11.01.2016 -

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat zur Erfüllung seiner Unterrichtungspflicht die erforderlichen Unterlagen zur Einsichtnahme überlassen. Sofern die im Rahmen einer solchen Unterrichtung vermittelten Kenntnisse dem Betriebsrat nicht ausreichen, ist der Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG verpflichtet, seine Unterrichtungspflicht durch betriebsangehörige sachkundige Arbeitnehmer zu erfüllen. Das Bundesarbeitsgericht hat die damit im Zusammenhang stehenden Pflichten in einem aktuellen Beschluss weiter konkretisiert und wichtige Fragen geklärt (BAG, Beschluss v. 20.01.2015 – 1 ABR 25/13). Die Auswirkungen für die Praxis möchten wir hier besprechen.

Der Fall:

Die beteiligten Betriebspartner streiten über das Anwesenheitsrecht der Arbeitgeberin bei Gesprächen des Betriebsrats mit betrieblichen Auskunftspersonen. Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit ca. 900 Arbeitnehmern. Es besteht ein Betriebsrat.

Der Betriebsrat beschloss im Januar 2012 die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen für Verhandlungen über den Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Anwendung der Informationstechnik. Die Arbeitgeberin lehnte dies unter Hinweis auf die zur Verfügung stehenden betriebsangehörigen Auskunftspersonen ab.

Daraufhin beabsichtigte der Betriebsrat die Hinzuziehung von vier Arbeitnehmern als „sachkundige Auskunftspersonen nach § 80 Abs. 2 BetrVG“. Hierüber informierte er die Arbeitgeberin und bat um die entsprechende Freistellung der von ihm benannten Beschäftigten. In der Folgezeit kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über das Anwesenheitsrecht des Verwaltungsdirektors bei der Befragung der Auskunftspersonen durch den Betrieb.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, er sei berechtigt, die ihm zur Verfügung gestellten sachkundigen Arbeitnehmer in Abwesenheit weiterer Personen zu befragen. Der Arbeitgeber hat dies bestritten.

Daraufhin hat der Betriebsrat ein Beschlussverfahren mit dem Ziel eingeleitet, festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen, ohne dass bei den Gesprächen zwischen dem Betriebsrat und den sachkundigen Auskunftspersonen weitere Personen anwesend sind.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben diesen Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben.

I. Gesetzliche Regelung unklar

Der Arbeitgeber hat nach § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG, soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, diesem sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen. Hierbei hat er die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen. Danach verhält sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht zu der Frage, ob der Betriebsrat die Anwesenheit anderer Personen bei der Befragung der sachkundigen Arbeitnehmer dulden muss oder nicht.

Das Bundesarbeitsgericht hat dazu recherchiert, dass auch die Gesetzgebungsgeschichte sich als insoweit unergiebig erweist.

II. Betriebsrat darf auf Abwesenheit des Arbeitgebers bestehen!

Das Bundesarbeitsgericht hat aus der Gesetzessystematik und auch dem Normzweck abgeleitet, dass der Betriebsrat darauf bestehen darf, sachkundige Arbeitnehmer in Abwesenheit befragen zu dürfen. So hat der zuständige 1. Senat zunächst eine Parallele zu der Vorschrift des § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG gezogen. Danach sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst die Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat die Unterlagen jedenfalls in Kopie zu überlassen und diesem ohne Beisein des Arbeitgebers eine Auswertung zu ermöglichen. Das Merkmal des „Zurverfügungstellen“ in den aufeinanderfolgenden Sätzen 2 und 3 des § 80 Abs. 2 BetrVG legt ein identisches Begriffsverständnis zugrunde.

Deutlicher ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts der Normzweck. Die sachgerechte Wahrnehmung der jeweils vom Arbeitgeber und Betriebsrat vertretenen Interessen setzt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass sich deren Meinungsbildung unabhängig voneinander vollzieht. Die Willensbildung der Betriebsratsmitglieder soll frei von Einflüssen Dritter ermöglicht werden. Die Anwesenheit des Arbeitgebers oder von ihm bestimmter Personen bei der Befragung der sachkundigen Arbeitnehmer steht einem voneinander unabhängigen Vollzug der Meinungsbildung der Betriebsparteien entgegen. Der Arbeitgeber erhielte ansonsten Kenntnis, welches Wissen aus Sicht des Betriebsrats erforderlich ist, um sachgerecht über eine mögliche Aufgabenwahrnehmung zu befinden. Daneben wäre auch der unbefangene Meinungsaustausch unter den Betriebsratsmitgliedern bei der Befragung der sachkundigen Arbeitnehmer beeinträchtigt. Damit darf der Betriebsrat auf die Abwesenheit des Arbeitgebers bzw. sonstiger Arbeitgebervertreter bestehen.

Hinweis für die Praxis:

Dem stehen nach dem Bundesarbeitsgericht schützenswerte Belange des Arbeitgebers nicht entgegen. Die von der Arbeitgeberseite benannten Auskunftspersonen unterliegen weiterhin dem Direktionsrecht. Die Wahrnehmung der Aufgaben einer Auskunftsperson im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG gehört regelmäßig zu den Aufgaben, die der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gegenüber kraft seines Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) anordnen kann. Bei der Übertragung einer solchen Tätigkeit kann der Arbeitgeber Gegenstand und Umfang der zu erteilenden Auskünfte bestimmen. Diese binden den Arbeitnehmer bei der Beantwortung der ihm vom Betriebsrat gestellten Fragen. Der Arbeitgeber muss also nicht befürchten, dass die Auskunftspersonen über diese im Vorhinein aufgestellte Begrenzung weitere Auskünfte an den Betriebsrat erteilen.

Fazit:

Von der Vorschrift des § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG und der Möglichkeit, dem Betriebsrat sachkundige Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, wird in der betrieblichen Praxis nur selten Gebrauch gemacht. Wir empfehlen, auf diese Vorschrift vor allem dann zurückzugreifen, wenn der Betriebsrat externe Sachverständige in Anspruch nehmen möchte. Dann kann über den Verweis auf vorhandenen Sachverstand im Unternehmen dieser Anspruch zunächst zurückgewiesen bzw. zurückgestellt werden. Gegenüber den sachkundigen Arbeitnehmern besteht ein umfassendes Direktionsrecht. Der Arbeitgeber kann die Auskunftserteilung und den Umfang im Wege des Direktionsrechts bestimmen und begrenzen.

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