14.12.2015 -

Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages liegt nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. In Fällen der unmittelbaren Vertretung, der Vertreter erledigt also die von der ausgefallenen Stammkraft bislang ausgeübten Tätigkeiten, ist dies rechtlich unproblematisch. Schwierig werden aber die Fälle, in denen der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt. Hier hat die Rechtsprechung den Unterfall der mittelbaren Vertretung entwickelt. Hiervon zu unterscheiden ist der weitere Unterfall der sogenannten gedanklichen Zuordnung. Mit der Abgrenzung dieser Varianten hat sich nun das Bundesarbeitsgericht nochmals ausführlich befasst und seine Rechtsprechung präzisiert (BAG, Urteil v. 11.02.2015 – 7 AZR 113/13).

Der Fall:

Die Klägerin war bei der beklagten Agentur für Arbeit seit Februar 2009 auf der Grundlage von insgesamt fünf befristeten Arbeitsverträgen als Fachassistentin beschäftigt. Sie war durchgehend mit Aufgaben im Teilsachgebiet Arbeitslosengeld I (ALG) befasst. Ihr Team bestand, umgerechnet auf Vollzeitstellen, aus 5,5 Fachassistenten und drei Teamassistenten. Weitere Aufgaben in ihrem Team bestanden im Teilsachgebiet Berufsausbildungsbeihilfe/Ausbildungsgeld/Übergangsgeld (BAB).

Nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag war die Klägerin „als Vollzeitbeschäftigte zwecks Vertretung für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin F, längstens bis zum 31. Dezember 2011 beschäftigt“.

Bei der vertretenen Arbeitnehmerin F handelte es sich um eine unbefristet angestellte Fachassistentin, ebenfalls im Team 231, die allerdings im Teilsachgebiet BAB Aufgaben der Berufsausbildungsbeihilfe wahrnahm. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wurde über den 31. Dezember 2011 nicht weiter verlängert.

Die Klägerin erhob nach Ende der Befristung fristgerecht Befristungskontrollklage. Sie hat geltend gemacht, die Befristung sei unwirksam. Der Sachgrund der Vertretung liege nicht vor. So sei die die von der Beklagten über die Rückkehr von Frau F getroffene Prognose unzutreffend. Die Kollegin F habe gegenüber anderen Mitarbeitern erklärt, dass sie nicht wieder auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde. Die Voraussetzungen einer Vertretungsbefristung seien nicht erfüllt. Sie habe Frau F nicht unmittelbar vertreten, weil sie deren Aufgaben in dem Teilsachgebiet BAB zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen habe. Auch eine mittelbare Vertretung liege nicht vor. Auf eine sogenannte gedankliche Zuordnung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie nach ihren eigenen Angaben eine mittelbare Vertretung habe durchführen wollen.

Das Arbeitsgericht hat die Befristungsklage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur nochmaligen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Sachgrund der Vertretung

Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis.

Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Stammkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Die Anforderungen an die Darlegung dieses Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu drei Fallgruppen entwickelt.

1. Unmittelbare Vertretung

Der Vertretungszusammenhang ist immer dann gegeben, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt.

2. Mittelbare Vertretung

Wird die Tätigkeit des zeitweise verhinderten Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt und deren Tätigkeit dem Vertreter zugewiesen (mittelbare Vertretung) hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen.

Hinweis für die Praxis:

Nimmt der Arbeitgeber den Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass, die Aufgaben in seinem Betrieb neu zu verteilen, so muss er also zunächst die bisher dem vertretenen Mitarbeiter übertragenen Aufgaben darstellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere andere Mitarbeiter zu schildern. Schließlich ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuweisung ergeben.

3. Gedankliche Zuordnung

Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer hingegen Aufgaben übertragen, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, besteht der erforderliche Vertretungszusammenhang nicht nur, wenn eine mittelbare Vertretung erfolgt, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist allerdings zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsabschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einen oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen. Nur dann ist gewährleistet, dass die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers beruht. Darauf, ob und ggf. wie die bisherigen Aufgaben der vorübergehend abwesenden Stammkraft wahrgenommen werden, kommt es bei der sogenannten gedanklichen Zuordnung dagegen nicht an.

Hinweis für die Praxis:

Durch diese gedankliche Zuordnung ist der Arbeitgeber allerdings gehindert, diese Befristung des Arbeitsvertrages mit einem anderen Arbeitnehmer, der die bisherigen Aufgaben der Stammkraft erledigen soll, auf den Sachgrund der Vertretung zu stützen. Er hat sich durch die gedankliche Zuordnung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses festgelegt und kann folglich den Ausfall der Stammkraft nicht mehr zur Begründung einer unmittelbaren oder mittelbaren Vertretung durch einen anderen Arbeitnehmer heranziehen.

II. Prognose

Teil des Sachgrundes ist weiter eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenen Mitarbeiters. Dabei kann der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig damit rechnen, dass eine ausgefallene Stammkraft nach Wegfall des Verhinderungsgrundes (z.B. Krankheit, Urlaub oder Freistellung) die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufnimmt. Insoweit sind besondere Ausführungen im Prozess dazu, dass mit der Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, regelmäßig nicht notwendig. Nur wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender zusätzlicher Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Dies setzt in der Regel voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen.

Fazit:

Liegt kein Fall der unmittelbaren Vertretung bei der Befristung eines Arbeitsvertrages vor, sollte genau dokumentiert werden, welcher Fall mit dem Vertreter vereinbart werden soll. Handelt es sich um die Fallalternative der „gedanklichen Zuordnung“ ist dies nach außen erkennbar zu vereinbaren, regelmäßig durch Angabe im Arbeitsvertrag. In einem solchen Fall kann dann allerdings nicht zusätzlich mit einem weiteren Mitarbeiter eine mittelbare Vertretung vereinbart werden. Hierauf ist bei der Vertragsgestaltung zu achten.

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