Der Betriebsrat ist bekanntlich bei der Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen zu beteiligen, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, z.B. beim Anbringen von Videokameras. Dies gilt unabhängig davon, ob die Videoüberwachung gezielt Arbeitnehmer kontrollieren soll. Wie sieht es aber aus, wenn es sich bei der angebrachten Kamera lediglich um eine Attrappe handelt? Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat klargestellt, dass in diesem Fall Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht gegeben sind (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 12.11.2014 – 3 TaBV 5/14). Wir möchten die interessante Entscheidung hier für die Praxis erläutern.
Der Fall:
Bei dem beteiligten Arbeitgeber handelt es sich um ein Krankenhaus. Es bestehen zwischen dem Krankenhaus und dem Betriebsrat unterschiedliche Auffassungen über die Mitbestimmung im Zusammenhang mit der Einführung und Installation, dem Betrieb und der Nutzung der Attrappe einer Videokamera. Der Arbeitgeber geht davon aus, dass der Betriebsrat nicht zu beteiligen ist und hat daher die Kamera-Attrappe ohne Zustimmung des Betriebsrats angebracht.
Daraufhin hat der Betriebsrat bei dem Arbeitsgericht Stralsund den Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle gestellt. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen den Antrag abgewiesen. Mitbestimmungstatbestände des Betriebsrats seien von vornherein nicht ersichtlich, da es sich lediglich um eine Attrappe handele. Nur über eine funktionsfähige Videokamera hätten Mitbestimmungstatbestände ausgelöst werden können. Eine Einigungsstelle sei damit offensichtlich unzuständig im Sinne des § 99 ArbGG.
I. Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Das Landesarbeitsgericht hat zunächst eine mögliche Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geprüft. Danach ist der Betriebsrat zu beteiligen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Voraussetzung ist hier aber immer die objektive Eignung der technischen Einrichtung. Diese objektive Eignung scheitert hier daran, dass eine Kamera-Attrappe nicht geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
Hinweis für die Praxis:
Dieses Ergebnis steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine technische Einrichtung muss, unabhängig von ihrer Zielrichtung, immer objektiv zur Überwachung geeignet sein. Dieses Kriterium ist bei einer Attrappe ersichtlich nicht erfüllt. Eine analoge Anwendung verbietet sich. Sinn und Zweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vor Eingriffen durch anonyme technische Kontrolleinrichtungen. Solche Eingriffe sind durch eine Attrappe nicht zu befürchten.
II. Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG scheidet ebenfalls aus. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer, welches der Arbeitgeber Kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen und Anordnungen beeinflussen und koordinieren kann. Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, die Arbeitnehmer an solchen Maßnahmen im Sinne einer gleichberechtigten Gestaltungsteilnahme zu beteiligen.
Das Landesarbeitsgericht hat auch dieses Mitbestimmungsrecht abgelehnt. Das Anbringen der Attrappe einer Videokamera im Außenbereich entfaltet keine Auswirkungen auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer. Auch ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht erkennbar, welche konkreten Gestaltungsmöglichkeiten sich diesbezüglich ergeben sollen. Für die Arbeitnehmer ergeben sich keine neuen zusätzlichen Regelungen, denen sie unterworfen sind. Mit einer Attrappe wird gerade nicht kontrolliert, wann wer das Gebäude durch den betroffenen Zugang betritt oder verlässt.
Hinweis für die Praxis:
Ähnlich wie bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist eine Attrappe nicht geeignet, das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer zu gestalten. Zutreffend hat daher das Landesarbeitsgericht auch dieses Mitbestimmungsrecht abgelehnt.
Fazit:
Das Anbringen einer Kamera-Attrappe löst keine Mitbestimmungsrechte aus. Auch wenn mit einer solchen Attrappe durchaus ein gewisser „Überwachungsdruck“ auf die Arbeitnehmer ausgelöst werden soll, der auch ihr Verhalten beeinflussen kann, fehlt es an der objektiven Eignung. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es insoweit auf das subjektive Empfinden der betroffenen Arbeitnehmer nicht an. Der Entscheidung ist zuzustimmen.
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