07.12.2015 -

Arbeitszeugnisse sind immer wieder Anlass für Streit zwischen den Vertragsparteien. Der Arbeitgeber beruft sich auf die Wahrheitspflicht und der Arbeitnehmer nimmt das Wohlwollensgebot in Anspruch. Welche Prinzipien gelten aber, wenn die Vertragspartner sich nicht einigen können? Besteht insoweit ein Anspruch auf ein mindestens gutes oder sogar sehr gutes Zeugnis? Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung die wesentlichen Grundsätze geklärt und der Praxis dazu wichtige Handlungsleitlinien aufgezeigt (BAG, Urteil v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13). Die Entscheidung macht vor allem deutlich, dass die weitverbreitete Praxis, Gefälligkeitszeugnisse zu erteilen, keine Rechtswirkungen entfaltet.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war in der Zahnarztpraxis des beklagten Arbeitgebers ab dem 1. Juli 2010 im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten u.a. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2011.

Nach Erinnerung erhielt sie Ende September 2011 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen den Inhalt des erteilten Zeugnisses gewandt. Im Laufe des Prozesses stritt man sich allerdings nach Anpassung des Zeugnisses nur noch um die Gesamtbewertung. Die Klägerin hat dazu die Auffassung vertreten, ihr stünde die Beurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu, weil ihre Arbeit tadellos gewesen sei, sie verschiedene Verbesserungen in der Praxis eingeführt habe und die von der Beklagten angeführten Mängel nicht zuträfen.

Sie hat daher beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen mit dem Inhalt:

… In der Zusammenarbeit erlebten wir Frau … als engagierte Mitarbeiterin, die sich für die Belange unserer Praxis einsetzte und die ihr übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollen Zufriedenheit ausführte. …

Der Arbeitgeber hatte hingegen gemeint, der Klägerin sei allenfalls die Gesamtbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ zu attestieren. Die Klägerin habe keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht. Es sei zu zahlreichen Fehlleistungen in Bezug auf das im Arbeitsvertrag vereinbarte Leistungsspektrum gekommen.

Das Arbeitsgericht hat der Zeugnisklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsverfahren die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Zufriedenheitsskala

Nach § 109 Abs. 1 S. 3 Gewerbeordnung (GewO) kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben in einem Zeugnis auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken, sogenanntes qualifiziertes Zeugnis. Diese Vorschrift begründet keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern „nur“ auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen.

Für die Benotung eines Arbeitszeugnisses hat sich dabei in der Praxis die sogenannte „Zufriedenheitsskala“ entwickelt. Der Begriff „zufrieden“ enthält eine auf die Arbeitsaufgabe abgestellte Beurteilung, die sich an den objektiven Anforderungen orientiert, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden. Verstärkende oder abschwächende Zusätze führen zu einer schul- oder prüfungsnotenvergleichbaren Skala die von „sehr gut“ bis hin zu „mangelhaft“ reicht.

Wird dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe „zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur Zufriedenheit“ des Arbeitgebers gearbeitet, wird das der Note „befriedigend“ zugerechnet. In gleicher Weise werden den Graden der Zufriedenheitsskala Aussagen wie über- oder unterdurchschnittlich zugerechnet. Danach setzt die Endnote „gut“ voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als die „volle Zufriedenheit“ bescheinigt. Das kann durch Berücksichtigung des für die Beurteilung besonders wichtigen Zeitmoments geschehen, mit dem der Arbeitgeber die Beständigkeit der Leistung charakterisiert. „Gut“ im Sinne der Zufriedenheitsskala ist ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm bescheinigt wird, er habe „stets“, „immer“ oder „durchgehend“ zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers gearbeitet.

II. Bedeutung der Schulnote „befriedigend“

Nach der verbreiteten Definition der Schulnoten soll die Note „befriedigend“ erteilt werden, wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht. Dagegen wird mit „gut“ bewertet, wenn die Leistungen den Anforderungen voll entsprechen. Ein „sehr gut“ ist zu erteilen, wenn die Leistungen den Anforderungen in besonderem Maße entsprechen. Die von der Klägerin begehrte Gesamtbewertung ihrer Leistung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ bringt vor diesem Hintergrund zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer weniger Fehler gemacht und/oder mehr bzw. bessere Leistungen erbracht hat, als nach den objektiven Anforderungen erwartet werden konnte, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden. Die Ausdrücke „stets“ oder „immer“ haben in der Zeugnissprache eine eigenständige Bedeutung. Sie bedeuten ein „mehr“ im Vergleich zu dem, was üblicherweise erwartet werden konnte. Sie meinen aber nicht, dass dem Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses nie ein Fehler unterlaufen ist.

III. Darlegungs- und Beweislast

Ein Arbeitnehmer muss beweisen, wenn er eine bessere Schlussbeurteilung als „zur vollen Zufriedenheit“ (befriedigend) beansprucht. Er muss dann im Zeugnisrechtsstreit entsprechend bessere Leistungen vortragen und ggf. beweisen. Aus der weitverbreiteten Praxis, die Kosten und Mühen eines Zeugnisrechtsstreits zu scheuen und auch der Tatsache, dass eine Neigung zu „Gefälligkeitszeugnissen“ besteht, lässt sich hingegen nichts anderes ableiten. Diese Tendenz ist zwar in der Tat allgemein festzustellen, sie ändert aber nichts an der gesetzlichen Darlegungs- und Beweislast. Das Bundesarbeitsgericht macht in diesem Zusammenhang sogar deutlich, dass Zeugnisse mit Schlussnoten, die den Leistungen eines Arbeitnehmers nicht entsprechen, unwahr und damit gesetzeswidrig sind. Es besteht daher für Arbeitgeber keine Rechtspflicht, sich einer gesetzeswidrigen Übung anzuschließen.

Hinweis für die Praxis:

Die Arbeitnehmerin musste hier also konkret darlegen und beweisen, dass sie bessere Leistungen als der Durchschnitt erbracht hat, um eine Schlussbeurteilung mit der Benotung „gut“ durchzusetzen. Dies konnte das Bundesarbeitsgericht noch nicht abschließend beurteilen. Der Rechtsstreit wurde daher zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Fazit:

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Die allgemeine Praxis, Gefälligkeitsnoten und sehr gute bis gute Zeugnisse zu erteilen, ändert nichts an der gesetzlichen Darlegungs- und Beweislast. Wer meint, besser als der Durchschnitt zu sein, muss dies im Prozess nachweisen. Dies ändert hingegen nichts daran, dass Zeugnisrechtsstreitigkeiten zu meiden sind und regelmäßig auch als „lästig“ empfunden werden. Der Nachweis, welche Leistungen mit welcher Note zu bewerten sind, ist im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses regelmäßig nur mit hohem Aufwand und der Vernehmung von Zeugen möglich. Dieser Aufwand muss bedacht werden, wenn ein Zeugnisrechtsstreit geführt werden soll.

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