20.01.2016 -

Der Betriebsrat ist bei Versetzungen nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Ihm sind dabei die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben, § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass zu diesen Unterlagen auch Notizen des Arbeitgebers gehören können und dazu bestimmte Regeln aufgestellt, die wir hier für die betriebliche Praxis vorstellen möchten (BAG, Beschluss v. 14.04.2015 – 1 ABR 58/13).

Der Fall:

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur internen Versetzung eines Arbeitnehmers.

Der Arbeitgeber beschäftigt mehr als 20 Arbeitnehmer und vertreibt Komponenten für die Elektroindustrie. Es besteht ein Betriebsrat. Die Betriebspartner haben eine Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien (BV Auswahlrichtlinien) vereinbart.

Der Arbeitgeber schrieb intern in seinem Betrieb die Stelle des „Teamleader Outbound (m/w)“ aus.

Für die Stelle gingen mehrere Bewerbungen von betriebsangehörigen Arbeitnehmern ein. Nach der Durchführung von Bewerbungsgesprächen entschloss sich der Arbeitgeber, die ausgeschriebene Stelle mit dem Arbeitnehmer M. zu besetzen. Mit einem beim Betriebsrat am gleichen Tag eingegangenen Schreiben beantragte der Arbeitgeber dessen Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung. Zugleich informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat über die eingegangenen Bewerbungen und den Verlauf der mit den Bewerbern geführten Bewerbungsgespräche sowie über die Gründe für seine Auswahlentscheidung. Dem Unterrichtungsschreiben waren die von den jeweiligen Bewerbern eingereichten Bewerbungsunterlagen beigefügt.

Der Betriebsrat verweigerte fristgerecht die Zustimmung zu der beantragten Maßnahme. Zur Begründung führte er an, die Auswahlentscheidung verstoße gegen die BV Auswahlrichtlinie, § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG. Die nicht berücksichtigten Bewerber seien gleichermaßen für die Stelle geeignet und verfügten über eine längere Betriebszugehörigkeit als der Arbeitnehmer M.

Der Arbeitgeber teilte daraufhin mit, dass er den Arbeitnehmer M. vorläufig als Teamleiter Warenausgang einsetzen werde. Der Betriebsrat bestritt daraufhin die dringende Erforderlichkeit der beabsichtigten vorläufigen Versetzung und wiederholte seine bisherigen Zustimmungsverweigerungsgründe. Weiter führte er zusätzlich erstmals an, der Umzug des Lagers stelle eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 S. 3 Nr. 2 und Nr. 4 dar. Durch die Vornahme der Maßnahmen vor Abschluss eines Interessenausgleichs würden vollendete Tatsachen geschaffen und sein Beteiligungsrecht aus § 111 BetrVG verletzt.

Der Arbeitgeber hat daraufhin beantragt, die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers M. zu ersetzen und gleichzeitig festzustellen, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben diesen Anträgen entsprochen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats

Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG voraus. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu unterrichten. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist.

II. Vorlage von Notizen?

Dem Betriebsrat sind nicht nur die Unterlagen der nicht berücksichtigten Bewerber vorzulegen, sondern auch solche Schriftstücke, die der Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über die Bewerber erstellt hat. Dies gibt der Normzweck des § 99 Abs. 1 BetrVG nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts vor. Der Betriebsrat kann sein Recht, für die zutreffende Auswahl Anregungen zu geben, sachangemessen nur ausüben, wenn er die vom Arbeitgeber ermittelten und von diesem für auswahlrelevant gehaltenen Daten und Unterlagen kennt. Zu den danach vorzulegenden Bewerbungsunterlagen gehören Unterlagen, die der Arbeitgeber allein oder zusammen mit dem jeweiligen Bewerber anlässlich seiner Bewerbung erstellt hat, aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Schriftstücke bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt. Aufzeichnungen, die hierfür ohne jegliche Bedeutung sind, muss der Arbeitgeber nicht vorlegen.

Hinweis für die Praxis:

Die Abgrenzung ist im Einzelfall sicherlich schwierig. Im vorliegenden Fall konnte die Personalsachbearbeiterin darlegen, dass die von ihr während der Bewerbungsgespräche gefertigten Gesprächsnotizen nur als Erinnerungsstütze für die Besprechungen mit ihren Vorgesetzten und für die Abfassung des an den Betriebsrat gerichteten Unterrichtungsschreibens dienen sollten. Damit hatten diese Notizen für die das Bewerbungsverfahren abschließende Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin keine Bedeutung. Anders stellt es sich mit Gesprächsaufzeichnungen zu einem bestimmten Fragenkatalog während des Bewerbungsgesprächs dar, der dann später auch gerade die abschließende Auswahlentscheidung unterstützen soll.

III. Kein Teilnahmerecht des Betriebsrats an Personalgesprächen

Das Bundesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dem Betriebsrat nach dem BetrVG kein Teilnahmerecht an den mit Bewerbern geführten Personalgesprächen zusteht. Der Arbeitgeber muss das hierdurch bewirkte Informationsdefizit des Betriebsrats nicht durch eine Wiedergabe der mit den Bewerbern geführten Gesprächen oder auch nur der wesentlichen Inhalte ausgleichen. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG verlangt vom Arbeitgeber keine Rechtfertigung seiner Auswahl. Gegenstand der Unterrichtung sind nur die wesentlichen Tatsachen und Einschätzungen des Arbeitgebers, die ihn zu der getroffenen Entscheidung bestimmt haben.

IV. Gründe außerhalb der Wochenfrist

Der Arbeitgeber muss sich nur mit den vom Betriebsrat in zulässiger Form angebrachten Verweigerungsgründen auseinandersetzen. Mit außerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG schriftlich mitgeteilten Gründen ist der Betriebsrat im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG ausgeschlossen. Die Vorschriften über Form und Frist in § 99 BetrVG dienen der alsbaldigen Klarheit und der Rechtssicherheit. Der Arbeitgeber und der von der personellen Einzelmaßnahme betroffene Arbeitnehmer haben ein berechtigtes Interesse daran, innerhalb der Wochenfrist zu erfahren, ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme verweigert und auf welche Gründe er sich hierauf stützt. Nur so können die Erfolgsaussichten eines Zustimmungsersetzungsverfahrens abgeschätzt werden. Es kommt folglich nur auf die Berechtigung der rechtzeitig und formgerecht vorgebrachten Gründe an. Soweit daher der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren später auch auf einen Verstoß gegen § 111 BetrVG abgestellt hat, konnte er sich darauf nicht mehr im Zustimmungsersetzungsverfahren berufen.

Fazit:

Dem Betriebsrat sind im Verfahren nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG alle relevanten Unterlagen, auch persönliche Notizen, die für die Auswahlentscheidung eine Rolle spielen, vorzulegen. Schriftliche Notizen, die allein als Erinnerungsstützen dienen sollen, fallen nicht hierunter. Personaler sollten sich hierüber im Klaren sein und eine deutliche Abgrenzung bei Rückfragen des Betriebsrats vornehmen können. Auswahlprozesse sind insoweit entsprechend anzupassen.

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