10.12.2015 -

Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis kann zur fristlosen oder ordentlichen Kündigung führen. Voraussetzung ist regelmäßig ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers, das trotz vorheriger Abmahnung nicht geändert wurde. Eine einschlägige vorherige Abmahnung ist nur in seltenen Ausnahmefällen entbehrlich. Das Arbeitsgericht Köln hatte nun zu entscheiden, ob Einschlafen am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit eine Abmahnung entbehrlich macht bzw. als Kündigungsgrund ausreicht (ArbG Köln, Urteil v. 19.11.2014 – 7 Ca 2114/14). Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erachtet. Die Kernaussagen der Entscheidung möchten wir hier vorstellen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist im Bord-Service der Deutschen Bahn seit März 2008 zu einem Bruttomonatsentgelt von ca. 2.200,00 € beschäftigt. Ihr wurden bereits in den Jahren 2011 bis 2013 drei Abmahnungen erteilt, zwei Mal wegen verspäteter Arbeitsaufnahme und einmal, weil sie auf ihrem Tablett im Zug Kaffee mitgeführt hatte, aber kein Zusatzangebot wie Croissants etc.

Am 24. Januar 2014 erschien die Klägerin pünktlich zum Dienst und fuhr mit IC-Zügen in insgesamt über 14 Stunden folgende Strecke: 

06.43 Uhr Abfahrt in Karlsruhe

10.57 Uhr Ankunft in Interlaken – sodann Ruhezeit

12.00 Uhr Weiterfahrt nach Basel

13.59 Uhr Ankunft in Basel – sodann Ruhezeit

17.03 Uhr Abfahrt von Basel

21.10 Uhr Ankunft in Köln

Zu Dienstbeginn meldete sich die Klägerin bei der Zugchefin und bei der Restaurantleiterin und erklärte, ihr ginge es nicht gut. Die Zugchefin hat nur in betrieblichen Gefährdungssituationen ein unmittelbares disziplinarisches Weisungsrecht gegenüber dem Zugpersonal. Sie forderte die Klägerin daher auf, sich bei der für die Entgegennahme von Arbeitsunfähigkeitsanzeigen zuständigen Stelle, dem Service-Center der Beklagten, telefonisch zu melden, sofern sie nicht zur Arbeit in der Lage sei. Die Klägerin meldete sich nicht arbeitsunfähig.

Sie öffnete ihren Verkaufsbereich, bat jedoch die Restaurantleiterin, sich kurz hinsetzen zu dürfen und sie zu wecken, sobald mehr Betrieb eingesetzt hat. Dies sagte die Restaurantleiterin zu. Sodann setzte sich die Klägerin in ein Abteil und schlief ein. Bis zur Ankunft in Basel (13.59 Uhr) sah weder ein Kollege nach der Klägerin oder weckte sie, noch nahm die Klägerin von selbst ihre Arbeit auf.

Bei der späteren Rückfahrt von Basel nach Köln um 17.03 Uhr verrichtete die Klägerin ordnungsgemäß ihren Dienst, suchte allerdings häufig die Toilette auf. Sie meldete sich nicht nachträglich arbeitsunfähig und versah ihre folgenden Dienste ordnungsgemäß weiter.

Nachdem die Beklagte von dem Vorfall erfahren hat, leitete sie das ordentliche Kündigungsverfahren ein. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Gegen die ausgesprochene Kündigung erhob die Klägerin fristgerecht Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

I. Einschlägige Abmahnung erforderlich

Eine Kündigung kann wegen Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis sozial gerechtfertigt sein, § 1 Abs. 2 KSchG. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Es bedarf also einer vorherigen Abmahnung. Eine solche Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer hartnäckig und uneinsichtig handelt oder ausdrücklich erklärt, sein Fehlverhalten für die Zukunft nicht mehr ändern zu wollen. Eine Abmahnung ist auch dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist. In solchen Fällen ist in der Regel unmittelbar eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht die vorherigen drei Abmahnungen nicht als einschlägig angesehen. Der Klägerin könne lediglich eine fehlerhafte Selbsteinschätzung vorgehalten werden. Ein Fall von Arbeitsverweigerung liege hingegen nicht vor. Insoweit könne sich der Arbeitgeber nicht auf einschlägige Abmahnungen berufen.

II. Einschlafen keine Arbeitsverweigerung

Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, dass die Klägerin ihren Gesundheitszustand offenbar fehlerhaft eingeschätzt habe. Zahlreiche Symptome deuteten auf eine Arbeitsunfähigkeit hin. So habe sich die Klägerin bei der Zugchefin und der Restaurantleiterin bereits bei Dienstbeginn zu ihren Krankheitssymptomen geäußert. Dann sei sie, obwohl sie sich nur kurz hinsetzen wollte, unmittelbar eingeschlafen und habe fast sieben Stunden geruht bzw. geschlafen. Auf der Rückfahrt habe sie häufig die Toilette aufsuchen müssen. All dies seien Umstände, die für das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit sprechen. Es sei dann Sache des Arbeitgebers, das Gegenteil zu beweisen. Dies sei ihm hier nicht gelungen.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitnehmerin kann auch nicht vorgeworfen werden, sie habe sich nicht nachträglich arbeitsunfähig gemeldet bzw. ein Attest vorgelegt. Der Gesetzgeber hat insoweit die Regel des § 5 Abs. 1 EFZG geschaffen, wonach der Arbeitnehmer grundsätzlich drei Tage selbst seine Arbeitsunfähigkeit einschätzen darf, es sei denn, der Arbeitgeber verlangt vorher eine ärztliche Bescheinigung. Im vorliegenden Fall war zudem zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerin weit entfernt von ihrem Wohnort in einen Zug eingestiegen und dieser losgefahren ist. Damit war eine schnelle Überprüfung ihrer Selbsteinschätzung kaum in der für andere Arbeitsverhältnisse üblichen Weise durchzuführen, in dem nach einem erfolglosen Arbeitsversuch der Weg nach Hause oder zum Hausarzt angetreten werden kann.

Fazit:

Die Umstände des Einzelfalles haben hier eine Kündigung nicht zugelassen. Zwar ist der Vorwurf, am Arbeitsplatz einzuschlafen, zunächst erheblich. Ist der Vorwurf aber auf eine fehlerhafte Selbsteinschätzung und eine offensichtliche Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen, scheidet eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus. Die Mitarbeiterin hätte hier vorrangig abgemahnt werden müssen. Die Entscheidung macht aber deutlich, dass Arbeitgeber klare Richtlinien bzw. Dienstanweisungen erlassen sollten, wie und auf welchem Wege sich Mitarbeiter bei wem arbeitsunfähig melden sollen. Unklarheiten gehen hier zu Lasten des Arbeitgebers.

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