23.11.2015 -

Vor jeder Kündigung ist bekanntlich der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Eine unterbliebene Anhörung des Betriebsrats führt unmittelbar zur Unwirksamkeit der Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der interessanten Fragestellung zu befassen, welcher Betriebsrat bei einem Betriebsübergang und sich anschließendem Widerspruch des Arbeitnehmers gegen diesen Betriebsübergang zu beteiligen ist (BAG, Urteil v. 08.05.2014 – 2 AZR 1005/12). Bei der Anhörung des Betriebsrats ist nach dieser Entscheidung genau darauf zu achten, welcher Betriebsrat in welcher Funktion in welchem Betrieb gebildet ist.

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Der klagende Arbeitnehmer war als Industriereiniger in dem beklagten Reinigungsunternehmen seit September 2000 beschäftigt. Das Unternehmen wurde mit Wirkung zum 1. Juni 2009 auf eine andere GmbH übertragen. Der Kläger wurde in diesem Zusammenhang über den Betriebsübergang schriftlich unterrichtet. Fristgerecht hat er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die neue GmbH widersprochen.

Im Anschluss kündigte daraufhin der bisherige Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen und verwies auf fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten.

Gegen die Kündigung hat sich der Arbeitnehmer unter anderem mit dem Argument gewehrt, sein Arbeitgeber habe den im übergegangenen Betrieb gewählten Betriebsrat zur Kündigung anhören müssen. Die Kündigung sei daher schon aus diesem Grunde nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat diese Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die Entscheidung:

Die Revision des Arbeitnehmers wurde ebenfalls vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

I. Kündigung „wegen“ Betriebsübergangs

Die Kündigung war nicht nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Vorschrift schützt nur vor einer Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs. Sie greift nicht ein, wenn, wie hier gegeben, der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber widersprochen hat und der Arbeitgeber nunmehr wegen des Fehlens einer Beschäftigungsmöglichkeit betriebsbedingt kündigt.

II. Anhörung des Betriebsrats

Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Im Kündigungszeitpunkt existierte kein Betriebsrat, den der beklagte Arbeitgeber anzuhören verpflichtet gewesen wäre.

Zutreffend ist, dass die Anhörung eines gebildeten Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung durch den Arbeitgeber ist. Anzuhören ist der Betriebsrat des Betriebs, dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung angehört.

Der Arbeitgeber hat hier seinen Betrieb vollständig auf einen anderen Arbeitgeber (Betriebserwerber) übertragen. Damit ist der bestehende Betrieb unter Wahrung seiner Identität auf den Betriebserwerber übergegangen. Der gewählte Betriebsrat behält in einem solchen Fall uneingeschränkt das ihm durch Wahl übertragene Vollmandat zur Vertretung der dem Betrieb zugehörigen Arbeitnehmer und zur Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben.

Widersprechen nun einzelne Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber scheiden diese Mitarbeiter aus dem übergegangenen Betrieb aus. Sie verbleiben vielmehr beim ursprünglichen Arbeitgeber, dem Betriebsveräußerer. Das BAG hat dazu mit überzeugender Begründung im Einzelnen ausführlich dargelegt, dass dem Betriebsrat des nunmehr dem Betriebserwerber zugehörigen Betriebes auch kein Restmandat nach § 21b BetrVG oder ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG zukommt. Bei der Übertragung des gesamten Betriebes auf einen anderen Rechtsträger wird ein Betrieb nicht gespalten oder die Betriebsorganisation auf andere Art und Weise verändert.

Fazit:

Bei einem Betriebsübergang geht das Arbeitsverhältnis zunächst auf den Betriebserwerber über. Im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang verbleibt das Arbeitsverhältnis aber bei dem ursprünglichen Arbeitgeber, dem Betriebsveräußerer. Der auf den Betriebserwerber übergegangene Betrieb und der dort fortbestehende Betriebsrat müssen dann aber bei einer betriebsbedingten Kündigung des Betriebsveräußerers nicht (mehr) angehört werden. Der Entscheidung ist zuzustimmen.

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