29.12.2015 -

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in den vergangenen Monaten vermehrt mit Rechtsproblemen im Zusammenhang mit Dienstkleidung und Umkleidezeiten zu befassen. Ausgangspunkt der Rechtsprechung war dabei die sogenannte IKEA-Entscheidung (BAG, Beschluss v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08). In einer aktuellen Entscheidung hatte sich nunmehr das Bundesarbeitsgericht mit der Frage der Vergütung von Umkleidezeiten bei der Deutschen Bahn zu befassen. Wir möchten die Entscheidung zum Anlass nehmen, um hier ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit der Dienstkleidung darzustellen (BAG, Urteil v. 17.12.2014 – 5 AZR 962/12).

I. Mitbestimmung Betriebsrat und Dienstkleidung

Die Ausgestaltung von Dienstkleidungsvorschriften berührt das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und unterliegt daher nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn die Dienstkleidung dazu dient, das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens zu fördern. Die Anweisung an Mitarbeiter oder bestimmte Gruppen von Mitarbeitern, während der Arbeit eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen oder aber auch sich in einer bestimmten Art und Weise zu kleiden ist damit mitbestimmungspflichtig. Ohne Zustimmung des Betriebsrats darf die Maßnahme nicht umgesetzt werden. Mitarbeiter könnten sich bei fehlender Zustimmung sogar weigern, die Dienstkleidung anzulegen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies jüngst nochmals klargestellt (BAG, Urteil v. 30.09.2014 – 1 AZR 1083/12).

Hinweis für die Praxis:

Dabei haben Arbeitgeber und Betriebsrat bei Regelungen über die Dienstkleidung in einer Betriebsvereinbarung den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Unterschiedliche Tragepflichten sind nur dann gerechtfertigt, wenn für diese ein sachlicher Grund besteht. Maßgeblich ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck.

II. Mitbestimmung Betriebsrat bei Umkleidezeiten als Arbeitszeit?

Eine Mitbestimmung des Betriebsrats kommt auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Betracht. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu im Jahre 2009 entschieden, dass Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehören, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Es kommt dann vor allem darauf an, ob die Dienstkleidung besonders auffällig ist und man mit dieser Dienstkleidung als Arbeitnehmer eines bestimmten Unternehmens erkannt wird bzw. erkannt werden soll. Dies beurteilt sich nicht nach subjektiven Empfindungen, sondern nach objektiven Kriterien, insbesondere der Uniformität der Farbgebung, der Auffälligkeit der Kleidung im öffentlichen Raum oder auch des Bekanntheitsgrades des Unternehmens. Daher kann das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG einschlägig sein, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner vertraglich geschuldeten Arbeit Dienstkleidung an- und ablegen muss (BAG, Beschluss v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08).

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht betont allerdings, dass der Arbeitszeitbegriff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht deckungsgleich mit dem Begriff der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und dem des Arbeitszeitgesetzes ist. Vielmehr bestimmt sich der Arbeitszeitbegriff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG allein nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts. Die Bejahung einer Mitbestimmung führt deshalb noch nicht automatisch zur Vergütungspflicht.

III. Vergütung von Umkleidezeiten

Problematisch ist die Vergütung von Umkleidezeiten. Allein die Tatsache, dass der Betriebsrat mitzubestimmen hat, hat noch keine zwingende Vergütungspflicht zur Folge. Hier stellen sich vielfältige Fragen. Für den Bereich des TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) hat das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2012 klargestellt, dass Umkleidezeiten durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten im Anwendungsbereich des TV-L vergütungspflichtige Arbeitszeit sind, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss (BAG, Urteil v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11).

Umgekehrt bedeutet dies, dass die Tarifvertragsparteien berechtigt sind, die Frage der Vergütung tarifvertraglich zu regeln. Sind die Fragen der Arbeitszeit und der Vergütung im Tarifvertrag abschließend festgelegt, scheidet eine zusätzliche Vergütung für Umkleidezeiten aus. Dies muss aber im Einzelfall geprüft und ggf. durch Auslegung des Tarifvertrages ermittelt werden.

Fazit:

Im Zusammenhang mit der Dienstkleidung und Umkleidezeiten stellen sich vielfältige rechtliche Probleme. Die verschiedenen Urteile machen deutlich, dass eine generalisierende Betrachtung nicht möglich ist. In jedem Einzelfall muss geprüft werden, zu welchem Zweck und auf welcher rechtlichen Grundlage die Anweisung erfolgt, Dienstkleidung zu tragen. Tarifvertragliche und auch betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen können hier jeweils zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen. Der Praxis kann dabei nur empfohlen werden, bestehende Regelungen zu überprüfen und ggf. anzupassen. Soll Dienstkleidung erstmals neu eingeführt werden, sollte man sich zunächst mit den rechtlichen Fragen befassen, um dadurch auf sicherer Rechtsgrundlage agieren zu können.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen