger stehe die Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Wohnung zu, weil er ca. ein Jahr nach dem Erbfall und damit innerhalb angemessener Zeit eingezogen sei. Eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung könne auch vorliegen, wenn die Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Erbfall genutzt werde. Die Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung müssten in einem solchen Fall aber dargelegt werden. Unschädlich sei, dass die Erbauseinandersetzung erst über ein Jahr nach dem Erbfall erfolgt sei.

Die gleichen Grundsätze gelten nach der Entscheidung des BFH auch für die vermietete Wohnung. Der verminderte Wertansatz war ebenfalls nicht von einer zeitnahen Erbauseinandersetzung abhängig.

Quelle: Bundesfinanzhof 9. September 2015, Pressemitteilung Nr. 61

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