04.11.2015 -

Geschäftsführer sind als Organe einer GmbH keine Arbeitnehmer. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist daher nicht eröffnet. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung seine Rechtsprechung allerdings in einer bestimmten Fallkonstellation geändert. Wird der Geschäftsführer abberufen oder legt er sein Amt nieder wird dadurch gleichzeitig die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet (BAG, Beschluss v. 03.12.2014 – 10 AZB 98/14). Die wichtige Entscheidung möchten wir hier vorstellen.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. April 1996 als Unternehmensberater beschäftigt. Im Januar 2011 wurde er durch Gesellschafterbeschluss zum Geschäftsführer bestellt und einige Wochen später ins Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 kündigte die Beklagte aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 24. Februar 2014 das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2014 und verzichtete zusätzlich auf das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Eine Abberufung des Klägers als Geschäftsführer erfolgte zunächst nicht.

Der Kläger erhob fristgerecht Klage beim Arbeitsgericht Berlin und beantragte u.a. die Feststellung, dass er sich in einem Arbeitsverhältnis zu der beklagten Gesellschaft befinde.

Im laufenden Prozess legte er mit sofortiger Wirkung sein Amt als Geschäftsführer nieder.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gegeben, da er weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation eingebunden gewesen sei. Er sei rechtsmissbräuchlich zum Geschäftsführer bestellt worden, um u.a. die Anwendbarkeit des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) und des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) auszuschließen.

Die Beklagte hat hingegen die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin, Kammer für Handelssachen, beantragt. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer. Dies folge unmittelbar aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht ist der Rechtsweg hingegen zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt worden.

I. Organvertreter und Rechtsweg

Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, § 2 ArbGG. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. In Betrieben einer juristischen Person (hier GmbH) gelten jedoch nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Für ein Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan (= Geschäftsführer) und der juristischen Person (= GmbH) sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.

Hinweis für die Praxis:

Die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane keinen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht führen. Solange die Fiktionswirkung der Vorschrift greift sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits allein die ordentlichen Gerichte anzurufen, also die für Geschäftsführer zuständigen Kammern für Handelssachen.

II. Rechtsweg bei Amtsniederlegung

Dieser Grundsatz wird allerdings dann aufgehoben, wenn die Organstellung beendet wird. Legt also der Geschäftsführer sein Amt nieder oder wird er von der Gesellschaft abberufen, ist er kein Arbeitnehmer mehr und die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift nicht mehr. Dies gilt solange, wie der Rechtsstreit über die Rechtswegzuständigkeit noch nicht rechtskräftig ist. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände sind also zu berücksichtigen. Veränderte Umstände können damit sogar dazu führen, dass ein ursprünglich begründeter Verweisungsantrag an die Kammer für Handelssachen (wie hier) später durch die Amtsniederlegung wieder unbegründet wird. Es kommt also nicht ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Klageerhebung an, sondern spätere Veränderungen müssen ebenfalls Berücksichtigung finden.

So lag der Fall hier. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung beim Arbeitsgericht Berlin war der Kläger noch Geschäftsführer und die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 3 S. 3 ArbGG griff ein. Durch seine Amtsniederlegung im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht änderte sich jedoch diese Grundlage. Ab diesem Zeitpunkt waren die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. Das Bundesarbeitsgericht hat daher den Rechtsweg für zulässig erklärt.

Fazit:

Diese Rechtsprechung kann für taktische Überlegungen eine weitreichende Rolle spielen. So kann insbesondere ein abberufener Geschäftsführer durch die Niederlegung seiner Organstellung alle Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte herbeiführen. Damit hat der Geschäftsführer die Hoheit über die Frage, welcher Rechtsweg beschritten werden soll.

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